Schweitzer-Nachbau mit Relief

  • Liebe Geigenkenner und Geigenfreunde,


    meine Geschichte ist wie viele, ich hoffe, ich langweile Euch nicht: Erbstück, wohl nachgemachte sog. Joh. Bapt. Schweitzer, + (vielleicht (auch) fake) Reparaturzettel aus Breslau + geschnitzte Burg.


    Vor ca. 30 Jahren erbte ich meine Geige - sie wurde bei Oma im Schrank gefunden, sie war spielbar, aber nicht fachgerecht repariert, so hatte sie einen zu flachen, sehr kantigen Sattel, ein zu flaches Griffbrett und einen sehr schrägen Steg. Meine damalige Lehrerin spielte sie an, ihr gefiel der Klang und sie empfahl, falls ein Geigenbauer ebenfalls der Meinung wäre, sie reparieren zu lassen. Die oben genannten Teile wurden also ausgetauscht und ich hatte für 10 Jahre eine hübsche Schülergeige.
    Heute liegt sie mit wenigen Unterbrechungen seit 20 Jahren im Schrank, vor ca. 6 Jahren habe ich sie, kurz bevor der Steg wahrscheinlich gekippt wäre, zum Geigenbauer gebracht, der den Steg austauschte und die Wirbel wieder zum Halten brachte. Jetzt lege ich meinen Haushalt mit meinem Freund zusammen und wir schätzen unsere Wertsachen neu und so frage ich mich, ob ich als Wert für die Geige bei der Versicherung eher einen kleinen dreistelligen Betrag, noch weniger, oder doch etwas mehr angeben sollte. Ich mochte das - wenn überhaupt- nur schwach lackierte, sehr natürlich aussehende dunkle Holz und auch das Relief immer, fand es immer schöner, als die dick lackierten, rötlichen glänzenden neuen Geigen und würde das Instrument auch heute nicht hergeben, es besteht also keine Verkaufsabsicht. Wenn der Wert eher niedrig anzusetzen ist, ist das für die Versicherung (und meine Versicherungssumme) eher gut, falls der Wert höher anzusetzen wäre, würde ich vielleicht noch etwas besser drauf aufpassen.


    Könnt Ihr an Hand der Fotos bestätigen, was ich bereits aus diesem und anderen Foren erfahren habe? Oder die Infos ggf. korrigieren und ergänzen?


    Ich halte die Geige für eine der vielen Nachbauten/Fälschungen einer Joh. Bapt. Schweitzer Geige. Der Zettel mit der dafür typischen Schrift "Joh. Bapt. Schweitzer feit ad forman Hieronom Amati Pertini 1813" sieht meiner Einschätzung nach auch durch seine abgefressenen Ränder und die dunkle Färbung eher auf alt getrimmt aus, zudem weiss man ja, die so beschrifteten Geigen sind (fast?) alle Nachbauten.
    Ein zweiter Zettel darüber könnte ebenfalls zwecks Antiquisierung eingeklebt sein. Dort steht mit geschwungenen Buchstaben "Repariert in Breslau of Instrumentenmacher Liebig".
    Die Rückseite zeigt ein Relief mit einer Burg - auch ein Zeichen für Massenware, oder?
    Ich finde die Kombination aus Relief und Schweitzer-"Fake" sowie den (vorgetäuschten?) Weg über Breslau interessant. Hat jemand von Euch eine Idee, wie das zusammen passt?


    Vielen Dank für Eure Einschätzungen und Hintergrundinfos!
    Ann

  • Man sagt: Wenn eine Geige einen Zettel hat, dann weiß man schon mal was es nicht ist. Das gilt natürlich nicht immer. Das mit den doppelten Zetteln ist leider auch eine Masche, nachdem ein Zettel ja nun gar nicht mehr zieht.
    Es sieht so aus, als wenn es keine eingelegte Ader in der Decke gibt (größere Fotos wären hilfreich).
    Auf ebay gibt es ab und an immer mal wieder Geigen mit aufwendigen Schnitzerein am Boden. Meistens werden die Preisvorstellungen (Mindestgebot usw.) des Anbieters nicht erreicht und die Geige erscheint in immer neuen Auktionen. Das zeigt, dass es wohl keinen großen Markt für solche Geigen gibt und deshalb die Preise relativ tief liegen.
    Am Besten noch mal mit der Geige zum Geigenbauer gehen und den nach seiner Einschätzung fragen. Allerdings machen die das auch (sehr verständlich) nicht immer kostenlos.


    PS: Gerade auf ebay entdeckt: https://www.ebay.de/itm/Alte-s…6be59f:g:0b0AAOSwdW9aKpuz

  • Danke, Norbert!
    Jetzt habe ich schonmal gelernt, was eine Ader bei einer Geige ist - musste nachgooglen - ich habe die Bilder zu sehr verkleinert, hier ein Detail vom Deckel. Es gibt also ne Ader.
    Was genau erfährt man von diesem Detail der Ausführung? Datierung? Hersteller? Qualität?
    Viele Grüsse
    Ann



  • das sind diese "Mylau" Geigen. Eine Burg in Sachsen. Man konnte diese Geigen so um 1900 mit Erfindung dieser speziellen Fräsmaschine, die so etwas herstellt, als Souvernier kaufen.
    Wider erwarten schlug diese Idee wie eine Bombe ein und alsbald kamen noch weitere Motive hinzu (diverse Städte und sonstige Sehenswürdigkeiten)
    Wir hatten darüber auch schon mehrere Diskussionen:
    Kann mir jemand helfen (Geigenwert)??

  • Diese hier hat recht gute Hölzer- das Deckenholz ist bemerkenswert feinjährig für diese Art geigen, und auch das Bodenholz ist recht gut. Schade wegen des Reliefs- es sieht sicher nette aus und macht die geige zu etwas Besonderem- aber die damit einhergehende unregelmässige Bodendicke dürfte das Schwingungsverhalten negativ beeinflussen.