Was ist typisch sächsisch/böhmisch

  • Hallo zusammen,


    da es hier recht häufig um solche Instrumente geht und ich selber auch so eines besitze, hab ich ein interessehalber ein paar Fragen zur Identifikation von sächsisch/böhmisch/vogtländischen Geigen. Vielleicht können die Experten einfach ein paar Stichworte nennen:
    - Woran erkennt man denn auf den ersten Blick eine typische böhmische/vogtländische/sächsische Manufakturgeige von +/- 1900? Welche Formen und Farben sind da charakteristisch? Andere Merkmale? F-Löcher?
    -Gibt es Unterschiede zwischen böhmisch/sächsisch /vogtländisch?
    -Woran erkennt man einfache/ mittlere/ bessere Qualität? Ich lese immer "Holzauswahl" und rätsel anhand verschiedener Bilder herum was wohl genau damit gemeint ist. Oft werden auch Instrumente mit feinjährigem Holz als einfach beurteilt.


    Danke schon mal für eure Mühe meine neugierigen Fragen zu beantworten:) Irgendwie haben es mir diese Geigen angetan;)


    Viele Grüße

  • ...das kann man nicht in ein paar Stichworten beschreiben. Lies Dich durchs Forum, schau Dir die Geigen an, dann wirst Du das auch bald erkennen können.


    Das Vogtland ist Sachsen, das Egerland Böhmen. Beide Regionen gehen ineinander über, und vor dem Krieg war das alles „eins“. Es gibt bei frühen Geigen die „Markneukirchner Schule“ oder auch die „Klingenthaler Schule“, sprich, verschiedene Charakteristika , aber zu Zeiten der Manufakturgeigen (also der wirklichen Massenproduktion“ wurde grenzübergreifend gebaut und gehandelt, da lässt sich kaum ein Unterschied feststellen.

  • Danke für deine Antwort! Ich stöber ganz gerne rum hier im Forum und hab mir hier auch schon viele viele Instrumente angeschaut und die Beurteilungen dazu gelesen. Auch was so im Internet angeboten wird auf einschlägigen Plattformen - vor allem manche Preisvorstellung - ist hochinteressant. Manchmal auch amüsamt:)
    So ganz grob kann ich schon Richtungen und Qualitäten erkennen, denke ich. Es ist aber immer nur so ein " intuitiver Gesamteindruck".
    Viele Grüße

  • es gibt Fälle, wo das Zuordnen sehr einfach ist:
    Geigen, denen eine Name wie "STAINER", "GUSETO" oder "HOPF" etc. am Boden unterhalb des Kiels eingestanzt ist, ist 100% Vogtland (sowohl Sachsen als auch Böhmen).
    Meist Stainer Geigen mit russchschwarzer Farbe sind fast immer aus Böhmen, da diese Farbe in der alten k.u.k. Monarchie sehr populär war, im damaligen Deutschen Reich weniger.
    Diese Geigen mit "Conservatory Violin" oder "Concert Violin" etc. am Rücken des Wirbelkasten eingestanzt sind meist sächs. Herstellung, da dies Qualitätsstandards für "Einsteiger" bzw. "Fortgeschrittener" Geigen am Weltmarkt waren.
    Natürlich Geigen mit illustren Zetteln wie "A.Stradivarius Stradivarius Cremonensis faciebat anno 1713", "Johann Baptist Schweitzer Pesti 1813" (damals war er noch Lehrbub bei Geisenhof in Wien!!) etc. demaskieren sich alleine durch die nicht enden wollenden Massen am Markt bis heute von selber.
    Schnurrandgeigen, Löwenkopf-Schnurrkätzchen-Stainer Geigen, Geigen mit extremer Wölbung als Folge der ersten Generation von industriellen Holzfräsen ("German Carve"), Guseto Geigen ohne Eckklötzchen (obwohl der arme Guseto damit nichts zu tun hatte) sind weiters leicht als vogtländischer Herkunft identifizierbar.
    Man darf aber nicht vernachlässigen, dass es aus dem Vogtland immer schon Geigen mit gestufter Qualität gab. Für das zahlbarere Klientel wurden durchaus auch gehobenere Manufakturgeigen angeboten. Diese waren aber meist sächsischer Herkunft, kurioser Weise, nicht weil sie ausschließlich aus Sachsen kamen. Um den enormen Bedarf am Weltmarkt zu decken, schickten viele sächsische "Verleger" (heute würde man sie Assemblierer nennen) so genannte "Fortschaffer" nach Böhmen, um dort alles, was brauchbar war, aufzukaufen. Selbstsagend kauften die natürlich vornehmlich das, was qualitativ besser war, auf. Somit blieben den Böhmen eher die mangelhaften Teile wie z.B. Hälse und Wirbelkästen aus Buchenholz übrig.
    Aber um generell billige vogtländische Geigen als diese zu erkennen, obliegt es einfach auf den Lack zu schauen. Meist verwerndeten die für ihren Standard-Markt einen billigen Öllack, der sehr schnell korrodierte, und die Instrumente mit einem Graustich überzog.
    Nach dem 2.Weltkrieg kamen aus der CSSR Seite noch bis in die frühen 1960iger auch Geigen mit einem billigen Industrielack aus Nitrocellulose, die dennoch manchmal den üblich verdächtigen Zettel mit "Stradivarius faciebat anno 1713" trugen.
    Dieses Post beansprucht keineswegs alles zu sagen. Ich will nur mal eine kurze Übersicht geben, wie enorm divers der Geigenmarkt ist.
    Andere Zentren der Massenproduktion wie auch Mirecourt, Ungarn, Rumänien, später für eine kurze Phase Bubenreuth, Japan, Korea und jetzt China wären wiederum eigene Kapitel

  • Wobei ich da bei den Buchenhälsen widersprechen würde. Ein Hals aus Buche ist weder zwangsläufig ein Makel noch eine „Billigproduktion“, bei frühen Geigen ist das ein eher zeittypisches Merkmal, welches nichts mit der Qualität des Instrumentes zutun hat. Das war -wenn- erst später der Fall.


    Teilweise haben die Sachsen/Böhmen wunderschöne Hölzer verbaut, und teilweise sehr gute Geigen gebaut. Aber auch einfache Hölzer können sehr gut klingen, wenn sie gut verbaut sind.


    Es gibt bei sächsischen/böhmischen Geigen alles von der Meistergeige bis hin zum einfachen Schulinstrument- nicht alles ist „Schrott“, im Gegenteil.


    Nur: In eine billige Geige wird kaum was investiert, sprich, mit einer vernünftigen Klangeinstellung, guten Saiten und gutem Setup würde so manche „Sachsenfiedel“ ganz ganz anders klingen. Immerhin sind die Hölzer -so einfach sie manchmal auch sein mögen- ca. 100 Jahre durchgetrocknet...!

  • Also ich gebe den Meisten Geigen eine chance. Die letzte Geige die vorgestellt hatte, die eher schmal ist, hat jetzt meine Tochter da der Klang klar und deutlich ist auch etwas lauter aber nicht unangenehm ist.
    Sie hat keine Ecklötze aber der Ton ist gut. Das gleiche bei der Pappelgeige Herr Bursik aus Brünn ist der Meinung
    Schönbach / Lüby aber vor der Zeit der großen Manufakturen 1870 bis 1890. Gerade in dem Bereich kann man wirklich sehr gute Geigen für kleines Geld kaufen. Aber wie Braaatsch auch schon sagt man sollte in der Lage sein eine Gute Arbeit von einer eher einfachen zu unterscheiden. Leicht übergehende Wölbungen die einen harmonischen verlauf haben und nicht stark gwewölbt sind haben meist einen Guten klang.

  • Der Klang ist wohl eines der am schwierigsten zu beurteilenden Kriterien bei einer Geige und kann meiner Meinung kaum wirklich objektiv beurteilt werden, oder etwa doch?
    Der Klang ist so sehr geschmacksabhängig und von Erwartungen beeinflusst. Der eine mag es eher "dunkel und heiser", der andere bevorzugt "hell und klar" und tausend Variationen dazwischen. Und ich denke von einem sehr teuren Instrument erwartet man auch einen sehr guten Klang, ebenso wie man einem billigen Instrument vielleicht skeptisch gegenüber steht.
    Sicher hört man oft einfach, was man zu hören erwartet, auch wenn bekannterweise auch eine billige Geige gut klingen kann, wie Braaatsch bereits erwähnte. Und nicht jede teure Geige gut klingen muss.
    Deshalb gefällt mir abalons Aussage, " ich gebe den meisten Geigen eine Chance" sehr gut::)


    Viele Grüße

  • Es gibt aber noch einen wichtigen punkt. Die Saitenwahl. Damit kann man einiges Klanglich verbessern auch ob Dunkler oder Heller. Sie können aber auch Scheußlich Klingen dann liegt es nicht an der Geige sondern an den falschen Saiten. Ich fange bei jeder Geige mit Dominant Saiten an. Nach einiger Zeit stelle ich Sie eine Qinte höher oder tiefer und schau was passiert. Klingt Sie etwas tiefer besser suche ich nach Saiten die etwas weniger Druck ausüben. Klingt Sie bei höherer Qinte besser schau nach saiten mit etwas mehr druck.
    Aber nicht übertreiben. Bei meiner Wutzlhofer habe ich die EL Cannone Solo drauf gemacht. Das ging voll daneben. Auf der Pappelgeige paste es mit dem Druck. Und ehrlich gesagt ich habe mich etwas von dem Werbe Video verleiten lassen. Sollte man nicht, tun jede Geige reagiert anders auch wenn der Stargeiger sehr zufrieden ist und seine Geige natürlich auch mit der saitenwahl.

  • ...und nicht vergessen: Saiten (und Instrumente) sind unterschiedlich laut. Eine Geige kann wunderbar klingen- wenn sie zu leise ist, ist sie nicht oder nur eingeschränkt für den professionellen Einsatz geeignet. Sie ist aber vielleicht das ideale Instrument für Hobbyspieler, die nicht den ganzen Strassenzug beschallen wollen und in ihrer privaten Kammermusikgruppe im Mietshaus musizieren.


    Und auch das Gegenteil ist der Fall: Der Supersolistenkracher, der das ganze Orchester überstrahlen kann, ist für den Hausgebrauch oft problematisch, weil das ganze Stadtviertel „was davon hat“, und ganz besonders begeistert von schiefen Tonleiterstudien sein wird...