Alte Geigen kaufen

  • Hallo zusammen,


    ich bin neu hier und lese seit einigen Tagen mit zunehmender Begeisterung mit. Dafür vorab schonmal ein Dankeschön, weil ich schon das eine oder andere lernen konnte. Ebenfalls vorab ein sorry, falls das hier die falsche Rubrik sein sollte, aber ich fand, es passte inhaltlich am besten.


    Kurz zu mir: Ich habe so mit 12/13 eine Begeisterung für klassische Musik entwickelt und mir in den Kopf gesetzt, dass ich Geige spielen will. Leider komme ich aus einem kulturfernen Haushalt und die finanziellen Möglichkeiten meiner Eltern waren sehr eingeschränkt. Als ich 15 war, ergab sich mit einer Reise nach Rumänien ans schwarze Meer die einmalige Chance, ersparte 100 DM in eine Geige zu investieren. Damals, in den 90ern, war drüben einfach alles so viel billiger als hier. In einem Pfandleihaus kaufte ich also eine günstige Fabrikgeige. Absolut kein gutes Instrument, aber ich war happy. Aus verschiedenen Gründen hatte ich dann nur ein Jahr Unterricht und habe nun vor knapp 2 Jahren wieder angefangen. Mittlerweile spiele ich auf einer Markneukirchener Manufakturgeige von 1930 vom Geigenbauer und bin damit sehr glücklich. Meine Begeisterung fürs Spielen ist zurückgekommen, aber auch meine Begeisterung für das Instrument selbst. Schon als Jugendliche fand ich immer auch die Geschichte der Geigen - imposant oder nicht - total interessant. Wie und wo wurden sie gebaut? Was unterscheidet sie voneinander? Warum klingen manche Geigen toll, manche nicht?


    Nach viel Gelaber versuche ich mal zum Punkt zu kommen: Ich finde es schade, dass doch relativ viele Geigen in irgendwelchen Abstellkammern vergammeln oder gar auf dem Müll landen. Selbst wenn es halt nicht so "tolle" Instrumente sind. Ich glaube, meine Einstellung kommt auch daher, dass ich selbst als Kind für jede "schlechte" Geige super dankbar gewesen wäre. Auch stelle ich fest, dass viele Menschen aus Unwissenheit für 300 Euro bei Amazon diese fürchterlichen nasalen Schrömmelgeigen kaufen, obwohl sie vielleicht auch etwas älteres, solides mit annehmbarem Klang haben könnten. Vor dem Hintergrund stöbere ich jetzt auch schon eine ganze Zeit immer mal bei eBay oder eBay-Kleinanzeigen. Irgendwie hätte ich hier gern mehr Geigen im Haus und würde auch gern defekte Geigen reparieren lassen, selbst wenn ich dadurch keine Gewinne mache (große Verluste) möchte ich jedoch auch nicht machen. Es ist irgendwie eine Herz-Sache. Außer hier mitzulesen und (gelegentlich) nichts zu verstehen ^^, habt ihr vielleicht Tipps für mich, z. B. in Sachen Literatur oder andere Ideen, wie ich mein Wissen diesbezüglich erweitern kann?


    Lieben Dank vorab und viele Grüße

    Tanja

  • Hallo Tanja, so wie du haben viele hier im Forum angefangen. Zuerst hat man sich gedanken gemacht, dann wurde das ganze mit dem ersten gekauften Flop gefestigt. Das meiste an Literatur findest du im Internet.

    Das reicht erstmal fürs erste, wenn es aber zum ernst haften Hobby motiert dann wird es auch Teuer wenn es um Literatur für Geigen geht. Um erstmal zu verstehen ist das Buch von Möckel Geigenbaukunst ganz gut.

    Sollte es später auch um Werte gehen braucht es zur bestimmung der Geige die Enzoklypodie des Geigenbaus Teil 1, 2 und 3, die Geigen und Lautenbauer von Lütgendorf sind Online verfügbar.


    Das erstmal zur Theorie, in der Praxis ist leider am Anfang immer ein Verlust einzuplanen da die Erfahrung fehlt und oftmals Bilder der einzige Hinweis zur Qualität bildet. Diese werden von Profis so schön dargestellt das

    man nur schwer beurteilen kann ob Qualität da hinter steckt. Zettel stimmen so gut wie nie, und wenn doch haben Profis bereits die Hand drauf. Dann kommen noch einige hinzu die sich selber hoch bieten und es wird teuer. Hinzu kommt die frage des Klanges, klingt sie schlecht hätte man besser in einer Chinese Geige investiert.

    Also einfach nur Geigen zu Retten in der Hoffnung das Sie besser klingen wie eine billige Stentor Geige klingt ist manchmal mehr als teuer und der Traum wird nicht erfüllt. Also Jedi Ritter sein wollen, besser nicht.

    Aber ich habe so angefangen um für meine Tochter eine Top Geige zu Kaufen. Nach der 60zigsten hatte ich eine.

    Heute nach über 200 Geigen hat Sie ein Top Instrument. Von den 200 waren 5 Geigen Orchester Tauglich.

    20 waren Gut für Hobby Geigenspieler, 30 für Konzerte und Schüler. Der Rest waren Übungsobjekte zum Basteln oder wurden gleich wieder in der Bucht verkauft. Ganz selten mit Gewinn da der markt geflutet wird.

    Erst nach 10 Jahren habe ich gelernt nicht alles zu kaufen und habe einen Blick wann eine Geige Gut gemacht ist oder eben auch nicht. Diese Erfahrung kommt erst nach Jahren und kostet bis dahin nerven und Geld.

    Der einzige der sich richtig freut ist mein Geigenbauer. :)

  • …… die Frage ist zu komplex, wie die nach dem Sinn des Lebens. Abalon hat einige sehr wichtige Aspekte erwähnt.


    Von knapp 700 Büchern über Geigen kann ich nicht sagen, welches das wichtigste ist. Die meisten Bücher kann man aber einfach über eine (Universität) Bibliothek ausleihen sonst wird es schnell ganz schön teuer. Das Büchlein von Barbara Gschaider ist ein kleiner Einstieg, eine gute Geige zu finden ist wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen.


    Am besten, man hat ein Speicherfund aus der Familie. Das ist meistens zwar eine mittelprächtige Geige aber man saniert das Erbstück erst mal, oder lässt es reparieren, ohne darüber nachzudenken😉. So eine Geige wie auf den Bildern findet man eher selten auf dem Speicher.


    bei eBay würde ich nicht kaufen, Da gibt’s zu 99 % eine Enttäuschung und zu 1 % ein Schnäppchen🤷‍♂️. Aber ich hab natürlich auch so angefangen.


    Dann würde ich empfehlen, möglichst viele Geigenbauer zu besuchen und mit Fragen zu Löchern.


    Danach die Buch-Auswahl Bild 2 , wobei das wichtige Buch von André Roussel fehlt.(Grundlage der Geige und des Geigenbaus).

    Die Bücher muss man sich ZVAB mäßig zusammensuchen.

  • Hallo Tanja,


    Abalon hat die Probelmatik sehr gut rübergebracht.


    Es ist nicht so, dass Geigen besser klingen, weil sie alt sind. Oder dass sie besser gebaut sind.

    Ich habe einige Geigen (aus Dachböden, Kellern) bekommen. Keine Geige ist es wert, sie beim Geigenbauer herrichten zu lassen.
    Der Klang ist, mit deinen Worten, oft wie eine „fürchterliche nasale Schrömmelgeige“ ...


    Mein Rat wäre: Befasse dich damit, die Geigen selbst herzurichten. Das ist eine wunderbare Beschäftigung,
    und für die meisten Arbeiten braucht es nur wenig Werkzeug. Oft sind die Geigen rissfrei und brauchen nur

    ein neues Setting und optische Auffrischung. Stimme einrichten, Steg bearbeiten, das ist reine Übungssache,

    dauert halt anfangs etwas länger.


    Meine Lieblingsgeige, die mit dem schönsten Klang, ist übrigens eine Geige aus China.
    Die war billig, ist aber sehr gut und solide gebaut, besser als alles, was ich an alten Geigen so bekommen habe.

  • Hallo zusammen,


    ganz lieben Dank für eure Infos. Ich hatte, nachdem ich meinen Post hier verfasst hatte, noch etwas weiter gelesen und kam mir dann schon bescheuert vor, als ich einigen Beiträgen entnehmen konnte, dass es eigentlich allen anfangs so erging wie mir. Ich dachte irgendwie, ich hätte einfach einen Knall, den sonst keiner hat, weil ich auch nicht so richtig greifen konnte, was genau ich damit bezwecken möchte. Ich liebe einfach diese Instrumente und das Instrumentenbauhandwerk und will wahrscheinlich einfach ein Stück weit in diese Welt eintauchen. In letzter Zeit habe ich ein besonderes Fable für alte vogtländische Geigen ;) ... ich mag die Form irgendwie.


    Wie auch immer, wie ich dir, Abalon, entnehmen kann, ist jetzt meine erste Amtshandlung, ärgerliche Fehlkäufe zu tätigen, um aus der Erfahrung schlau zu werden. :D Spaß beiseite, ich habe auch schon gemerkt, dass Ebay und Co. keine guten Quellen sind, bisher hatte ich auch noch nicht den Drang, irgend etwas dort Vorgestelltes zu kaufen. Außer vielleicht völlig ramponierte Modelle, die für ein paar Euro zu haben sind, und die ich bei mir zu Hause einfach nur zur Deko nutzen möchte bzw. spielfertige Geigen in der Nähe, die mit ihrem Manufakturlabel nicht viel versprechen, aber angespielt schön klingen.

    Auch wenn's höchst unwahrscheinlich ist, kann man ja auch mal Glück haben. Mein Lehrer z. B. spielt eine Johann Georg Schönfelder (I), die aus einem Haufen ramponierter Geigen eines (ich glaube) Musikschuldachbodens stammt. Die wurden ihm alle mehr oder weniger in die Hand gedrückt und beim Geigenbauer stellte sich dann heraus, dass eine von Schönfelder ist. Die Restauration war ziemlich teuer, hat sich aber mehr als gelohnt. Das Instrument ist :love: . Naja, sowas ist natürlich ein seltener und überaus glücklicher Zufall und in keinster Weise rechne ich damit, selbst so ein Glück zu haben. In Zeiten des Internets ist es ja auch für Laienbesitzer relativ einfach, herauszufinden, ob ihr Instrument EVTL. einen gewissen Wert hat und ob sich vor diesem Hintergrund der Besuch eines Geigenbauers lohnt, während vielleicht alte kaputte Geigen früher auf dem Sperrmüll oder Flohmarkt gelandet sind und ein Kenner dort Schätze entdecken konnte, dessen der Veräußernde sich nicht bewusst war.


    Also, ganz lieben Dank für eure Tipps und Literaturhinweise. Ich werde mich auf jeden Fall weiter mit dem Thema beschäftigen. Sollte ich mal einen entsprechenden Fehlkauf tätigen, seid ihr die ersten, denen ich diesen vorstellen werde, sodass ihr mir direkt sagen könnt, dass ich mein Geld sehr professionell zum Fenster rausgeworfen habe. Haha! :)


    Viele Grüße

    Tanja

  • Fiddler: Ja, absolut, dass alte Geigen mitnichten immer die "besten" sind, ist ja allgemein bekannt. Als ich meine aktuelle Geige ausgesucht habe, stand sie auch in harter Konkurrenz mit einer neuen Geige, die in einer belgischen Manufaktur gebaut wurde. Es gäbe ja nicht ein lukratives Geschäft für Geigenbauer hochwertiger Instrumente, wenn ausschließlich oder zumindest weitgehend die alten Instrumente überlegen wären.

    Aber die alten Geigen haben halt Geschichte und Charme. Ich mag grundsätzlich alte Sachen gern. Wenn ich nur nach dem Klang gehen würde, wäre es für mich völlig unerheblich, ob die Geige alt oder neu ist. :)


    VG

    Tanja

  • Ich weiss nicht, wieviel Zeit (und Geld) du hast...aber viele Geigenbauer bieten auch "Geigenbaukurse" an, wo man unter Anleitung ein Instrument selber baut. Das ist zwar nicht billig, aber dafür lernst Du in kurzer Zeit sehr viel (und am Ende ist es vielleicht doch nicht so sehr viel teurer als 30 Fehlkäufe bei Ebay). Manchmal lasst sich auch mit einem netten Geigenbauer ein Praktikum vereinbaren, oder du hilfst aus/putzt die Werkstatt etc.- das geht natürlich nicht bei jedem! Vielleicht lasst sich der Geigenbauer auch darauf ein, dass Du ein altes Instrument unter seiner Anleitung spielfertig machst.


    Ebaygeigen: Ja, es gibt viel Schrott, und ich habe auch schon Lehrgeld gezahlt. Aber wenn Dir eine schöne Geige über den Weg läuft, die erschwinglich/billig ist, ist das doch erstmal egal- Du kannst gerade an einer billigen "Schrottgeige" nix mehr verderben und Deine ersten Erfahrungen im Geigenbau machen. Dann hast Du eben am Ende vielleicht 50 Euro Brennholz, aber keine 5000-Euro-Geige verschandelt. Sieh es wirklich als "Lehrgeld": Da ist bisschen so wie die Pathologie für Mediziner. Die üben auch erstmal an Leichen, bevor sie an den Lebendigen randürfen.

  • Hi,


    danke dir. :) Ja, darüber habe ich auch schon nachgedacht. Ich habe mich schonmal für einen Workshop-Newsletter bei einem Geigenbauer angemeldet. Das ist dann nicht gleich die volle Geigenbau-Experience, vor der ich noch ein bisschen zu viel Respekt habe. Was letzteres kostet, finde ich schon sehr angemessen, ein Urlaub kostet auch nicht mehr. Allerdings dauert sowas ja schon zwei bis drei Wochen, das ist für mich vor urlaubstechnisch nicht ganz einfach, hinzu kommen Kosten für Übernachtungen und ich habe zu Hause recht viele Tiere - also organisatorisch auch nicht ganz einfach. Vielleicht frage ich mal ganz blöd bei Geigenbauern in meiner Umgebung beim nächsten Utensilienkauf, ob die sowas nicht vielleicht auch mal machen würden. Man merkt ja dann schnell, ob die eher offen für sowas sind oder da gar keinen Bock drauf haben (was ich auch verstehen kann).

    Reizt mich total, ehrlich gesagt, gleichzeitig zweifle ich an meinen Fähigkeiten. Ich würde mich insgesamt eher als ungeduldig und unpräzise beschreiben und doch gab es immer mal Dinge in meinem Leben, bei denen ich aus diesen Mustern ausgebrochen bin, einfach weil es mich so sehr fasziniert hat. Aber ich kann's echt so gar nicht einschätzen und habe auch ein bisschen Sorge, dass ich mich völlig blöde anstellen würde. Haha! ;)


    Viele Grüße

  • Ja, bei den lokalen Geigenbauern anfragen (und auch bisschen Geld anbieten oder eine Gegenleistung...) lohnt sich vielleicht. Die haben oft auch Zeiten, wo es ruhiger in der Werkstatt zugeht, und wenn du immer mal für ein paar Stunden vorbeikommst lässt sich das vielleicht machen. Ansonsten hilft es auch, sich Youtube-Videos anzuschauen.


    Wenn Du Dir eine alte "Bastelgeige" zulegst, kannst Du daran experimentieren- z.B. verschiedene Stege anpassen, verschiedene Stimmstöcke etc., also manche Reparaturschritte am gleichen Instrument mehrmals ausführen. Es gibt bei Ebay.com (nicht .de) auch aus China "weisse Geigen" (unfinished violin), auch exotischere Instrumente, bei denen der Korpus etc. grob fertig ist, aber die ganze Lackierung, Einrichtung, Feinabstimmung etc. noch zu machen ist. Manchmal sind die auch noch nicht zugeleimt, da kannst Du dann auch die Decke nacharbeiten. Das sind auch prima Übungsobjekte.

  • Hi,


    ja, an Bezahlung hatte ich auf jeden Fall gedacht, warum sollte das auch jemand umsonst machen, Gegenleistung hatte ich aber gar nicht auf dem Schirm. Aber ich arbeite hauptberuflich im Bereich Corporate Communications, vielleicht hat der eine oder andere Bedarf, etwa für Social Media, seine Website oder sonstiges... Wenngleich ich denke, dass Geigenbauwerkstätten in erster Linie durch Mund-zu-Mund-Propaganda ihren guten Ruf erarbeiten und nur bedingt Bedarf in die Richtung haben. :) Wobei es großartige Instagram-Accounts von Geigenbauern und -Restauratoren gibt.


    Ach, das mit den unfertigen Geigen ist ja auch interessant... da werfe ich definitiv mal einen Blick rein. Danke für den Tipp (bzw. die Tipps)! :thumbup:


    VG