Beiträge von Braaatsch

    Hallo allerseits, hier mal ein Strang zum Thema „Instrumenten-Tuning“. Aus aktuellem Anlass: Ich habe es immer für Esoterik gehalten, dass das Material des Stachels einen deutlichen Unterschied beim Cello machen kann. Jetzt habe ich das mal ausprobiert, und war überrascht, dass das sehr wohl einen seeeeehr deutlichen Unterschied machen kann. Also auch im Blindtest (selber spielen und andere verdeckt spielen lassen).


    In diesem Thread würde ich gerne mit Euch diskutieren, was Eurer Meinung nach sinnvoll ist, was Ihr probiert habt, und was Eurer Meinung nach nur überflüssige Geldschneiderei oder optisches „Nice to have“ ist. Und da fände ich eine Diskussion mit unterschiedlichen Meinungen, Erfahrungen etc. interessant, es hat da ja jeder seine Vorlieben und auch nicht jedes Instrumente „reagiert“ vielleicht auf die gleichen Sachen in ähnlichem Maße.

    Hä? Da ist aber ein bisschen was durcheinander.


    Viola da braccio ist eine Bratsche, und quasi die „Armgeige“, also die Geige bzw. Bratsche, die auf dem Arm gespielt wird. Im Gegensatz zur „Viola da Gamba“, die zwischen den Knien gespielt wird. Die Verkleinerungsform der Viola da braccio ist die/das Violino da braccio, also die Violine (=Geige).


    So hat man damals alle Streichinstrumente eingeteilt, nicht nur die einer bestimmten Bauform (denn es gab damals keine einheitliche normierte Bauform). Heute gibt es noch die beiden Hauptbauformen Gambenform (heute noch beim Kontrabass zu finden) und Geigenform (so wie moderne Geigen gebaut werden) und natürlich alle möglichen Mischformen und Exoten.


    Die (reine) Gambenform hat diese „hängenden Schultern“ wie das Instrument oben, aber einen geraden Boden und keinen Randüberstand (also Zargen und Decke/Boden schließen bündig ab wie bei der Gitarre), und höhere Zargen. Insofern ist das Instrument oben ein historisierendes Instrument, was grob gesagt einfach eine Geige in Gambenform ist, aber wie eine Geige einen gewölbten Boden und einen Randüberstand hat.


    Alter dieses Instruments: Im Historismus (ab ca. 1860/70) hat man in Kunst und Architektur eine richtige „Mittelalter“-Welle (bzw. Neo-Alles-Mögliche-Welle) gehabt. Alte Burgen wurden wieder aufgebaut, alte Epochen romantisiert und alte Stilelemente wieder kopiert und wild gemixt. Im Instrumentenbau zeigte sich das etwa um 1900, als Burgen und Wappen in Geigenböden geschnitzt wurden, und vermeintlich historische Instrumente wie die Lautengitarre erfunden wurden. Gitarren sahen für ein bestimmtes Klientel zu modern aus, Laute war zu schwierig zu spielen, also hat man einfach eine Gitarre in Lautenform gebaut, sogar theorbierte Modelle (denn Theorbe ist ja noch schwerer zu spielen…). So wurden in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem in Sachsen solche „historischen“ Instrumente gebaut: Lautengitarren (aber auch wieder richtige Lauten), Geigen in Gambenform (aber auch richtige Gamben und Fideln!), Kurzhalsgeigen etc. pp. und alle möglichen Exoten.


    Und genau so würde ich deine Geige einordnen: zwischen 1900 und 1945 in Sachsen entstanden, und historisierend. Ein Instrument, was ganz sicher Liebhaber wegen seiner besonderen Form findet, aber jetzt nicht besonders alt ist.

    Die sind aber auch nicht schlecht. Wirklich nicht. Dein vorfahre hatte schon Ahnung, und keinen „Schrott“ gekauft. Beide lassen sich wieder zum Leben erwecken.


    Geigenbauer: In Potsdam wäre Wölz eine gute Adresse, in Dresden Gläsel. Aber wenn Du eh fahren musst: Fahr nach Markneukirchen.

    Naja, Minus mal Minus kann ja auch Plus ergeben ;)


    Ich glaube, wir sprechen da von verschiedenen Qualitätsstufen. Zu Kriegs-, Krisen- oder DDR-Zeiten hat man auch auf Allem gespielt, was Besser war als ein Schuhkarton mit Angelschnüren. Und ja, auch einfache Instrumente können gut klingen, auch welche, die auf den ersten Blick nicht "ideal" sind. Es gibt ja auch heute noch eine Szene, die sich Instrumente selber baut, und gerade im Bereich der Gamben/Fidel/Folkszene sind viele Instrumente unterwegs, die selbst gebaut wurden, nicht immer den Regeln der Kunst entsprechen und in den Ohren ihrer Spieler gut klingen. Wirklich "Orchestertauglich" sind die Wenigsten davon, das ist auch gar nicht immer das Ziel und der Anspruch.


    Zwischen "klingt für mich schön und ich habe meinen Spass daran" und "High-End-Tuning wo ich noch das Letzte raushole und da stört mich das Loch im Stimmstock" liegen Welten und wahrscheinlich ein ganz anderes Verständnis dessen, was man erreichen will. Und am Ende stellt sich natürlich immer noch die Frage, ob das Klangproblem wirklich immer das Instrument ist, oder am anderen Ende des Bogens hängt. In vielen Fällen (im Hobbybereich!) ist es schon so, dass die Limitierung des Klanges vor allem im Können der Spieler liegt....


    Ich habe meinem Carboncello einen Klangstachel und andere Saiten gegönnt. Teuer, aber das hat wirklich noch mal sehr viel gebracht. Ich hätte das nie gemacht, wenn ich das nicht hätte testen können, bevor ich investiere. Das Cello war vorher schon gut. Aber um wieviel es besser wurde, habe ich vorher nicht gewusst. Sprich: Man weiss doch gar nicht, wie diese Geige klingen könnte, wenn sie "perfekt gebaut" wäre. Und wir wissen ja auch nicht, was sich der Erbauer gedacht hat und wie er gebaut hat- vielleicht hat er die Platten aufeinander abgestimmt oder welche Tricks auch immer angewandt, sodass die Fiedel aussieht wie Grütze aber eben doch "genial" ist.... :)

    Ich habe den Eindruck, dass dem Erbauer das alte Instrument vorgelegen hat- und dieses hatte einen Stimmriss mit Futter. Und dann hat er einfach versucht, diese alte Geige "originalgetreu" nachzubauen. Daher ist "alles da", aber nix passt so richtig.


    Wenn die Geige aber trotzdem gut klingt, dann ist das doch egal.

    Manufaktur? Nie und nimmer. Der Löwenkopf ja- der wird von einer anderen Geige stammen. Aber sonst stimmt an dem Instrument überhaupt nix. Das hat jemand gebaut, der wusste, wie eine Geige ungefähr aussieht, vielleicht hat er auch den (kaputten?) Originalkorpus als Vorlage gehabt. Er hat auch durchaus Ahnung von Holzbearbeitung gehabt, und Zugriff auf verschiedene Hölzer (Buche für den Boden, Nadelholz für die Decke…), aber offensichtlich keine Ahnung vom Geigenbau/Klangentstehung.


    Manufakturinstrumente wurden gelegentlich schlampig gebaut, aber das war nicht Unwissen, sondern Zeitdruck geschuldet. Daher stimmen die wesentlichen Faktoren bei den Manufakturinstrumenten schon. Eine solche Geige wäre nicht verkäuflich gewesen.