Geige 1926

  • Hallo zusammen,


    zum neuen Jahr konnte ich mich mal wieder nicht zurückhalten und habe einige Geige gekauft.


    Sie hat wie ich finde ein sehr schönes Holz, eine schöne feinjährige Decke und einen schön geflammten, einteiligen Boden.
    Den Klang konnte ich bisher nur mit dem zugehörigen alten, unkolophonierten Bogen, ohne Schulterstütze und mit den aufgezogenen Violino-Saiten testen, er war aber selbst damit schon schön kräftig. Wenn ich wieder zuhause bin, werde ich bessere Saiten draufmachen und mit meinem eigenen Bogen ausgiebig testen.
    Gekauft habe ich die Geige von einem älteren Ehepaar, die die Geige geerbt hatten. Vor ein paar Jahren haben sie die Geige beim Geigenbauer herrichten lasten, dabei wurde u.a. ein neuer Steg angepasst und auch diese Saiten aufgezogen. Die Quittung vom Geigenbauer über 200€ ist im Koffer.
    Außerdem war eine alte Quittung eines Musikhauses dabei, laut der die Geige Anfang Januar 1948 samt Bogen und Koffer für 2200 Reichsmark gekauft wurde. Bilder von der Quittung und einem Begleitschreiben habe ich auch hinzugefügt.
    Auf dem Bogen ist ein Tourte-Stempel, aber ich denke, es ist eher ein einfacher Bogen. Die Wicklung ist Fischbein-(imitat).
    Was haltet ihr von der Qualität der Geige?
    Achso, auf den Fotos wirkt sie relativ neu, der Lack hat aber schon etliche Macken. Risse gibt es aber abgesehen von dem bereits geleimten F-Klappenriss keine.

  • Zu der Manufaktur „Artist“ kann ich leider nichts beitragen. Ist aber wirklich ein gut gemachtes Instrument.


    Aus dem Verkauf von 2200,- RM lässt sich auch nicht viel schließen. Zu der Zeit war die Reichsmark nicht
    mehr viel wert, es war Monate vor der Währungsreform, da wurden die Restbestände in 1:10 umgetauscht,
    wobei 220,- DM das für damalige Zeit ja ein hoher Wert war. Vielleicht hat da jemand noch besseren Einblick
    als ich, anhand der Zahlen, in der Zeit von Lebensmittel-Marken, ist das schwer einzuschätzen.

  • Ich habe zur Kaufjraft diese Seite hier gefunden.
    http://fredriks.de/hvv/kaufkraft.php


    Demnach wäre für 1948 der Faktor 3,7 anzusetzen, ein paar Jahre vorher war es 7, die Inflation ist also berücksichtigt. Ob dieser Wert nun aber zutrifft, kann ich auch nicht beurteilen, dazu kenne ich mich damit nicht genug aus.
    Aber ich denke, es war in jedem Fall eine Menge Geld. Die Geige besitzt in jedem Fall den im Begleitschreiben erwähnten Kasten mit Leinenhülle. Das Musikhaus hat es auch gegeben und die nummerierte Quittung sieht schon echt aus.

  • Das wären DM, in EUR also Faktor 1,85 ... das hieße also rein rechnerisch ein heutiger Wert von 400 EUR, wenn
    man vom Umtauschwert der Währungsreform ausgeht. Aber so kann man ja auch nicht rechnen, da der Umtauschwert
    zu dem Zeitpunkt gar nicht bekannt war. Einen genauen Wert hatte die RM nicht mehr, weil das wichtigste, das Essen,
    nur noch über Lebensmittelmarken zu beziehen war. Der Verkaufspreis von 2200,- war also damals schon spekulativ.

  • Rein rechnerisch wären doch aber 2200*1,85= rund 4000€. Aber klar, praktisch kann man das so sicher nicht vergleichen. Vielleicht hat ja wirklich jemand ein konkretes Beispiel, was Essensmarken oder so angeht.


    Aber darum geht es mir primär auch gar nicht, sondern wie die Qualität der Geige anhand der Bilder und demnach der heutige Wert einzuschätzen ist. Ich entschuldige mich für die nicht so gute Qualität, aber ich habe gerade nur das Handy als Kamera zur Verfügung.

  • Da es sich nicht um ein Werk eines namhaften Geigenbauers handelt, ist der Wert vom Klang abhängig. Einen kleinen Aufschlag kann man schon rechnen, da die Geige sehr schön ist. "Schön" reicht aber nicht, schön sind auch inzwischen die Chinageigen (nicht alle...).


    Also, ohne Klangbeurteilung ist ein Wert schwer festzulegen. Bei Ebay eingestellt würde ich auf einen Erlös von 300-400 Euro tippen. Bei sehr gutem Klang über einen Geigenbauer verkauft könnten (!) auch 1500-2000 drinsein, aber das mit dem Klang ist in diesem Falle der entscheidende Punkt.

  • Also ich bin mir etwas unschlüssig ob Geige und Kaufbeleg zusammen gehören. Da die marke auf dem kaufbelegen nicht gennant wird.
    Zunächst zur Geige Sie sieht gut aus und scheint auch gut gemacht worden zu sein.
    Aber, der Zettel mit der Schrift ist schon ungewöhnlich für die zeit um 1926 auch ist mir der zettel zu sauber.
    Das gleiche gilt für die Geige die Anscheinend den Besitzer gewechselt hat und sicherlich gespielt wurde.
    Spuren hat das Spielen für das alter aber nicht viele hinterlassen. Die Firma Artist scheint es heute noch zu geben . https://www.artistguitars.com.au/


    Ob die aber in der vergangenheit geigen hergestellt und vertrieben haben weiß ich nicht.

  • Abalon, wieso sollte die Geige zwischendurch den Besitzer gewechselt haben? Ich habe gerade dem Verkäufer nochmal geschrieben, ob der Herr, der auf der Quittung genannt ist, derjenige ist, von dem sie die Geige geerbt haben. Mal sehen, ob ich eine Antwort erhalte.


    Gespielt wurde sie in jedem Fall, da es auch einige Macken im Lack gibt. Warum der Zettel bei einer nicht mal 100-jährigen Geige besonders schmutzig sein soll, erschließt sich mir auch nicht, in die Geige kommt ja, außer vielleicht ein wenig Staub, ja kein Dreck rein. Und wenn die Geige von dem Herrn 1948 in einem Musikhaus gekauft wurde, kann es ja auch sein, dass sie zwischen 1926 und 1948 auch ein paar Jahre nicht gespielt wurde.
    Was das Design des Zettels angeht, finde ich, dass die Schrift ähnlich wie bei dieser Agosue Geige ist (der Schriftzug "Modell Stradivari")
    Geige Max Schaller / Agosue
    Vielleicht war es zu dieser Zeit ja doch nicht ganz ungewöhnlich. Auch die Lackierung ist sehr ähnlich. Dem Zettel würde ich schon glauben schenken.

  • Dem Zettel schenke ich schon Glauben. Diese leicht "expressionistisch" angehauchte Schrift des handschriftlichen Eintrages passt sehr gut zu den 20gern.


    Aber der Wert bemisst sich nicht am damaligen, sondern am jetzigen Wert- und da sieht es wegen der fernöstlichen Geigenschwemme für namenlose oder Manufakturgeigen eben schlecht aus, so schön sie auch sein mögen. Egal ob der Zettel stimmt oder nicht: Es ist eben keine "alte Italienerin" oder das Werk eines gesuchten Geigenbauers. Und damit ist der Klang entscheidend.