Untere F-Loch Zunge einer Geige

  • Guten Tag, liebe Mitglieder des Geigenforums, ich habe eine neue handgearbeitete Geige erworben (Modell nach Stradivari 1715) und beim genaueren Betrachten festgestellt, dass die unteren F-Loch-Zungen beidseitig jeweils ein paar Millimeter tiefer sind als der Deckenrand. Ist das als Bau-"Fehler" zu bewerten oder eine ganz normale Variante im Geigenbau? Und welchen Einfluss hat eine solche Abweichung von der Norm ev. auf den Klang der Geige?


    Ich frage, weil ich das noch nie zuvor gesehen habe. Bei allen anderen Geigen waren die unteren F-Loch-Zungen in Punkto Höhe exakt deckungsgleich mit dem angrenzenden Deckenrand der Geigen.


    Vielen Dank für eine rasche Aufklärung und eine gute Restwoche!


    Liz

  • Danke! Leider wird mir die Ehre einer direkten Anschauung nicht zuteil, aber ich habe Bilder im Internet gesehen von den O-Strads, da scheinen die unteren F-Loch Zungen in der Tat etwas tiefer als die Decke zu sein, nur bleibt die Frage, ob das damals vor 300 Jahren direkt so gebaut wurde vom Großmeister oder durch den langen Zeitablauf und Zahn der Zeit etwas "eingesunken" ist! :)

  • Zwischen „gekehlten“ F-Loch-Zungen und „eingefallenen“ besteht aber schon ein Unterschied! Stelle doch mal ein Foto ein, damit wir wissen, was genau Du meinst bzw. wie das bei Deinem Instrument aussieht.


    Gekehlte kommen öfters bei Celli vor, bei Geigen wahrscheinlich eher selten, da die Decke eh schon sehr dünn ist und die F-Loch-Zungen relativ klein.


    Sollte es sich um „eingefallene“ handeln, so ist das auf oft eine nicht ideale Deckenstärke/Deckenausarbeitung (oft zu dünn) und/oder oder nicht durchgetrocknetes Holz zurückzuführen. Durch Spannungen in der Decke verbiegen die sich.


    Solange zwischen Steg und Stimmstock die Decke nicht einfällt/ausbeult sollte Dir das klanglich und auch von der Festigkeit her keine Sorgen machen.

  • Von gekehlten Zungen hat Liz nichts geschrieben. Also darum geht es nicht.


    Bei vielen teuren guten alten Geigen, auch Stradivaris, können Zungen „einfallen“. Deshalb ist das
    kein Merkmal schlechter Qualität oder falscher Bauweise. Es wird aber nicht von vorneherein so gebaut.


    Meist ist es am rechten F-Loch, weil sich dort der Stimmstock befindet und sich deshalb die Decke
    auf der linken Seite minimal senkt und rechts eher hebt, im Gegensatz zu der Zunge, die ja nicht von
    unten gestützt wird.

  • ...bei ALTEN Geigen gebe ich Dir Recht. Da es sich aber um eine NEUE Geige handelt, wurde es entweder so gebaut (z.B. eine übertriebene Altimitation, oder eine bestimmte Bauweise wie z.B. bei der Hardanger Fiedel), oder es handelt sich um eine sich verziehende Decke, und da liegt „frisches Holz“ und/oder Spannungsprobleme in der Decke nahe. Ohne Fotos ist das aber schwierig einzuschätzen.


    Wie gesagt, solange die Steg/Stimmregion nicht verzogen/eingefallen ist ist das kein grosses Problem.

  • Wobei „ein paar Millimeter“ (5-6 Millimteter?) schon extrem wäre, wenn es sich in kurzer Zeit soweit verzogen hätte.
    Aber auch als „Alt-Imitation“ ist das extrem. Liz: Wie viel ist es denn genau?
    Und ist die Geige ansonsten auch auf „alt“ gemacht?
    Bilder wären hilfreich.

  • Vielen Dank, lieber Fiddler und lieber Braatsch, für Eure hochinformativen Antworten, ich werde sofort Bilder einstellen, sobald ich von der Arbeit zurück bin. Ich denke auch, genau da liegt die Crux, also ob es sich um eine übertriebene Altimitation handelt (da es ja ein Stradmodell von 1715 nachstellt) oder eben ob sich die Decke jetzt schon verzogen hat aufgrund ungünstiger Spannungsverhältnisse beim Erbauen oder ungenügender Lagerung der Hölzer (obwohl es sich eigentlich um europäische Fichte der Güteklasse AAAA handeln soll)!


    Allerbesten Dank und bis nachher


    Liz