Geigenrätsel Nr. 6

  • Leider bin ich derzeit zu viel unterwegs, um hier oft im Forum zu sein und schöne Geigen anzusehen. Aber ich gelobe Besserung! (@Chioccola)

    In meiner Heimatstadt, wo ich derzeit auf Besuch weile, hat mich ein älterer Herr um meinen Rat gebeten. Die hier gezeigte Geige sei von seinem Großvater einmal Herrn Hamma gezeigt worden, der sie mit "das ist ganz billiges Zeug" abtat. Aber die Geige sei doch wirklich gut, und es könne sich ja auch um ein Exemplar der Klotz-Schule handeln?

    Ich konnte ihm keine großen Hoffnungen machen, denn ein "Kloz"-Zettel ist schon fast eine Garantie, dass es keine echte ist. Aber ich versprach, dies doch einmal den Experten zu zeigen.

    Also: Was ist das für eine Geige, wer könnte etwas dazu sagen? Stellvertretend herzlichen Dank.

  • Tolles Instrument hast Du da aufgerissen, lieber Hannes_F ! Kein Wunder, dass Du keine Zeit für das Forum hast😉.

    Der alte Herr ist sicher ein guter Geigenspieler alter Schule? So ist zumindest das Instrument eingerichtet mit dem recht symmetrischen (Barock)Steg. Ungewöhnlich gute, und aufwendige Reparatur an Knopf und Unterzarge, die ins böhmisch sächsische weist. Das Deckenholz ist alt und auf dem echten Büttenzettel, im klassischen Hochdruckferfahren gedruckt, mit ungewöhnlichen Randornament, sehen wir (1795?)?? Bin im Urlaub in der Bretagne, deshalb kann ich nicht nachschauen, aber ich meine ab 1783 kamen aus der Klo(t)z-Werkstatt viele gute Josef Kloz - Kopien von anderen Mittenwalder Meistern, die so eine typische Schnecke stechen konnten und ebenso eine schwach geflammte, fragile Unterzarge haben? Und der typisch gelbbraune Lack der Zeit ist voll erhalten? Kannst Du mal die UV-Lampe draufhalten? Auf dem Handy (schlechte Auflösung) sehe ich keinen Stimmriss und einen ebenso intakten Boden? Die Zarge aber mehrfach eingerissen, wie man es gelegentlich sieht, wenn eine Barockgeige mit einer neueren Saite eingerichtet ist. Die Decke ist im Stegbereich minimal abgesenkt? Können wir eine Klangprobe bekommen? 😉. Interessant wäre ein Blick ins Innere.


    Und die Maße wären noch interessant, 35,6 cm lang?


    Wenn Du das Instrument für 3000.- erworben hast könnte es ein echtes Schnäppchen sein, ich sehe den Wert bei 7000.-€ wenn sich es um eine Klotz-Werkstatt/Umfeld-Violine handelt, ein Händler könnte ohne Kritik 9-12.000.-€ verlangen, wenn das Instrument mit der schönen, angeschäfteten Schnecke in dem spielfertigen Zustand ist, wie es mir scheint.


    Wie würdest Du den Klang einordnen?

  • Ist die Zarge teilweise erneuert und der Boden eventuell überlackiert? Das wäre natürlich wertmindernd. Nicht-versenkte Reifchen würde für eine böhmische Kopie sprechen, wobei manch böhmischer Meister um 1850 sogar das schon kopiert hat. Die Mittenwalder Geigen brachten halt schon damals mehr Geld. 🤷‍♂️.

  • Siddi : ich sagte ja, dass ich einen Anschäfter sehe, also einen ersetzen Hals. Lies Dir mal alles zu „Anschäfter“ im Internet durch.


    Der Zettel ist grundsätzlich bekannt und könnte echt sein. Joseph Kloz baute eigentlich ohne Holzstifte. Diese könnten allerdings von einer der Reparaturen stammen. 35,3 cm Länge gibt es auch bei Joseph. 35,9-36,2 cm würde für einen späteren Nachbau sprechen.

  • Meiner Meinung nach ist das eine sächsische Geige- aber keinesfalls eine „billige“! Die Hölzer und die Verarbeitung sind fantastisch, das ist kein „Serien-Instrument“, sondern -meiner Meinung nach- eine sehr gute „Kopie“ eines sächsischen Meisters/einer sächsischen kleinen Werkstatt.


    Auch wenn Sachsengeigen keinen guten Ruf haben- es gab (und gibt!) auch dort sehr kompetente Geigenbauer, und die bei älteren Geigen oft einfache Qualität ist eher dem Zeitmangel (und dem Preisdruck!) zuzuschreiben als der Qualifikation der Geigenbauer. Aber auch damals gab es schon sehr gute Instrumente aus Sachsen.


    Zum Wert dieser Geige: Sofern sich nicht ein Beleg findet, der auf die Klotz-Werkstatt hinweist, liegt der Wert vor allem im Klang.

  • Die Schnecke sieht für mich eher böhmisch aus, ist aber schön gestochen. Geht die Kehlung bis ganz zum Ende hin? Die Unterzarge könnte vom Holz her vielleicht mal durchgehend gewesen sein. Ich glaube aber eher, dass sie immer schon geteilt war und nach der Reparatur der Risse unter dem Kinnhalter dann zu kurz war, so dass zwischen den beiden Zargenteilen ein Stück Holz eingepasst wurde. Oder zwischen den beiden Zargenteilen war ursprünglich ein Stück Randeinlage vertikal eingeleimt, das verloren gegangen ist und durch Ahorn ersetzt wurde.


    Die Schnecke ist angeschäftet, wie schon gesagt, und die Wirbellöcher ausgebuchst, was für ein viel gespieltes Instrument spricht. Die Geige könnte um eine Innenform gebaut worden sein. Um das genauer zu sagen, bräuchte ich noch eine frontale Draufsicht auf die Zargenecken oder Bilder von innen. Das Deckenholz ist wunderbar, das Bodenholz auch, aber zumindest der Boden sieht aus, als wäre er neu lackiert worden. Der Steg sieht aus, als wäre seine Rundung diskantseitig nachträglich nicht besonders geschickt verändert worden. Zum Zettel kann ich nichts sagen, aber vielleicht lohnt sich eine dendrochronologische Untersuchung. So feines Holz wird m.E. nicht für einfache Instrumente verwendet.

  • Meiner Meinung nach ist das eine sächsische Geige- aber keinesfalls eine „billige“! Die Hölzer und die Verarbeitung sind fantastisch, das ist kein „Serien-Instrument“, sondern -meiner Meinung nach- eine sehr gute „Kopie“ eines sächsischen Meisters/einer sächsischen kleinen Werkstatt.


    Auch wenn Sachsengeigen keinen guten Ruf haben- es gab (und gibt!) auch dort sehr kompetente Geigenbauer, und die bei älteren Geigen oft einfache Qualität ist eher dem Zeitmangel (und dem Preisdruck!) zuzuschreiben als der Qualifikation der Geigenbauer. Aber auch damals gab es schon sehr gute Instrumente aus Sachsen.


    Zum Wert dieser Geige: Sofern sich nicht ein Beleg findet, der auf die Klotz-Werkstatt hinweist, liegt der Wert vor allem im Klang.

    « Wert vor allem im Klang…..keine billige… ».


    Meiner Meinung nach liegt der Wert nicht nur im Klang sondern auch in der sehr sauberen Bauart. Man „sieht“ dass die Geige klingt und sie ist unabhängig vom Klang 3000-4000 € Wert. Wenn der Klang super ist wird sogar bis 12000.-€ bezahlt . Vorausgesetzt, es ist eine Kopie aus der Zeit. Abzüge gibts, wenn sie nicht in allen Teilen zusammen gehörig ist und für Stimmriss. Auch sächsische Violinen in der Qualität wachsen nicht auf den Bäumen.

  • Ja, da bin ich ganz deiner Meinung. Ich hätte „vor allem“ deutlicher präzisieren sollen:


    = plus Aufschlag für Alter, Optik, Verarbeitung, Zustand.


    Das war und ist ja kein Billiginstrument, und es ist gut gepflegt und kein „Kellerfund“.