Meine Geige stellt sich vor #2

  • Wie angekündigt war ich nach einem kleinen Rückschlag, wieder auf der Suche nach einer Übungsgeige, um mit meiner Tochter zusammen das Geigenspielen zu erlernen.


    Kleinanzeigen gewälzt, ca 300 Geigen angeklickt und durchgewunken. Bis zu genau dieser, die mich nicht losgelassen hat. Das alte hässliche Stück Holz, das da lieblos in einem älteren Geigenkasten liegt und sichtlich etwas Liebe bedarf. Habe mir noch weitere Geigen angeschaut, aber wie letztes Mal musste ich immer wieder zurück zu genau dieser Geige.


    Verkäufer kontaktiert, 105Km gefahren. Vom Vater des Verkäufers im Türrahmen in einem dunklen Flur entgegenkommen. Kurz abgeklopft, scheint solide, gekauft und gegangen.

    Kasten in den Kofferraum und aus der Parkverbotszone geflüchtet.


    Nach 50Km brannte es mich in den Finger und ich musste anhalten und den Kauf begutachten.


    Das Sonnenlicht war erbarmungslos! Im dunklen Flur schien Sie hübsch und Solide, ein kleiner Flicken, oben rechts in der Decke. Sonst ok.

    Die Erleuchtung kam mit der direkten Sonneneinstrahlung:


  • Mein Fazit:


    Die Geige hatte ein wechselhaftes Leben.


    Wohl aus gut Bürgerlichem Hause mit entsprechender ärztlicher Versorgung. Jedoch sind auch ein paar Jahre an der Front zu erkennen. Dabei wurde auf das Überleben und nicht auf die Ästhetik geachtet. Ein paar Narben sind zurückgeblieben, diese könnten vermutlich nachbearbeitet werden. Ob es den Klang beeinflusst, kann ich nicht beurteilen.


    Sie lässt sich Stimmen, ob Sie die Stimmung hält weiss ich Morgen.


    Falls möglich werde ich Sie so belassen; der von mir angestrebte Zweck scheint Sie zu erfüllen. Der Bogen ist halt ein Bogen. Kein Stempel und scheint mir etwas müde. Jedoch ist er für das Trockentraining ausreichend. Habe ja noch den Bogen meiner #1.


    Nun bin ich auf Eure Einschätzung gespannt.


    Besten Dank im Voraus

  • Hmmm. Die andere Geige war besser. ;) Mich stimmen die vielen Zargenreparaturen nachdenklich, evtl. ist der lange Riss an der Oberzarge noch offen. Wenn ich das auf dem Bild richtig erkenne, hat sie auch einen Stimmriss. Da muss man mal schauen, wie der repariert wurde.


    Als Schulgeige zum Herumfiedeln taugt diese Geige sicherlich (wenn die Wirbel halten…). Ansonsten würde ich Dir empfehlen, dich mal durchs Forum zu lesen, da gibt es viele Infos, woran man viele der „üblichen Schäden“ erkennt. Klar gibt es viele verdeckte Schäden, die man nicht vom Foto sieht….

  • Erst mal zum Geigenbauer, fragen, was der dazu sagt und was eine Instandsetzung (Wirbel gangbar machen und was seiner Meinung nach sonst noch nötig wäre) kosten würde.

    Die Frage ist, ob man für eine Übungsgeige bei den Kleinanzeigen sucht und dann noch 100km fährt. Ob es da nicht günstiger wäre, über den Geigenbauer eine Fabrikgeige zu kaufen im eigenen Budget. Einfach mal fragen.

    Jetzt würde ich die Geige einmal dem Geigenbauer vorlegen und erst mal fragen, was eine Instandsetzung - nur das Nötigste - minimal kosten würde und dann gute Saiten aufziehen und erst mal schauen, wie weit du damit kommst.

    Wenn du dann etwas anderes ausprobieren möchtest, teste entweder mal Geigen beim Geigenbauer zum Kauf oder leihe dir dort eine für einen oder ein paar Monate und vergleiche halt, ob sie deutlich besser ist als deine oder nicht.

    Falls die Geige spielfertig gemacht werden kann, können Risse und Reparaturen, soweit sie das Spiel nicht beeinträchtigen, ja auch "charmant" sein. Man sieht, dass das Instrument eine Geschichte hatte.

    Mein Eindruck ist, dass Kleinanzeigen und Ebay eher etwas für Gambler sind. Für Menschen, die sich auskennen, Geld zu verbrennen haben und eher das Abenteuer suchen. Eher mal schauen wollen, was sie da so erwerben können.


    Für dich wäre jetzt nur wichtig zu wissen, was repariert werden MUSS, wie viel das minimal kostet und wie viel minimal eine für dich gute Schülergeige kosten könnte (betone da beim Geigenbauer unbedingt "minimal" und "ich habe zur Zeit wenig Geld", sonst fängt es bei 1000€ oder so an).

    Und dann abzuwägen, ob ein kompletter Neukauf erst mal sinnvoller wäre oder ob ein Instandsetzen ausreicht.

  • Als jemand mit wenig Geigenkenntnissen würde ich in Versteigerungs- und Kleinanzeigen-Portalen auch die Finger von Geigen mit vielen Schäden lassen.


    Grundsätzlich ist das Kleinanzeigen-Portal aber eine gute Möglichkeit, günstiger als beim Geigenbauer an Geigen zu kommen. Man sollte aber immer persönlich die Geige(n) anspielen und anschauen und am besten jemanden mitnehmen, der sich (auch) mit Geigen auskennt und Dir die Geige aus einiger Entfernung vorspielen kann, damit Du auch den Klang aus der Ferne beurteilen kannst. Wenn man schon eine eigene Geige hat, mit der man nicht zufrieden ist, sollte man sie zum Vergleich mitnehmen, da auch der Raum den Klangeindruck beeinflusst. Stell Dir vor, Du spielst eine fremde Geige in einem hohen Raum mit viel Hall an, bist begeistert und kaufst sie, und zu Hause in Deinem kleinen Übungsraum klingt sie auf einmal gar nicht so toll.

  • Was die Vorredner sagen, ist alles richtig, sind wertvolle Tipps. wenn man das Geld hat, und keine Zeit, ab zum Geigenbauer.


    Ansonsten aus den Kleinanzeigen nur schicken lassen mit Käuferschutz, also, dass man bestätigt die Geige gut erhalten zu haben, bevor das Geld beim Verkäufer landet. Es gibt in diesem Bereich sehr viele schwarze Schafe.


    Am besten die Zeit nehmen, und vor Ort ausprobieren, die Kriterien sind von den Vorrednern angeschnitten. Aus welcher Region seid ihr? Falls ein Hobby Geigenbauer in der Nähe, der hat oft auch etliche Instrumente. Im Raum Freiburg gibt es 15 Geigenbauer und mindestens drei hochmotivierte Hobby -Geigenbauer. Einfacher Trick vom Hobby Geigenbauer: 2-3 gute Geigen beim Hobby-Geigenbauer mitnehmen, damit zum professionellen Geigenbauer und fragen, ob man mit der Geige was machen müsste. Wenn man den Geigenbauer\Hobby Geigenbauer wirklich nur „benutzt“ steht es jedem frei, ihm noch 20 € in die Hand zu drücken für die Kaffeekasse, wenn man dafür eine tolle Geige hat.


    😂😂😂. Letztlich sind dann alle zufrieden, Für 600-900 € gibt es oft eine schöne Geige, neue Saite, klangoptimiert, die toll klingt.


    Wenn man mehr haben will als eine gute Schülergeige wird es sehr viel schwieriger, aber auch machbar. Profi- Spielgeigen gibt es für 5-10.000 €. Für professionelle Antiquitäten sind 30.000 € ….Nix.😉. Wer mehr als 20.000 € ausgibt sollte immer Zweitmeinungen einholen und professionell Zertifikate. Es handelt sich um einen sehr,sehr schwierigen Markt, auf dem ich schon viele Enttäuschungen erlebt habe. Bei Musik-Studenten ist im Moment ein Trend zur neuen Geigen von lebenden Geigenbauern zu beobachten.9000.- 18.000€. Je nach Land, wo man einkauft.

  • Erstmal herzlichen Dank für die aktive Beteiligung.


    Leider bin ich zu 100% resistent für gut gemeinte Ratschläge. Bin Jäger und Sammler, Fahre auch mal 250Km für eine 50.- Taschenuhr. Dank Hybrid halten sich die Spritkosten in Grenzen ;)


    Beim Händler kaufen kann jeder, ich will stundenlang im Netz suchen, Bilder analysieren, Flohmärkte und Brockenhäuser besuchen, Verkäufer mit Fragen überhäufen, Termine vereinbaren, fachsimpeln, Kaffee trinken und falls es zu einem Kauf kommt, dem Objekt bereits "meine" Geschichte mitgeben.


    Der Profit steht nicht im Vordergrund.


    Wie auch Ihr, würde ich jedem Amateur abraten, eine antike Uhr oder einen antiken Füllfederhalten zu kaufen. Ausser beim Fachmann. Kostet idr. etwas mehr aber die Funktion ist meisten garantiert. Habe schon viele vermeidliche Schnäppchen als Bastelbude oder gar Totalschaden deklarieren müssen.

    Da sind auch 10.- zu viel bezahlt für zb. eine 150j alte Taschenuhr.


    Also lasst mich jagen und sammeln und ich lade euch herzlich dazu eine, die Beute gemeinsam zu beurteilen :)


    Urteil zur Geigenbauerin zu meiner Geige #2:

    Qualität ist OK, keine Konzertgeige aber zum Lernen ausreichend.

    Vermutlich nachlackiert

    Die roten Akzente sind Retuschen welche nicht mit dem Grundlack gealtert sind.

    Körper scheint stabil, Stimmriss ist nicht repariert aber scheint stabil. Wird beobachtet und ggf repariert.

    Brücke ist etwas flach. Die mittleren Saiten werden unterlegt.

    Saiten werden gewechselt. Budget für Saiten ca. 120.-

    Saitenhalter wird mit der #1 getauscht. Somit habe ich Feinstimmer auf allen Saiten.

    Zustand der Wirbel ist schlecht. Diese können stabil gestellt werden, mit den Feinstimmer ist es ok.

    Baustelle für die Zukunft, Wirbellöcher und neue Wirbel ca 200.-


    Somit wird das geschichtsträchtige Instrument mit einer Investition von ca 170.- spielbar und meinen Anforderungen gerecht.


    Herzliche Grüsse

  • Ich kann dich schon verstehen, das macht ja auch Spaß. Ich hab's in den letzten Jahren auch so gemacht, und immer die jeweils beste zum Spielen behalten. Nun spiele ich aber eben auch, und auf dem Niveau meiner jetzigen Geige, was Klang, aber auch die "Passgenauigkeit" zu mir, angeht, wird es langsam schwierig mit dem Glücksrittertum, weshalb ein potentielles nächstes Instrument für mich bedeutet: Sparen, und dann nach Probespiel auswählen. Auch wenn das irgendwie schade ist ;)

  • ... Nun spiele ich aber eben auch, und auf dem Niveau meiner jetzigen Geige, was Klang, aber auch die "Passgenauigkeit" zu mir, angeht, wird es langsam schwierig mit dem Glücksrittertum, weshalb ein potentielles nächstes Instrument für mich bedeutet: Sparen, und dann nach Probespiel auswählen. Auch wenn das irgendwie schade ist ;)

    Geht mir genau so. Meine jetzige Geige passt einfach so gut, dass keine andere an sie herankommt. Und für mein spieltechnisches Niveau ist sie mehr als ausreichend, weshalb ich auch keinen Grund sehe, richtig viel Geld in die Hand zu nehmen und nach einer noch besseren Geige zu suchen.