Bassbalken-Riss und Klangoptimierung

  • Ihr lieben,

    mein letzter Beitrag ist schon ein Weilchen her, die Nächte werden aber langsam länger und so zieht es mich auch wieder regelmäßig zu meinem Geigenbau-Tischerl.

    Diesmal hab ich mich über den Bassbalken-Riss gewagt.
    Vorab hab ich mit einem Geigenbauer geredet der meinte, wenn es bei einer wenig wertigen Geige entsprechend wenig Aufwand sein solle, könne ich den Balken auch einfach weiter nach außen verschieben und den durch das F-Loch sichtbaren Teil schwärzen um ihn zu kaschieren. Also ohne Unterlegung den Riss mit dem Balken selbst stabilisieren. Oioioi.

    Als ich mir die Geige vor dem Öffnen nochmals genauer angeschaut habe stellte ich fest, dass genau das ihr bereits vor mir jemand angetan hatte. Wobei ichs nicht verstehe: Ein Riss verlief neben dem Bassbalken. Der andere vom Sattel her unter dem Bassbalken, der aber auch dort unzerstörbar festklebte. Dummerweise habe ich nicht alles dokumentiert, aber nachdem es an dieser Stelle keine weiteren Bearbeitungsspuren gab - und sonst sehr schön gemachte Unterlegung eines Stimmrisses gab (und Holzkitt oder ähnliches an mehreren Stellen am Rand) - könnte es auch der originale Bassbalken gewesen sein?

    Wie auch immer war der Bassbalken auch ungewöhnlich kurz - gut 5 cm insgesamt zu beiden Seiten hin.

    Leider habe ich das Gleichgewicht der beiden Deckenhälften nicht gewogen, da ich erst vor dem Einbau des neuen Balkens im Möckel nachgelesen habe. Ursprünglich dachte ich, ich könne den alten Balken verwenden - der klebte aber fest an der Decke, ich hab ihn schichtweise abgebaut, also zerstört.

    Holz für Bassbalken hatte ich und nebst Internet-Bildrecherche beschlossen, ihn nach Möckel anzufertigen und einzubauen. Also auch länger als der vorgefundene, entsprechend versetzt und 3mm Abweichung über die Maserung hinweg.

    Für die Unterlegung habe ich den Balken auch entsprechend ausgeschnitten.

    Da die anderen Risse offensichtlich nur oberflächliche waren, hatte ich sie vorerst mit Pergament unterlegt - und dann großteils doch gegen Diamanten getauscht.

    Keine Ahnung, aber ich habs ausprobiert: Den Eigenklang der Decke hab ich mitsamt Balken und allen Reparaturen als Fis wahrgenommen.

    Ein feiner Riss ging ab Halsansatz und vor Einbau der Decke musste ich an der Stelle fast 2 Millimeter wegnehmen, da sie nicht mehr dranpasste. (Schwund nach nur 4 Tagen?) Daher habe ich die gekitteten Stellen wie vorgefunden belassen um nicht noch mehr Schwund zu riskieren. Die Decke war auch gleich nach dem Abnehmen schon ewas verzogen.


    Wie auch immer, jetzt ist die Geige wieder spielbereit und der Klang gefällt mir erstaunlich gut. Phasenweise sogar besser als der der bislang gespielten (ebenfalls billigen) Geige.

    Mit den billigsten Piaristo-Saiten und dem vorgefundenen Steg bestückt über die Saiten hinweg erstaunlich ausgewogen, lediglich erscheint mir die Ansprache etwas träger als auf meinen anderen Geigen. Und schnellere Läufe erscheinen mir nicht so durchdefiniert während der Klang mir wärmer und obertonreicher erscheint.

    Nun hab ich hier eine Geige, deren Klang mir besser gefällt als der der anderen, deren Ansprache aber etwas träger ist.

    Vielleicht war der kürzere Balken der Versuch, die Trägheit zu nehmen? Der Corpus ist bei passenden Mensuren übrigens einen Centimeter länger als gewöhnlich.


    Und jetzt zu den Fragen:

    Klanglich ließe sich vor Allem hinsichtlich Ansprache bestimmt noch etwas machen. Gibt es eine Empfehlung zum Beispiel hinsichtlich Saiten, die besser ansprechen?

    Ausgewogen ist sie. Es sticht keine Saite hervor. Das bedeutet, dass Bassbalken und Stimmstock eine gute Position haben, oder?

    Wie genau ist es mit den Einzeltönen? Bei den meisten klingen viele Obertöne mit, nur manche Töne klingen einzeln und langsam gespielt etwas weniger (zum Beispiel Fis und B) , was insgesamt aber kaum auffällt. Ist das normal oder bin ich hier zu genau? Klingen bei einer richtig guten Geige alle Töne gleich obertonreich? Ich lese immer nur von Ausgewogenheit hinsichtlich Saitenwechsel. Aber innerhalb einer Saite...?

    Und was hat es mit den Eigenklängen der verwendeten Komponenten auf sich? - Es haben ja auch Stimmstock oder Steg einen Eigenklang. Müsste ich diese Eigenklänge nicht aufeinander abstimmen? da könnte ja noch was rauszuholen sein, oder?


    Soweit... vielen Dank und lieben Gruß!
    Mona

  • Ohne von Geigenbau Ahnung zu haben.. ich kenne diese Art Geige als eher schwer und klobig. Auch den Steg finde ich recht massiv aussehend, was wiegt sie denn ohne Saitenhalter? Dass einzelne Töne weniger resonant sind als andere, ist normal. Aber ob das jetzt auf deiner Geige auffällig ist, kann ich dir so nicht beantworten, dazu müsste ich sie mal spielen ;)

    Persönlich glaube ich, dass du in diese nicht mehr viel Geld stecken solltest zwecks Optimierung. Aber über die Violino-Saiten hab ich in punkto Ansprache und Klang im Verhältnis zum Preis Gutes gehört. LG

  • Liebe Gesche,

    danke für Deine Antwort!

    Ja, der Steg könnte feiner sein. Es ist auch einer mit Kugelgelenk, was ich jetzt nicht so prickelnd finde. Und er ist etwas zu breit, so es wahr ist, dass er nicht breiter sein soll als die Innenkanten der oberen F-Löcher. Wobei ich jetzt auch nirgends einen schmäleren gefunden habe... es wären 3,7 cm. Ich konnte es nicht erwarten die Geige auszuprobieren und hab jetzt mal genommen was da war, werde aber Steg, Saitenhalter und Saiten nochmal wechseln.

    Gewogen hab ich die Geige nicht. Sie ist jedenfalls leichter als die Chinesin, die ich derzeit spiele und deren Klang ich plötzlich nicht mehr mag. Sie ist durgehend so wenig resonant wie die nicht so resonanten Töne der Böhmerin.

    Heute klingt sie übrigens schon besser - entweder habe ich mich in der Spieltechnik angepasst oder die einzelnen Komponenten finden langsam ihre Schwingung oder beides.

    Solltest Du in Wien sein, kannst Du gerne mal Probespielen! ... Das ist überhaupt eine gute Idee: ich werde mal ein paar gute Geiger*innen bitten, darauf zu spielen...
    Violino-Saiten, Steg und ein leichter neuer Saitenhalter sind bestellt, ich bin gespannt auf die Ergebnisse - eventuell schicke ich vorher noch ein paar Aufnahmen durch die Spektralanalyse, das könnte aussagekräftig sein, oder? Zumindest hab ich einen physikalisch visualisierten Vergleich - selbst wenn ich nicht weiß, wie der zu lesen ist ;)

    Lieben Gruß!
    Mona

  • Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich der Klang einer Geige, grad wenn sie längere Zeit nicht unter Spannung stand, in den ersten paar Tagen deutlich verändert und verbessert. Hatte hier eine Geige, die direkt nach dem Einrichten total leise auf der E-Saite war. Am nächsten Morgen war der Klang der E-Saite schon deutlich kräftiger, und mittlerweile ist sie in den Höhen dominanter als in den Tiefen.


    Eine 4/4-Geige hat normalerweise eine Stegfüßchen-Breite von 4,2 bzw. 4,1 cm. Dabei würde ich auch bleiben.

    Ein Profi in Sachen Setup bin ich nicht, aber das Dünnermachen des Stegs resultiert meiner Erfahrung nach in einem kräftigeren Klang, natürlich in einem gewissen Rahmen. So kann man dominante Saiten etwas abmildern, indem man den Steg in diesem Bereich etwas dicker lässt.

  • Dann bin ich mal gespannt auf die nächsten Tage!
    Was mir noch auffällt: die E-Saite hält die Stimmung während die anderen Saiten sich sehr rasch auf ein paar Cent tiefer einstellen und dort die Stimmung dann halten. Kann es sein, dass die Saiten dort ihre optimale Eigenspannung hätten oder gibt es hierfür einen anderen Grund?
    Die Wirbel halten gut, daran scheint es nicht zu liegen.

  • Die E-Saite ist aus Stahl und hält naturgemäß besser und eher die Stimmung als ummantelte Kunststoffsaiten, die sich länger dehnen. Je nachdem, welche Hängesaite die Geige hat und wie sie befestigt wurde, kann dort auch noch eine Dehnung stattfinden, z.B. indem sich die Knoten der Hängesaite fester ziehen oder die Hängesaite selbst sich dehnt. Das betrifft dann alle Saiten gleichermaßen.

  • Danke, Geigerlein! Hab jetzt mal alle Saiten einfach ein paar Cent tiefer gestimmt, jetzt halten alle viere die Stimmung.

    Die neue Hängesaite kann ich also ausschließen, es liegt wohl an den Saiten. Die lass ich aber derweilen drauf - es tut sich anscheinend noch was klangtechnisch und das möchte ich erleben. Werd sie aber wieder hochstimmen da ich mir vorstellen könnte, dass sich das aufs Einspielen auswirkt. Sie klingt jedes mal anfassen besser (vielleicht auch Einbildung). Aufregend ist das!

  • Eine neue Frage kommt auf:

    Ich habe eben in einem Beitrag von abalon über eine Geige mit etwas längerem Korpus gelesen und in einer der Antworten, dass die Zargenhöhe den Unterschied zwischen Geige und Bratsche ausmache.

    Wie erwähnt ist der Korpus dieser Geige 36,5cm lang,

    die Mensuren sind 32,5, Deckenmensur 19,5, Halsmensur 13.

    Für mich war das bislang klar eine etwas länger gebaute Geige.

    Nun hab ich die Zargenhöhe gemessen: 3,8cm!

    Ja, ist die Böhmerin jetzt eine 3/4 Bratsche? Beim neu bestücken hatte ich sie vorerst eine Quinte tiefer gestimmt und war erstaunt, dass sie diese Tiefen ganz gut trug und kurz überlegt, sie als Bratsche zu verwenden. Ich bin lediglich Musikantin, keine Musikerin, und da hätte das schon gepasst...

    Aber ist das jetzt tatsächlich eine Bratsche? Sie klingt als Geige durchaus passabel...

    Weitere Daten:

    Obere Breite 16 cm

    an der Taille misst sie 10,8 cm

    Untere Breite 20cm

    Ja, es bleibt spannend... danke für etwaige Hinweise,

    lieben Gruß!
    Mona