Noch eine italienische Geige?

  • Hallo zusammen,


    ich würde gern Eure Meinung hören zu meinem letzten Neuzugang. Laut Zettel ist es eine Geige von Antonino Cavalazzi. Der Zettel sieht für mich aus wie kopiert (keine farblichen Unterschiede in der Schrift), aber sie hat m.E. viel Ähnlichkeit mit https://tarisio.com/cozio-archive/property/?ID=1462. Mein (recht junger) Geigenbauer meinte allerdings, das sei eine handgearbeitete sächsiche Geige (keine Manufaktur) und nannte als Begründung vor allem die nicht bis ganz nach innen (Richtung Wirbelkasten) geschnitzte Schnecke und das "Sachsenherz", also das herzförmige untere Ende des Wirbelkastens (Rückseite). Habt Ihr davon schön mal gehört? Wenn ich mir auf Tarisio die anderen Cavalazzi-Geigen anschaue, ist bei allen das Wirbelkastenende so geformt.


    Ich finde, sie ist sehr schön ausgearbeitet (gekehlte F-Löcher, filigraner Wirbelkasten), hat schönes Holz und ist sehr obertonreich (um nicht zu sagen: schrill), was wohl z.T. an einer falsch positionierten Stimme liegt. Ach ja, ein Holzwurmloch hat sie auch. Meint Ihr, ich sollte sie gegen Holzwürmer behandeln?


    Vielen Dank für Eure Einschätzung!


    Geigerlein

  • sieht mir nach einem Werk eines durchaus talentierten Dilettanten aus. Ob Sachsen??
    Die Legende ums Sachsenherz entstand, weil es mal angeblich Sachsengeigen gegeben haben soll, die am Ende der "Zunge" der Schnecke diese Form hatten. Offenbar war die "Zunge" nur derartig aufgestellt, dass durch die Ablage im Geigenkoffer der Wirbelkasten zuerst auf der "Zunge" und nicht wie gewöhnlich am Schneckenrücken lag, sodass diese zuerst abgenutzt wurde. Meist wird der Schneckenrücken durch Ablage im Koffer zuerst abgewetzt

  • Die Schnecke sieht schon mal nicht nach den "üblichen" Sachsen aus, es kann aber durchaus trotzdem eine sächsische/böhmische Geige sein. Die Schnecke ist eben nicht typisch. Eine Italienerin ist es aber auch nicht. Wo die genau herkommt wird wohl schwer zu klären sein.


    Wenn der Holzwurm nicht mehr aktiv ist (=keiner mehr drin herumknabbert) braucht man da nichts zu machen. Es sei denn, es sind so viel Wurmlöcher, dass da eine Wand instabil ist.

  • Was sagt Ihr denn zu der laut Geigenbauer nicht fertig geschnitzten Schnecke (die äußere Windung, die nach innen zum Wirbelkasten geht, siehe vorletztes Foto)? Sieht diese Stelle bei Meistergeigen anders aus? Mir fehlt da leider der Vergleich.


    yxyxyx: Sieht denn die "Zunge" der Schnecke meiner Geige aus wie ein "Sachsenherz"? Ich finde die Herzform nicht besonders ausgeprägt, das ist bei der Manufakturgeige, auf der ich Geige spielen lerne, sehr viel deutlicher. Laut Geigenbauer ist die Herzform ein typisches Erkennungszeichen sächsischer Geigen.


    Braaatsch: Darf ich fragen, woran man erkennt, dass das keine italienische Geige ist? Ich finde, sie sieht der auf Tarisio sehr ähnlich hinsichtlich äußerer Form (ausgeprägte Rundungen und dass der Mittelteil recht stark nach innen "einfällt"), Schnecke und Kehlung der unteren F-Loch-Klappen.

  • Ich weiss, dass alle Welt immer total geil auf "italienische" Geigen ist. Und das wissen auch die Fälscher (Kopierer…). Und natürlich versuchen sie, die Geigen möglichst ähnlich zu bauen. Aber die Qualität stimmt hier einfach nicht. Die Schnecke ist nicht weit genug ausgearbeitet (das ist das, was Dein Geigenbauer als typisch sächsisches Erkennungszeichen sieht, weil eben fast alle sächsischen Manufakturgeigen genau diese Merkmal haben- so wie jede Geige, die "schnell" gebaut wurde, da spart man sich an den nicht gleich sichtbaren Stellen etwas Arbeit). Die F-Löcher sind nicht elegant, sondern verzogen, es sieht so aus, als sei entweder daran herumgeschnitzt worden oder das Holz hätte gearbeitet (die F-Loch-Kanten verlaufen nicht parallel). Auch das Holz ist jetzt nicht unbedingt der tollste Ahorn (das ist kein Beinbruch, es gibt viele italienische Geigen, wo das Holz nicht so schick ist), aber der Lack hat nun auch wenig mit Italien zutun.


    Also, alles in allem stimmt die Qualität eben nicht mit dem überein, was ich bei einer italienischen Meistergeige erwarten würde, auch wenn einzelne Merkmale ähnlich sind. Natürlich kann der Kopierer auch in irgendeiner italienischen Garage sein Werk verrichtet haben, aber ob die Garage dann in Italien, 100km weiter auf dem Balkan oder doch in Böhmen gestanden hat ist letztendlich auch egal.