Alte Geige mit Geschichte

  • Ich bin zwar neu in dem Thema aber hatte jetzt schon ein weites Spektrum unterschiedlicher Qualitätsstufen in der Hand. Ich würde mir da keine Hoffnung machen. Bei eBay würde ich diese Geige selbst ohne die Schäden nichtmal für unter 100 Euro kaufen. Die Jahresringe auf der Decke sind recht weit auseinander, die Zargen sind nicht geflammt, der Boden kaum. Sie sieht auch nicht sonderlich alt aus, sondern einfach nur ramponiert.

    Die Decke ist glaub ich auch zweiteilig, oder?

  • Ich halte die Geige auch für eine einfache Schülergeige, erkennbar vor allem an der Ausführung. Das Griffbrett ist definitiv nicht aus Ebenholz, sondern vielleicht aus Birne oder Ahorn, wie bei Schülerinstrumenten oft der Fall. Da kann man so mit dem Finger auch keine Dellen reindrücken, aber vom Spielen entstehen darin schneller Abdrücke als bei Ebenholz.

    Gutes Fichten-Tonholz muss nicht unbedingt sehr fein gemasert sein, genauso wenig wie gutes Ahornholz stark geflammt sein muss. Letzteres ist eher eine optische Sache. Für einfache Instrumente wurde halt eher wenig oder ungeflammter Ahorn verwendet. Manche sagen aber, dass Instrumente mit ungeflammtem Ahorn ausgeglichener klingen als solche mit stark geflammtem Ahorn. Ob da etwas dran ist, weiß ich nicht.

  • Nicht jedes alte Auto ist ein wertvoller Oldtimer, und nicht jede alte Geige wertvoll.


    Du frats, ob es damals üblich war, so "schlampig" zu arbeiten. Nein, war es nicht- es gab damals schon einfache Schülerinstrumente (die weniger gut gearbeitet waren) und teure Meisterinstrument, die fein gearbeitet waren. Sprich, Du erkennst selber, dass die Qualität Deiner Geige eher für den "preisbewussten Endverbraucher" gedacht war. Auch das Griffbrett: Bei guten/teureren Instrumenten besteht dieses aus Ebenholz (oder auch Palisander oder anderes wertvolles, hartes Holz), bei billigen/einfachen Instrumenten wurde Birne, Buche oder sogar Weichholz wie Fichte oder Linde verwendet, und einfach schwarz angepinselt. In Verbindung mit Stahlsaiten sieht das dann in wenigen Jahren so aus wie bei deiner Geige.


    Deine Geige wurde viel gespielt, vielleicht klingt sie auch gar nicht schlecht. Ein Zeichen, dass das ein Berufsmusiker (zumindest im heutigen Sinne!) war, ist das jedoch nicht. Auch Hobbyleute können viel spielen, und zu damaligen Zeiten war nicht jeder mit grossen Reichtümern gesegnet. Da war so mancher froh, sich überhaupt eine Geige leisten zu können. Viel wurde auch in Kirchen, Wirtshäusern etc. gespielt, auch Hausmusik war sehr verbreitet, um 1900 gab es noch kein Fernsehen und das mit dem Radio war jetzt auch noch nicht so üblich, sprich, es wurde viel mehr "gefiedelt" als heute, und in diesem Sinne kann es auch ein "Berufsmusiker" gewesen sein, der sich abends in der Kneipe ein paar Pfennige verdiente.


    Dennoch: Damit ein Weichholz-Griffbrett so aussieht, muss gar nicht so sehr viel gespielt werden.


    Zum Namen: Wen es sich nicht gerade um den Hochadel handelt, ist es sehr wahrscheinlich, dass unter den zig Millionen mehrere Menschen gleichen Namens existierten. Auch kann sich jemand, der eigentlich wohlhabend ist, so eine einfache Billiggeige als "Übeinstrument"/"Feldinstrument"/... zugelegt haben. Es gibt tausend Möglichkeiten, da kann man sich jegliche Geschichte ausdenken.


    Ja, die Nazis haben wertvolle Instrument beschlagnahmt. Die Qualität der Geige spricht aber eine eine andere Sprache: Ein einfaches Schülerinstrument aus Sachsen/Böhmen, und egal was die Geige bisher erlebt hat, es gibt Tausende solcher Fiedeln, Ebay ist voll davon. Jede dieser alten Geigen hat 2 Weltkriege überlebt, der Wert ist -leider- trotzdem am Boden.

  • Wenn jemand Geige spielen möchte, ist es in der Regel besser, erst mal zu mieten und dann zu sparen und nach einiger Zeit - meiner Meinung nach frühestens 2 Jahren - eine eigene Geige zu suchen, die dann auch den eigenen Klangvorstellungen entspricht (und manchmal den eigenen Vorstellungen bezüglich Farbe etc.).

    Mit einer Geige mit Nazisymbolen möchte in der Regel auch keiner gesehen werden. Also würde man da schon mal den Geigenbauer fragen, was es kostet diese irgendwie verschwinden zu lassen.

    Dazu kommt, dass du halt bei Geigen ohne Saiten keine Ahnung hast, wie sie klingen. Es könnte sein, dass keine der gekauften Geigen gut klingt ("gut" ist immer subjektiv, auch wenn es objektiv schlecht klingende Geigen gibt. Es gibt objektiv gut klingende Geigen, die deine Tochter vielleicht trotzdem nicht mag!).

    Es gibt einige Menschen, die schon längere Zeit spielen und aus Interesse immer mal wieder blind Geigen kaufen, instand setzen lassen und dann schauen, wie sie klingen. Da ist aber das Hobby der Kick, das Abenteuer, herauszufinden, was man da gekauft hat. Das ist keine gute Basis für die erste Geige zum Lernen.


    Am einfachsten ist es, zu einem Geigenbauer zu gehen und eine Preisspanne zu nennen - die meist bei 500 bis 1000€ liegen sollte - und zu fragen, was er für den Preis an Sets (Geige, Tasche, Bogen) hat. Damit kann man auf jeden Fall die ersten 3 bis 5 Jahre spielen bzw. vor allem LERNEN, ohne sich fragen zu müssen, ob es an einem selbst oder dem Instrument liegt.

    In der Zeit kann man sparen und eine Klangvorstellung entwickeln und wenn man dann die erste "selbst ausgesuchte" Geige kauft, weiß man schon genau, was man (nicht) will. Diese kann dann grob zwischen 1000 und 2000 € liegen. Darunter gibt es auch "gute Geigen" und darüber gibt es auch "gute Geigen", aber in dem Preisbereich findet man (als Durchschnittsspieler ohne große Ansprüche oder Bühnenambitionen) meist ein gut passendes Instrument.


    Die blind gekauften Gebrauchten sind meist wirklich nur etwas für Menschen mit ganz speziellen Ansprüchen. Die Chance, da ein Goldnugget für 150€ zu finden ist sehr, sehr gering und die Aufarbeitung jeder Geige kostet meist noch mindestens 100€. 100€ oder deutlich mehr, nur um zu hören, was man da gekauft hat und ggf. festzustellen, dass man es nicht mag vom Klang her und dann zu versuchen, es so weiterzuverkaufen, dass man seine Ausgaben gedeckt bekommt. Das wird oft schwierig, weil zumindest online die Käufer dann ja wieder die Katze im Sack kaufen.

  • Ich stimme Dir absolut zu- es macht viel mehr Sinn, erstmal ein Instrument zu mieten und dann bei spielbaren Geigen auf die Suche zu gehen, und diese probezuspielen.


    Und ja, natürlich gibt es das „Abenteuer Schatzsuche“ mit ungewissem Ausgang.


    Aber die „Schätze“ findet man dann selten beim Antiquitätenhandel. Das sind (oft) Profis, da kann man davon ausgehen, dass die deutlich mehr Ahnung haben als man selber. Zumindest wissen die, dass alte Geigen wertvoll sein können, und holen sich ggf. eine Einschätzung von Fachkollegen oder Instrumentenbauern. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der mehr oder weniger davon lebt, alte Dinge einzukaufen und so teuer wie möglich weiterzuverkaufen sich nicht darüber informiert, was er da eigentlich hat, ist sehr gering. Gelegentlich mag das vorkommen- aber gerade diese Nazigeschichten sind bekannt, gerade im Antiquitätenhandel, da wäre es ausgesprochen dämlich vom Händler nicht selber nachzuforschen.


    Aber richtig gewitzte Händler stellen sich auch gerne mal „dumm“, und geben dem Käufer das Gefühl, dass er gerade einen unbekannten Schatz in der Hand hält, oder dass nur er, der Käufer, gerade den wahren Wert erkennt. Da werden Geschichten erzähkt/angedeutet, auch gerne mal irgendwas ganz blumig behauptet, oder erzählt, dass man das ja mal prüfennlassen könne aber als Händler hätte man soooo viel Ware und sooo wenig Zeit und daher….blablabla.


    Die Realität (zumindest bei den Händlern, die ich kenne, und ich kenne so einige…) ist, dass diese untereinander gut vernetzt sind, Jeder hat sein Spezialwissen, „man kennt sich“, und jeder hat „seine Adressen“, wo er je nach Gegenstand/Epoche nachfragt oder gegen Prozente den Anderen verkaufen lässt. Beispiel: Wenn einer, der z.B. mit Art Deco Möbeln handelt, ein Barock-Ölbild reinbekommt, passt das nicht zur anvisierten Kundschaft. Es ist dann viel schneller und teurer verkauft, wenn es beim Kollegen, der genau solche Bilder anbietet, in der Antik-Gallerie hängt, wo genau die Leute, die sowas suchen, hingehen. Und genau auf die Art und Weise wird das in der „Szene“ vielfach gehandhabt.


    Heutzutage reicht ein Handyfoto, welches man an den Kollegen oder eine Email, die man an einen befreundeten Instrumentenbauer schickt- dass ein Händler, der nur einigermassen alle Sinne beisammen hat, das nicht macht, ist ausgeschlossen.


    Ja, es werden auch mal Schätze übersehen, von unbekannten Geigenbauern, in schlechtem Zustand, blöd fotografiert/interessante Details fehlen, Spezialinstrumente, verbastelte Barockgeigen, etc., aber das kommt eher selten vor. Und ganz sicher nicht bei so einer Nazigeschichte, die jeder Händler kennt, und bei einem Namen, den man einfach googeln kann…..


  • Ich habe vor einiger Zeit,mehrere Geigen bei einem Antikhändler erworben,Da meine kleine Tochter das Geige spielen erlernen wollte,wollte ich sie überraschen.

    Was die suche nach einer günstigen alten Schülergeige angeht: ich hatte letztens eine Geige von Franz Hell bei mir und die war als Schülerinstrument absolut in Ordnung.


    Franz Hell hat um 1908 im großen Maßstab Schulgeigen hergestellt und wurde den Schulen auch von staatlicher Seite empfohlen. Eine dieser Geigen hat damals wohl 18 Mark gekostet, was inflationsbereinigt heute wohl so 500-700 Euro entspricht. Man kann seine Werbeprospekte von damals sogar noch mit google finden.


    Man findet seine Geigen oft für so 100-300 Euro bei eBay. Der Zettel ist bekannt und die Geigen haben auch einen Brandstempel. Ich glaube, wenn man wirklich ein Instrument zum Spielen sucht (und nicht zur "Schatzsuche") fährt man mit Franz Hell ganz gut. Da weiß man einigermaßen was man kauft. Aufgrund seiner Bekanntheit als Schülergeigenbauer wurde der wahrscheinlich auch nicht groß gefälscht.

  • Hallo in die Runde


    Ich spiele eine Franz Hell Geige und kann dem nur zustimmen. Ich hatte die Geige privat für 350€ gekauft, der Geigenbauer, dem ich sie zur Durchsicht gab, hat den Wert allerdings deutlich höher eingestuft.

    Der Klang ist für meine Zwecke (folk) bestens.