Bogenübungen für schöneren, weicheren Klang

  • liebes Forum,
    ich wollte euch um ein paar Übungen für einen geschmeidigeren und sanfteren Bogenstrich fragen. Gibts vielleicht hilfreiche Übungen für den Bogen, um einen feinen, leisen und romantischen Ton für langsame Stücke zu entfalten? Danke!

  • Zuerst ist wichtig, wie die Finger am Frosch liegen. Vor allem muss der Daumen rund sein, damit die Bogenstange von einem weg zeigt und der Bogen einen guten Klang erzeugt. Das habe ich in meinen ersten Geigenstunden gelernt.


    Wichtig für einen guten (auch leisen) Ton ist, dass der Bogen ganz gerade auf der Saite läuft. Das übt man am besten mit langsamen Strichen vom Frosch bis zur Spitze und zurück auf den leeren Saiten. Dabei soll man "nach dem Ton graben", also nicht nur leicht über die Saiten streichen, sondern richtig in die Saiten reingehen. Keine Angst, wenn es am Frosch zuerst knarzt, das verschwindet später, wenn das Bogengefühl gut entwickelt ist. Hier kann man auch versuchen, eine Zeitlang am Griffbrett, dann in der Mitte zwischen Griffbrett und Steg und dann am Steg zu spielen. Jede dieser Stellen braucht unterschiedlich viel "Druck" und Bogengeschwindigkeit.


    Wenn das langsame Streichen einer Saite gut klappt, würde ich zwei Saiten gleichzeitig streichen. Wichtig ist, so langsam wie möglich zu streichen, um ein Gefühl zu entwickeln, wann der Bogen "in der Spur läuft" und wann er schief ist. Irgendwann hört man den Unterschied und spürt auch, wenn der Bogen anfängt, seitlich wegzudriften. Wenn man mit den leeren Saiten sicher ist, kommen als nächstes Tonleitern, dann Etüden usw.

  • Gute Beschreibung :thumbup: ... auch wenn ich beim Druck evtl. etwas anderes sagen würde ...

    Ich habe mich mal genau beobachtet bei sanften, warmen Tönen: Ich gebe keinen Druck auf den Bogen.

    Es reicht das reine Gewicht des Bogens. Entscheidend ist die Geschwindigkeit ... erst langsam, dann schneller

    werdend. Dabei „knarzt“ es, auch beim Anstreichen, gar nicht.


    Und ebenso wichtig ist die linke Hand, durch Vibrato kann ich am Ton „Süße“ und „Wärme“ reinbringen.

    Aber das ist hier ja evtl. nicht das Thema. :)

  • Liebes Geigerlein und lieber Fiddler,

    danke für eure Nachrichten. Ich spiele schon ein paar Jahre, deswegen habe ich eigentlich nicht mehr mit dem Knarzen, Kratzen oder Heulen zu kämpfen. Das geht schon, aber die Geige will einfach nicht "weich singen", wenn ihr versteht, was ich meine, Ich suche einen schönen, singenden Ton, bitte auch dann, wenn ich nicht vibriere und dazu bräuchte ich Übungen. Es klingt ohne Vibrato und mit normaler Geschwindigkeit und gutem Druck schon ok, aber es ist nicht der schöne, warme, weiche, singende Ton. Habt ihr vielleicht ein paar Tipps für mich? Das wäre toll!

    Bu_Ga

  • Hi, ich finde es sehr schwer, ohne dich zu hören und/ oder zu sehen. Vielleicht hast du zu viel Druck? Hast du einen Lehrer vor Ort? Es gibt auch Geigenlehrer, die online unterrichten. Das ist nicht perfekt, aber auch nicht schlecht.

    Als Buchtipp möchte ich dir "The violin lesson" von Simon Fischer hierlassen, sofern die Sprache kein Hindernis ist. Kann sein, dass es das inzwischen auch auf Deutsch gibt?

  • Liebes Geigerlein und lieber Fiddler,

    danke für eure Nachrichten. Ich spiele schon ein paar Jahre, deswegen habe ich eigentlich nicht mehr mit dem Knarzen, Kratzen oder Heulen zu kämpfen. Das geht schon, aber die Geige will einfach nicht "weich singen", wenn ihr versteht, was ich meine, Ich suche einen schönen, singenden Ton, bitte auch dann, wenn ich nicht vibriere und dazu bräuchte ich Übungen. Es klingt ohne Vibrato und mit normaler Geschwindigkeit und gutem Druck schon ok, aber es ist nicht der schöne, warme, weiche, singende Ton. Habt ihr vielleicht ein paar Tipps für mich? Das wäre toll!

    Bu_Ga

    Zuallererst muss die Geige wirklich rein gestimmt sein. Wenn man dann die Töne wirklich richtig trifft, schwingen die nicht gestrichenen Saiten mit und erzeugen so einen vielschichtigen, runden und strahlenden Klang. Wenn man nur ein bißchen danebengreift, klingt der Ton "ärmer". Vielleicht meinst Du etwas in diese Richtung?

    Es gibt auch Geigen, die eher hart oder trocken als weich und singend klingen.


    Ich würde Dich an eine:n Geigenlehrer:in verweisen. Wenn er/sie aus Deiner Geige Deinen Wunschklang herausholen kann, liegt es zumindest nicht an der Geige. Dann stelle Dich am besten direkt daneben und schaue, ob die Geige, wenn sie aus einiger Entfernung weich und süß klingt, von Nahem genau so klingt. Der Klang am Ohr ist oft anders als in größerer Entfernung. Und dann lass Dir Tips geben, was Du verändern musst, um einen ebenso schönen Klang zu erzeugen.


    Aus der Ferne können wir Dir nicht besser helfen.

  • Gute Beschreibung :thumbup: ... auch wenn ich beim Druck evtl. etwas anderes sagen würde ...

    Ich habe mich mal genau beobachtet bei sanften, warmen Tönen: Ich gebe keinen Druck auf den Bogen.

    Es reicht das reine Gewicht des Bogens. Entscheidend ist die Geschwindigkeit ... erst langsam, dann schneller

    werdend. Dabei „knarzt“ es, auch beim Anstreichen, gar nicht.


    ...

    Das stimmt, im Piano nahe am Griffbrett braucht es keinen Druck auf den Bogen. Dann klingt meine Geige aber nur leise und dünn.


    Meine Lehrerin korrigierte mich früher immer, wenn ich die ganze Zeit ohne Druck mit dem Bogen über die Saiten strich: Ich spiele nur Luftnoten, und so käme kein voller, satter Klang zustande. Lieber soll es am Frosch ein bißchen knarzen, bis ich ein besseres Bogengefühl habe, aber dafür kommt ein schöner, kräftiger Ton aus dem Instrument. Gerade erwachsene Anfänger neigen nach ihrer Erfahrung dazu, Luftnoten zu spielen.

  • Klang/Ton sind ja ein Zusammenspiel von vielen Faktoren. Einerseits das richtige Verhältnis zwischen Bogen/Saitendruck und Bogengeschwindigkeit, aber auch ob man in der Lage ist, den Bogendruck über die ganze Bogenlänge konstant zu halten bzw. zu kontrollieren.


    Dann natürlich auch die Frage, ob Kolophonium, Bogen und Instrument zusammenpassen, und ob die Instrument/Bogen/Kombination das Potential zu dem gewünschten Ton haben oder eben eher zu einer anderen Klangfarbe neigen.

  • Ha! Druck oder nicht Druck, das ist hier die Frage.

    Physikalisch betrachtet ist "Druck" = Kraft pro Fläche. Hier geht es also eigentlich um die Kraft, die von oben auf die Saite wirkt. Wie diese zustandekommt, ob durch das Gewicht des Bogens oder des Armes oder durch "Druck" (Muskelanspannung) ist *erstmal* egal. Hauptsache es ist nicht zuviel und nicht zuwenig.

    Hier folgt eine etwas vereinfachte Darstellung: Es gibt ein "magisches Viereck" aus 1. Kraft nach unten ("Druck"), 2. Lautstärke, 3. Abstand der Kontaktstelle zum Steg, 4. Streichgeschwindigkeit. Diese vier Faktoren sind NICHT gleichberechtigt, sondern es kommt zuallererst darauf an, welche Lautstärke aus musikalischen Gründen erzielt werden soll. Laut bedeutet viel Druck, leise bedeutet wenig Druck, so einfach ist das am Ende, und da gibt es kein Entrinnen. Wenn also diese beiden Faktoren erst einmal festliegen, bestimmt die Kontaktstelle dann nocht die Klangfarbe, von "gehaucht" (am Griffbrett) bis kernig (Richtung Steg) bis brilliant (nah am Steg). Die Bogengeschwindigkeit ist der letzte Faktor, der sich den anderen drei anpassen muss.

    Dieser Darstellung werden wohl einige widersprechen, weil sie denken, dass die Lautstärke vor allem von der Bogengeschwindigkeit abhängt. Zumindest habe ich das anfangs gedacht. Stimmt aber nicht; es ist ganz einfach nicht möglich mit ganz leichtem Druck laut zu spielen, egal was man anstellt.

    Ich weiß, das wirkt erst einmal etwas paradox, weil man so das Bild im Kopf hat, dass "laut" durch "schnell streichen" kommt. Davon muss man sich aber mal lösen.

    Wenn jetzt also der Druck tatsächlich der entscheidende Faktor ist, warum lehren dann Geigenlehrerinnen seit mehr als hundert Jahren, man solle "ohne Druck", stattdessen "mit Gewicht" spielen?

    Das ist psychologisch bedingt: Wenn geigenlernende Menschen das Wort "Druck" hören, passiert vielerlei: 1. Die rechte Hand greift den Bogen fester als notwendig, und das behindert diesen am Schwingen. 2. Statt mit dem Gewicht des Arms zu arbeiten (immerhin ca. 5 kg Menschenarm) und erst einmal jene Muskeln zu entspannen, die den Arm "oben halten", werden stattdessen oft jene Muskeln angespannt, die den Arm nach unten drücken. Somit arbeitet im Arm Muskel gegen Muskel. Ergebnis: Der Arm wird relativ steif (das hindert wieder den Bogen am Klingen), und ergonomisch ist das Ganze auch nicht. Man hält es nicht lange durch.

    Und genau deswegen predigen Geigenlehrer und Professoren seit ewigen Zeiten: "Spiele nicht mit Druck, sondern mit Armgewicht".

    Was gewünscht ist, ist also, technisch ausgedrückt, Folgendes: Der Arm soll durch die variable Entspannung jener Muskeln, die ihn hochhalten (vor allem des Trizeps) der Schwerkraft nach unten hin folgen, die sich letztlich auf die Kontaktstelle auswirkt. Physikalisch ist das "Druck", aber aus psychologisch-physiologischen Gründen spricht man von "Gewicht".

    Aus dem obigen ergibt sich, dass der Schwerkraftfaktor von Saite zu Saite unterschiedlich stark wirkt. Bei der E-Saite kann es durchaus vorkommen, dass man den rechten Arm zusätzlich muskulär nach links drücken muss (Richtung Geige), dass der notwendige physikalische Druck entsteht. Das "Gewicht" hilft hier hauptsächlich in Abstrichrichtung, und ganz ohne "Druck" würde der Bogen von den Saiten quasi wegfallen. Dieser physikalische "Druck" entsteht hier hauptsächlich durch die Einwärtsdrehung des rechten Handgelenks.

    Ich hoffe, das alles hilft ein bisschen bei der Einordnung! Wenn Fragen sind, gerne nachfragen.

  • Vielen Dank an alle, die mir so detailliert und einfühlsam geantwortet haben. Danke! Ich habe aus euren Antworten, nachfragen bei meiner Lehrerin und Recherche folgende Erkenntnisse:

    Ich bin bei meinem Bogengriff viel zu verspannt in den Fingern und habe nicht wirklich das Gefühl, dass der Bogen gut in meiner Hand liegt. Das führt dazu, dass ich mich verkrampfe und dann auch krampfig spiele.

    Die Fingermuskulatur ist gleichzeitig aber auch zu schwach und ich habe wohl noch zu wenig Bogenkontrolle im Arm auf ganz langsamen Strichen. Deswegen arbeite ich jetzt an beidem, logisch nicht gleichzeitig und ich spüre schon eine kleine Verbesserung.

    Meine Übungen sind derweil noch ziemlich Basics, aber das schadet ganz bestimmt nicht: mit den Fingern den Bogen rauf und runterkrabbeln, Lockerungsübungen, Bogenstrich 1 min. lang, fast unerträglich langsam streichen, ganz schnell, Martele-Striche auf einem Strich und dazwischen imm wieder die Hand entspannen.

    Wenn ihr noch weitere solche Übungen kennt, nur her damit. Vielen Dank und liebe Grüße Bu_Ga