Überlegungen zum Thema Wert eines Streichinstrumentes etc.

    • Offizieller Beitrag

    Beim Thema Wert eines Gegenstandes in monetärer Hinsicht kann man folgende Sachverhalte unterscheiden:


    1. Verkehrswert oder Marktwert


    Das ist der Betrag, den der Markt momentan bereit ist für einen Gegenstand zu bezahlen (Achtung! Das heißt noch lange nicht, dass man an diesen Markt auch rankommt, aber mehr dazu später). Dieser Verkehrswert ist nicht in Stein gemeißelt sondern kann sich auch wieder ändern. Was nun ist der Markt: Zunächst ist es ein abstrakter Begriff. D. h. es werden Auktionsergebnisse oder bekannte Verkäufe analysiert. Dazu können noch persönliche Erfahrungen des Gutachters kommen usw. Im konkreten Fall unterscheidet sich aber der Markt z. B. bei ebay oder wenn ein renommiertes Haus etwas verkauft. Klar bekommt man bei ebay in der Regel weniger als meinetwegen ein Geigenhändler in London bekommt. Aber wie gesagt, dass muss nicht unbedingt so sein, sondern soll nur veranschaulichen, wie der Marktwert auch von dem Marktteil den ich auswähle abhängt.


    2. Wiederbeschaffungswert


    Dieser Wert sagt mir, was ich bezahlen muss, wenn ich mir den Gegenstand wieder anfertigen lassen muss bzw. ihn mir auf dem Markt schnell wieder besorgen muss ohne Zeit zu haben auf ein Schnäppchen zu warten. Beispiel: mir wird die Geige eines noch lebenden Geigenbauers gestohlen. Dann schaue ich in die Preisliste und sehe was mich die Wiederbeschaffung kostet. Oder eine alte Geige verschwindet. Dann wird es schon wieder schwieriger. Habe ich Zeit mir eine solche zu suchen wird es wahrscheinlich billiger (und kommt näher an den Verkehrswert) als wenn ich gleich die nächstbeste Ersatzgeige bei einem Händler kaufen muss.


    3. Auktionsergebnisse


    Sind sicherlich ein Anhaltspunkt, allerdings handelt es sich hierbei um eine besonderes Marktsegment: die Preise können unvorhersehbar nach oben oder unten ausschlagen. Nach unten, wenn sich an dem Auktionstag keiner für die angebotenen Instrumente interessiert oder nach oben, wenn ein Bietergefecht entsteht. Dann geht es oft nicht mehr um den Wert der Sache sondern um "will unbedingt haben". Das bedeutet aber noch lange nicht, dass ich auch so viel für meinen xyz Bogen bekomme.


    4. Händlereinkaufspreise


    Die sind meist für einen fröhlichen Geigenverkäufer ernüchternd. Ein Händler unterhält sehr teure Marketinginstrumente. Das können technische Werkzeuge wie eine Website sein die auch bekannt sein muss (gemacht werden muss, bleiben muss, das kostet viel Geld für Werbung bzw. auch Instandhaltung der Seite). Oder er verfügt über ein Netzwerk zu Kunden, dass er sich im Laufe der Jahre oder Jahrzehnte aufgebaut hat oder einen physischen Laden usw. All das verschlingt eine Menge Geld, das der Händler mit dem Weiterkauf der Ware einnehmen muss. Damit hat er noch nichts zum Leben verdient. Das wäre dann der Betrag der abzüglich der variablen Kosten, der Fixkosten, und abzüglich Steuern und Rücklagen etc. übrigbleibt. Daher muss ein Ankauf deutlich unter dem Marktwert erfolgen.

  • Hallo Admin


    deine Darstellung der Werte gefällt mir sehr gut.
    Vielen Dank.


    Meine persönlichen ergänzenden Gedanken hierzu:


    5. Emotionale Wert.
    Es gibt noch einen emotionalen Wert, welcher in jedem Fall verschieden und persönlich ist.
    Ist das instrument von einer verstorbenen geliebten Person, kann es vielleicht unbezahlbar sein oder
    einfach zu kostbar, dass man sich davon trennt. Oder eine Geschichte verbindet einem mit dem Instrument.


    6. Der Wunsch- oder Phantasiepreis im Preiszerfall
    Ich nenne es einmal den Wunschpreis oder Phantasiepreis (gewollt oder ungewollt).
    Oft lese ich, dass eine Wertschätzung von z.Bsp.1985 belegt, dass ein Instrument 5000.- Wert hat und
    der Verkäufer rechnet sich noch seine verlorenen Zinsen auf und möchte dafür schon mindestens 6000.- erhalten.
    Leider ist das damals schon überteuerte Instrument (meist eine Sachsen Stradivari ;-)) extrem im Wert gefallen
    und der Kunde kriegt heute im besten Fall 1500.- wenn er Glück hat.
    Manchmal kann ein Verkäufer sich einfach nicht vorstellen, dass seine Geige, wie zum Beispiel ein Auto, an Wert verloren hat.


    Grüsse
    Violix

  • Heißt das, dass alle Schülerinstrumente oder Geigen unter einem bestimmten Wert oder alle, die keine Meisterinstrumente sind, ständig im Wert fallen?


    Also eine Geige, die ich heute neu für 2000€ kaufen würde, wäre später als Erbstück nur noch von sentimentalem Wert?

  • Solange eine ordentlich gearbeitete Geige gut eingerichtet und spielbar ist und einen schönen Klang hat, kann man sie meiner Erfahrung auch für einen annehmbaren, vielleicht sogar vierstelligen Bereich verkaufen. Aber vermutlich nicht für den Original-Einkaufspreis. Es gibt einfach zu viele Geigen, und wenn alte Schätzchen dann auch noch Schäden aufweisen, sinkt ihr Wert rapide.

    Am besten bringt man Geduld mit und verkauft gebrauchte Geigen ohne "Namen" privat mit der Möglichkeit eines Probespiels und dass der Interessent sie zur Begutachtung einem Geigenbauer vorlegen kann. Das kann auch nach hinten losgehen, denn der Geigenbauer will natürlich lieber seine eigenen Geigen verkaufen.


    Wenn Du aber bei einem Geigenbauer eine Schülergeige kaufst, frag ihn, ob er sie später für ein höherwertiges Instrument in Zahlung nimmt. Dann bist Du zwar an diesen Geigenbauer gebunden, bekommst aber vielleicht noch den besten Preis für die Schülergeige. Mann kann Schülergeigen auch erst mal leihen und auf ein hochwertiges Instrument sparen, das man dann lange spielt.

  • …und warum sollte ein Streichinstrument eigentlich nicht im Preis fallen…? Mir fällt augenblicks kein Gegenstand ein, der nicht im Preis fällt. Fahrräder, Autos, Schmuck, andere Musikinstrumente, Klamotten, …. alles fällt im Preis, wenn es gebraucht und älter -nicht antik!- ist.


    Warum sollten da gerade Streichinstrumente eine Ausnahme sein? Durch die (augenblicks) ständig steigenden Preise von antiken italienischen Meistergeigen haben viele Menschen da ein völlig falsches Bild im Kopf. Aber genausowenig, wie eine „Otto-Normalverbraucher-Geige“ im Wert steigt (oder stabil bleibt!), genausowenig wird aus jedem alten Familienauto ein wertvoller Oldtimer.


    Das Argument, dass eine Geige „im Gegensatz zum Auto ja nicht schlechter wird“ zählt nur bedingt. Denn auch beim Auto ist es so, dass ein Teil(!!!) des „Schlechterwerdens“ daran liegt, dass neue Autos „besser werden“, also die Ansprüche den Markt verändern. Bei den Geigen verändert sich der Markt eben auch- die Masse der guten Geigen steigt, und dadurch fallen die Preise. Im Prinzip ist auch der Fakt, dass Geigen nicht (wesentlich!) schlechter werden, auch mit am Preisverfall schuld.


    Und zum Thema „nicht schlechter werden“: Wie auch beim Auto sind bei Geigen öfters mal Reparaturen nötig. Um eine gebrauchte Geige wirklich in einen dem Neuzustand vergleichbaren Zustand zu versetzen, ist oft Einiges zu tun. Das MUSS nicht immer gemacht werden, aber wenn man den Preis mit einem Neuinstrument gleichsetzen/vergleichen will, muss man da schon ehrlich sein. Sprich: Neue Stimme, neuer Steg, neue Saiten, Wirbel überarbeiten, Griffbrett abrichten, Lackarbeiten…. ehrlicherweise ist man da -wenn man wirklich „Neuzustand“ will- mit ein paar Hundert Euro dabei, egal ob Schülergeige oder „Meistergeige“.


    Wie gesagt, das muss nicht alles gemacht werden- aber es erklärt einen Teil des Preisverfalls.

  • ...da fällt mir noch ein: wie oft haben sich schon Klanggewohnheiten undoder Vorlieben geändert..?


    Bei alten Instrumenten: Wie oft wurden sie deshalb auch umgebaut? Und wer genau entscheidet, was wie und für welchen Zweck weiterhin erhalten wird?

    Es ist doch ähnlich der Kunst, wo auch Sammler_Innen und entsprechender Markt die Preise bilden - aber ists nicht eine Frage der Zeit, dass die Absurdität dieser Entwicklung infrage gestellt wird und andere Werte in den Vordergrund rücken?

    Und Musealer Wert, der dann wohl bestehen bleiben kann, ist nicht gleich monetärer Wert.

    Was bei der Geige der Fall ist, so spontan dahingedacht, ist, dass sie in Preisspanne und Wertschätzung so herrlich zwischen Kunst und Handwerk gehandelt wird... das finde ich sehr interessant und scheint mir auch einige absurde Abgrenzungsmechanismen zu erklären....

  • Für mich sind Geigen Gebrauchsgegenstände, müssen also gespielt werden, um zu "leben". Wenn sie in einem Museum herumhängen, haben sie vielleicht noch Anschauungs- und Bildungswert und sind ein Stück Geschichte. Aber das sollte ausgedienten Instrumenten vorbehalten bleiben, die nicht mehr gespielt werden können.


    Ich habe eine Vorliebe für alles Alte und finde auch den Klang alter Geigen viel schöner als den der neuen, die ich bisher gehört habe. Letztere sind mir oft zu grell, aber wirklich hochpreisige neue Geigen hab ich z.B. noch nicht live gehört. Viele der alten Geigen, die ich hier habe, haben einen runden, "gereiften" Klang, und es ist erstaunlich, wie er sich entwickelt, wenn sie regelmäßig gespielt werden.


    Zu den Klangvorlieben: Sie sind individuell, und spielt jemand z.B. in einem Orchester, muss sich sein Instrument dort einfügen, ohne irgendwie hervorzustechen. Ist man im (semi-) professionellen Bereich unterwegs und spielt in großen Sälen, braucht man ein Instrument mit stärkerer Projektion, als wenn man nur zu Hause oder z.B. in kammermusikalischen Szenarien spielt.


    Umgebaut wurden die alten Barockgeigen, damit sie klangstärker wurden und die Erhöhung des Kammertons vertrugen. Welche Geigen erhalten bleiben, entscheiden letztlich die Geigenspieler dadurch, was sie kaufen und wieviel Geld sie ausgeben wollen. Geigenbauer können durchaus den Drang haben, alte Geigen aufzuarbeiten und wieder "in Umlauf" zu bringen, aber sie müssen wirtschaftlich arbeiten, und wenn kein Musiker bereit ist, entsprechende Preise zu zahlen, wird ein Geigenbauer solche alten Kisten gar nicht erst ankaufen. Vielleicht versucht sich der eine oder andere Amateur-Geigenbauer daran und kriegt sie dann für kleines Geld verkauft, aber dass eine solche Geige dann bei einem Profi landet, ist eher unwahrscheinlich, weil ein Amateur natürlich nicht die Fähigkeiten eines gelernten Geigenbauers oder Restaurators hat. Bleibt also der Bereich der Schüler- und vielleicht semi-professionellen Geigen, der leider mit zunehmend guten chinesischen Instrumenten geflutet wird...

  • Für mich sind Geigen Gebrauchsgegenstände, müssen also gespielt werden, um zu "leben". Wenn sie in einem Museum herumhängen, haben sie vielleicht noch Anschauungs- und Bildungswert und sind ein Stück Geschichte. Aber das sollte ausgedienten Instrumenten vorbehalten bleiben, die nicht mehr gespielt werden können.

    ...seufz... ja, persönlich und emotional sehe ich das auch so und es gibt Museen, die auf Spielbarkeit und nicht auf Erhaltung der Instrumente hin restaurieren, aber auch das unterliegt leider Modeerscheinungen und wird heftig diskutiert und mit neuen Generationen von Restaurator*Innen neu verhandelt.


    Was Hörgewohnheiten und Klangvorlieben angeht brauchen wir nur verschiedene Aufnahmen des letzen Jahrhunderts vergleichen: 20er-, 60er und 90er-Jahre um irgendwelche Jahreszahlen genannt zu haben.
    Oder wir hören in Aufnahmen der Wiener Symphoniker oder Philharmoniker rein und vergleichen. Beide Orchestren sind auf vergleichbarem Niveau, es ist vor allem die Klangvorstellung, die den Unterschied macht - die Vorliebe für den Wiener Klang der Philharmoniker braucht auch entsprechende Instrumente und wird von vielen Menschen als wertiger empfunden (hat aber auch politische Gründe...)

    Welche Geigen erhalten bleiben, entscheiden letztlich die Geigenspieler dadurch, was sie kaufen und wieviel Geld sie ausgeben wollen.

    zum einen - aber ich denke doch, dass es vor allem die Sammler*innen und der von ihnen bediente Markt sind, der die Preise hochtreibt.

    Aber wie gesagt, das ist alles so vor mich dahingedacht und ich finde es sehr spannend darüber zu diskutieren weil mich genau diese Zweischneidigkeit des Marktes interessiert.

    Unabhängig von meinen persönlichen Vorlieben, die ich ja auch mitbringe:
    Ich bediene mich (wohl mangels Spieltechnik) des gesamten Klangspektrums (Barock bis neu) da ich das Gefühl habe, dass unterschiedliche Musikrichtungen unterschiedliche Geigen brauchen. Ich mag es auch sehr, dasselbe Stück mit unterschiedlichen Geigen zu spielen und zu horchen, was es ausmacht etc. Hinzu kommt, dass ich mehrere Geigen habe und wie Du sagst, geigerlein , Geigen sollen vor allem gespielt werden.

  • Auch möchte hier etwas zur Diskusion bei tragen. Ich sehe den Hauptgrund im Preisverfall guter alten Geigen die Ungeduld der Verkäufer im Privaten Bereich. Wir können nicht umsonst bei eBay und Co immer wieder Geigenkaufen die sehr schnell im Preis fallen. Das wissen auch Musiker und auch die lieben Geigenbauer. Woran mache ich meine These fest. Ich nehme hierzu meine Wutzlhofer als Beispiel. Mein Preis lag bei 18000€ VB. Es hagelte Angebote um 8000€ mit den Hinweis das Sie damit gut bezahlt ist. Es waren immer die selben die sozusagen um die Geige schlichen und darauf warteten das ich einknicken. Die Anmerkungen wurde immer aggressiver und abwertende. Bis dann einer die Geige Probe gespielt hat und mit seiner Geige verglichen hat und feststellen Musste das meine Geige seiner weit überlegen war. Er ist Glücklich und ich bin es auch. Und genau so ein Moment braucht Zeit und Geduld.