Analyse und Einschätzung

  • Guten Tag,


    jetzt habe ich mich auch mal registiert, um eine Einschätzung erhalten zu können. Dieses Instrument ist seit einigen Jahrzehnten in Familienbesitz und es wäre interessant, ein paar Meinungen dazu zu hören, sofern man irgendetwas zu Alter, Herkunft, Zustand oder Wert sagen kann.
    Nun lasse ich mal die Bilder sprechen. Ich hoffe, sie sind ausreichend für eine erste Einschätzung.



    Vielen Dank und viele Grüße,
    violinovecchio

  • Ist echt schwer etwas darüber zu sagen.
    Ich sehe eine alte Böhmen Geige.
    Scheinbar echte Ausbuchser am Wirbelkasten.
    Der Anschäfter am Wirbelkasten sieht jedoch eingeritzt aus, was
    Schade ist, da eine Geige so viel wie möglich echte Altersspuren haben sollte.
    Eine gefälschte Alterung gibt ein schlechtes Gefühl für das gesamte Instrument.
    (Aber vielleicht ist ja der Anschäfter des Wirbelkastens doch echt. Ein Foto von der oberen Seite des Wirbelkastens oder mit Blick in den Wirbelkasten könnte da helfen.)
    Hinzu kommen die Risse an der Decke und am Boden. Der Bodenriss ist doch sehr Nahe bei der Stimme.
    Die Lackierung würde ich nun eher in den polnischen oder deutschen Raum zuordnen.


    Andererseits eine Geige mit Charakter und evtl. gutem Klang.
    Alter wahrscheinlich um die 80-100 Jahre.
    Der Wert im Internet leider recht bescheiden. Mit den genannten Mängel würde ich auf nicht höher als 500 Euro schätzen. Eher einiges darunter.
    Für den Geigenbauer wahrscheinlich nicht interessant, da es doch grosse Schäden sind, die den Aufwand nur lohnend machen, wenn das Instrument sehr günstig und die Substanz gut ist (wenn überhaupt).
    Dies so einmal meine grobe Einschätzung, welche anhand der Bilder doch recht eingeschränkt ist.


    Gibt es im Innern der Geige noch ein Label?
    Nicht das dies viel zu sagen hätte, da der grösste Teil gefälscht ist.
    Aber gerade deshalb wäre es interessant zu wissen.


    Generell bessere Foto der Geigenhals Ansätze und des Wirbelkastens.

  • Mir gefällt die Geige ganz gut und würde sie deutlich über 100 Jahre einschätzen und die Herkunft in Richtung Süddeutschland zuordnen ! Jedoch ist Sie stark lediert Bodenstimmriss ect. ! Falls Sie zum Verkauf steht würde ich mich freuen eine Email zu erhalten ! bambat@outlook.de

  • Also ich möchte ja niemanden zu nahe tretten aber für einen Neuling sind diese Bilder sehr proffesionel.
    Wurden die Bilder selber gemacht? Wenn ja wie. meine sind nie so gut.
    Ich würde auch gern ein detail Bild vom Hals ansatz und von dem Untersattel sehen um eine Beurteilung abgeben zu können.

  • Das ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein altes sächsisches (oder böhmisches) Instrument. Die f-Löcher sehen sehr nach Klingenthaler Schule aus.


    Wie oben schon jemand sagte, ist das eine Geige, die "auf alt" gemacht wurde. Auch Ende des 19. Jahrhunderts waren "alte" Geigen schon gross in Mode, und es wurden künstliche Alterungsspuren aufgetragen, wie in diesem Falle ein vorgetäuschter Anschäfter.


    Alter: um 1900 herum (+/-10 Jahre)


    Wert: Sehr bescheiden, da es solche Geigen in Massen gibt, und dieses Exemplar leider viele Risse (wie vor allem den oben schon erwähnten Bodenriss in Stimmnähe) aufweist. Ein Vorbesitzer hat die Geige mal umfassend restaurieren lassen, das hilft dem Wert aber auch nicht auf die Sprünge. Wenn man bei Ebay einen Glücksritter findet, der sich vom alten Aussehen der Geige täuschen lässt, sind vielleicht 500 Euro drin---- man sollte aber auch mit 200-250 Euro schon sehr zufrieden sein.

  • Guten Tag,


    erstmal danke für die Antworten. Ich kenne mich leider nicht mit der Materie aus, musste erstmal ein paar hier genannte Begriffe googeln, z. B. was ein Anschäfter ist.


    Verstehe ich das richtig, dass das einen nachträglich ausgetauschten Hals meint? Inwiefern hat das etwas mit Alter und Wert einer Geige zu tun? Und v. a. wurde genannt, er könnte vorgetäuscht sein. Worin liegt der Sinn, einen getauschten Hals vorzutäuschen? Das müsste mir jemand bitte nochmal erklären.



    Fotos werden hiermit nachgeliefert, ich hoffe, das sind die gemeinten Ansichten. Was genau sollte der Geigenbauer machen? Und welche Schäden reparieren?



    Offen gesagt war mir nicht bewusst, dass das Instrument überhaupt Schäden hat(te). Natürlich sehe ich auch die langen dunklen Linien, sind dies die genannten (reparierten?) Risse? Wodurch werden sie entstanden sein, evtl. mechanische Einflüsse oder sind das Alterserscheinungen?


    Also ich möchte ja niemanden zu nahe tretten aber für einen Neuling sind diese Bilder sehr proffesionel.
    Wurden die Bilder selber gemacht? Wenn ja wie. meine sind nie so gut.


    Die Bilder habe ich selbst gemacht. Kein großer Aufwand, nur indirekt beleuchtet.


    [...] und es wurden künstliche Alterungsspuren aufgetragen, wie in diesem Falle ein vorgetäuschter Anschäfter.


    Siehe oben, bitte nochmal erläutern... Auf welches "Alter" sollte denn so ein Instrument, das heute evtl. ~100 Jahre alt ist, getrimmt werden?


    Hat sie Signaturen?
    Offenbar wurde sie mal hervorragend restauriert.
    Was hat, falls, der Restaurator gesagt?


    Sie hat einen Zettel, der hier wohl nicht viel weiterhelfen dürfte: Joseph Klotz in Mittenwald an der Iser 17.. (unleserlich)


    Noch ein paar Hintergrundinfos: Das Instrument wurde vor ca. 35-40 Jahren von einer sehr alten Frau für meines Wissens 1000 DM abgekauft. Ich kenne es seit ca. 20 Jahren, da wurde es nach längerer "Inaktivität" ein wenig aufgearbeitet, ich habe es sehr dunkel, fast schwarz und matt in Erinnerung. Nachdem es vom Geigenbauer zurückkam bot sich obiges Bild (was ich eigentlich optisch immer sehr schön fand). Allerdings hatte ich nie groß andere Instrumente in der Hand, mir fehlt daher der Vergleich und somit habe ich vielleicht auch Risse/Schäden etc. nie als solche erkannt, es hat mich auch nie gestört, da ich sie ja regelmäßig einfach spiele. Mein Geigenbauer war zumindest immer sehr angetan vom Klang, was natürlich subjektiv ist und auch nichts heißen muss.


    Wo wir gerade dabei sind, auch noch Fotos von zwei Bögen, wer etwas damit anfangen kann.



    BTW Das Instument hat einen hohen ideellen Wert und steht nicht zum Verkauf.

  • Also jetzt mit den neuen Bildern finde ich das die Geige Optisch schon sehr nett aussieht. Der Anschäfter wie schon richtig herausgefunden, hat man bei Geigen gemacht die einen neuen angepassten Hals bekommen habe, da bei den früheren Geigen der Abstand der saiten zur Decke geringer war. Um einen größeren Klang zu erzeugen um auch Konzertsäle zu beschallen brauchte man eben einen Gößeren Abstand. Man hat da die Schnecke die ein wesentlicher bestandteil war um eine Geige einen Meister zu zuordnen,
    Angeschäftet und nur den Hals den getauscht. Es besteht aber auch die möglichkeit das es eine Reparertur war, warum auch immer.
    Wer sich so eine Aufwendige Arbeit leisten konnte, tat dies in der Annahme das es sich wahrscheinlich lohnt diese Geige zu erhalten und weiter zu Spielen. Anschäfter sind deshalb meist gerne gesehen bei den Käufern in der Annahme wie oben beschrieben.
    Dies wiederum haben aber auch Verkäufer erkannt und haben diese Art der Reperatur angetäuscht um die Geige wertiger erscheinen zu lassen. Bei Ihrer Geige ist deutlich zu sehen das die jahresringe durch das Geritze Holz Identisch weiterläuft. Daher gebe ich Braaatsch hier vollkommen Recht. Ich habe die Vermutung das hier die Geige Lacktechnisch so Überarbeitet wurde das das tatsächliche alter auch durch aus älter sein könnte. Meine Empfehlung ist es ein Geigenbauer auf zu suchen und zu Posten was dabei Raus gekommen ist.

  • Ja, die langen dunklen Streifen sind -reparierte-Risse.


    Und wie ich schon schrieb, waren um 1900 herum alte Geigen auch schon beliebt, sprich, es wurden alte Reparaturen vorgetäuscht (wie z.B. ein Anschäfter, der aus einer Barockgeige eine moderne Geige machte). Also, das Instrument sollte so aussehen als stamme es aus dem 18. Jahrhundert und sei mit einem modernen Hals umgebaut worden.


    Die dunkle Farbe, die man an den Zargen noch sieht, passt sehr gut zu Böhmen, und war dort in gegen Ende des 19. Jahrhunderts sehr beliebt.

  • Zu den Rissen: Risse entsehen, wenn das Instrument unter Spannung steht. Das ist bei Manufakturgeigen wie dieser oft schlechte Verarbeitung (ungenügend getrocknetes Holz, das sich noch verzieht, ungenaues Arbeiten was mit Leim ausgegluchen wird etc.). Oft kommen Belastungen wie Temperaturwechsel dazu (Holz arbeitet...). Auch Stürze, ungünstiger Saitenzug, nicht passendes/abgestimmtes System Steg-Stimmstock-Deckendicke-Bodendicke etc. können zu Rissen führen.


    Natürlich steigt mit dem Alter die Wahrscheinlichkeit von mechanischen Schäden(Stürze...), eine direkte Alterserscheinung sind Risse jedoch nicht. Es gibt viele sehr alte Instrumente ohne Risse, und viele neuere Instrumente mit Rissen.