Geigenbogen

  • Die Frage ist sehr gut und nicht einfach zu beantworten. Ich finde, dass man sich bei Fotos von Bögen noch leichter vertun kann als bei Geigen.

    Ein sehr allgemeines (und nicht immer zutreffendes) Kriterium ist "die Montur", also die Ausstattung, wenn ich es so nennen darf. Bogenbauer sortieren die Stangen, die ihnen zur Verfügung stehen, oft nach Qualität durch und liefern sozusagen "Baureihen". Die weniger guten Bögen haben oft ein einfaches Perlmuttauge, wie Dein Bogen, während etwas bessere ein "Pariser Auge" haben, da ist noch ein Metallring um das Perlmutt eingelassen.

    Weiterhin sind die einfachen Bögen oft "Neusilber montiert", d.h. die Schraube und der Silberdraht sind aus einer vergleichsweise unedle Legierung, die nach einer Zeit leicht anläuft, oft dann mit einem gewissen Grünstich, so wie ebenfalls bei diesem Bogen. Bessere Stangen erhalten eine Silbermontur, die besten eine Goldmontur.

    Dann der Stempel: Die Hersteller, die etwas auf sich halten, stempeln ihre Bögen meistens. Der Name kann unterschiedlich lang ausfallen und weiterhin noch mit Sternchen versehen sein. Typisch ist z.B. von einfach bis hin zu höchster Qualität

    Müller
    H. Müller
    Heinz Müller
    Heinz Müller *
    Heinz Müller **
    Heinz Müller ***

    Die genannten Faktoren sind allerdings
    1. sehr oberflächlich
    2. von Hersteller zu Hersteller sehr unterschiedlich verwendet
    3. gibt es immer Ausnahmen.

    So kann ein Bogen von einem Hersteller ohne Name und mit einfachem Auge unter Umständen besser und auch teurer sein als ein Bogen mit drei Sternen und Goldmontur von einem anderen Hersteller.

    Wie gesagt, das sind alles sehr äußere Kriterien, die ja mit der Qualität des Bogens eigentlich nicht direkt verbunden sind, nur indirekt.

    Etwas entscheidender sind schon die Verarbeitung und der Erhaltungszustand. Wenn man viele Bögen anschaut, dann kann man insbesondere an der Spitze erkennen, ob diese nach einer klaren, markanten Form geschnitzt wurde oder husch-husch-Standard. Die Beschaffenheit des Lacks spielt eine Rolle (dick aufgetragen und teilweise abgeplatzt ist eher schlecht), und auch die Ebenheit der Froschbahn.

    Am Entscheidendsten ist aber natürlich die Qualität der Stange, des Holzes selbst. Dies lässt sich nur durch sehr gute Fotos abschätzen, und auch das nur sehr eingeschränkt. Einmal in die Hand nehmen und angespielen ist viel aussagekräftiger.


    Hoffe, das hilft für's Erste, liebe Grüße.

  • Ach so, ich habe oben von "der Schraube" geschrieben. Der Fachausdruck für das Teil, was man sieht und an dem man dreht, lautet "Beinchen".

    Ich sage aber trotzdem Schraube, weil ich drehe bei meinem Bogen an der Schraube und fass' ihm nicht an's Beinchen :)

  • Die Qualität eines Bigens lässt sich meiner Meinung nach nicht über Fotos abschätzen. Das liegt daran, dass 1. Bögen kaum reparabel sind und 2. Schäden auf Bildern oft nicht zu erkennen sind.


    Bei einer Geige sind selbst schwerwiegene Schäden oft noch reparabel, ein Riss bei einer Geige ist zu beheben, bei einem Bogen nicht unbedingt.


    Kriterien, die einen guten Bogen ausmachen, sind auf Bildern nicht (immer) zu erkennen: Spannung der Stange, Verhalten der Stange unter Belastung (gerade oder nicht, Abweichen zu welcher Seite, Form der Stange unter Belastung), Gewichtsverteilung (ausbalanciert?), Klang, Sprungfreudigkeit....


    Das mit Lack, Verarbeitung, Stempelung...ist leider nur EIN Aspekt. Mir sind aber leider schon einige gestempelte, authentische und optisch wunderbare Meisterbögen untergekommen, die viel zu weich, „durchgespielt“ (so fühlte sich das an) und einfach schlecht (geworden?) waren. Oder gerissen/gebrochen, oft am Kopf oder hinten am Beinchen, oder unfachmännisch repariert und dann stimmte die Balance oder Biegung nicht mehr etc.


    Da halfen dann authentische Stempel, Echtsilbermontur etc. auch nicht mehr.


    Es gibt unter einfachen Bögen recht gute und spielfreudige Exemplare, und manchmal unter „Meisterbögen“ echte „Gurken“. Das ist so wie bei Geigen- nur dass man bei einer Geige viel mehr machen kann, sprich, da gibt es relativ viele Möglichkeiten (Steg, Stimme, Saiten,...) ein an sich qualitativ gutes Instrument zu optimieren, Schäden zu beheben oder Schwächen auszugleichen. Das ist beim Bogen komplett anders. Da sind Reparaturen schwieriger, man hat wenige „Stellschrauben“.


    Insofern halte ich die Beurteilung von Bögen per Foto für sehr schwierig unf ungenau. Man kann vielleicht eine Tendenz vermuten, aber man kann wie gesagt auch mit dem optisch perfekten, authentischen Meisterbogen eine grosse Enttäuschung erleben.


    Abgesehen davon natürlich, dass der Bogen zum Instrument und zum individuellen Spieler passen muss, und daher auch der Begriff „gut“ eher als „gut für A. Bc auf der Geige von X. Yz“ aufgefasst werden sollte.

  • Hallo Hunter,

    Bögen mit Frosch "ohne Auge" sind in der Rangfolge üblicherweise "ganz unten", d.h. einfachste Schülerbögen.

    Aber auch hier gibt es Ausnahmen: Ich habe einen Bogen "ohne Auge", dessen Frosch aber auf der Rückseite exquisit ausgeführt ist, und der in der Liga ab 1k aufwärts angesiedelt ist. In dem Fall war der Verzicht auf das Auge ein bewusstes Understatement. Das kann also auch mal vorkommen.

    Deine beiden Bögen sind auch ein Beispiel für die "Verschiebung" der Skala von Bogenmacher zu Bogenmacher. Den zweiten, ohne Auge, würde ich als möglicherweise brauchbar ansehen, da die Laufbahn des Frosches gerade aussieht. Das Beinchen ist sehr einfach (zweiteilig, angelaufenes Neusilber), dennoch könnte man ihn beziehen lassen (zwischen 40 und 80 EUR je nach Bogen- oder Geigenbauer) und verwenden. Falls man die Wicklung und das Leder erneuert, ist man nochmal weitere Euronen los. D.h. es würde Geld kosten, wenn man ihn ernsthaft verwenden will, wäre aber möglich.

    Der andere Bogen (mit Auge) hat zwar ein dreiteiliges Beinchen und ein Auge, aber die Kopfplatte ist kaputt. Auch sieht der Kopf etwas plump gemacht aus und passt m.E. eher zu einem Kinderbogen. Ist es ein 4/4-Bogen oder ein kürzerer? Jedenfalls wäre ich persönlich etwas skeptisch, ob dieser Bogen überhaupt sehr brauchbar wäre, selbst wenn Geld in die Hand genommen wird.

    Diese beiden Bögen müssten sich auch der Konkurrenz von neuen Bögen aus Massenproduktion / China stellen, die zwischen 50 und 80 EUR zu haben sind. Und mit denen man oft gut, teilweise sehr gut spielen kann. Ich spiele meine täglichen Tonleitern auf einem davon und bin echt zufrieden.

    Dass Du mit diesen beiden Bögen einen solchen Treffer landest wie teilweise mit Deinen Geigen ... wenn dann eher nur mit dem ohne Auge.

  • :thumbup::)

    Danke für die guten Beiträge, was ist die Kopfplatte, was ist ein dreiteiliges Beinchen ?

    Liebe Grüße

  • Abalon, bei mir geht Dein erster Link leider nicht.

    Hunter, die Kopfplatte ist das weiße Plättchen an der Spitze des Bogens. Meistens ist es jedenfalls weiß und wurde früher wohl aus Elfenbein hergestellt (?) heute sicherlich eher aus Kunststoff. Es gibt aber auch Kopfplatten aus Metall.

    Ein-, zwei- und dreiteilige Beinchen finden sich am anderen Ende des Bogens. Das Beinchen ist das Ding, was man dreht, und sehr oft ist das vom Design her silber - schwarz - silber. Also dreiteilig in dem Sinn, dass Du von der Seite aus drei Ringe siehst. Wenn Du von hinten auf die Schraube guckst, hat sie meistens nochmal eine Einlage aus Perlmutt, aber das zählt nicht zu der Zahl "drei" mit.

    Einfachere Beinchen haben nur zwei Teile, wie bei einem Bogen von Dir, oder nur einen einzigen.