Wie kann man den Klang einer Violine testen und vergleichen? (oder teilweise messen?)

  • Musikerscherz beim Anspielen von Instrumenten: Soll ich für den Ankauf spielen oder für den Verkauf? :)8o

    Spaß beiseite (obwohl da viel Wahres dran ist), es gibt neben der ganzen Subjektivität auch einige objektive Kriterien, (jedenfalls wenn es um den Ankauf geht, ha!):

    1. Das menschliche Klanggedächtnis ist sehr kurzlebig - nach ca. 15 Sekunden oder so haben wir uns auf einen bestimmten Klang eingestellt und andere, länger zurückliegenden Klangereignisse vergessen.
    2. Daraus folgt, dass man Geigen am Besten immer nur kurz anspielen sollte, um sie danach direkt mit einer Referenzgeige zu vergleichen. Langes Nudeln bringt in Bezug auf Objektivität wenig.
    3. Am Besten vergleicht man auch immer nur saitenweise, also eine kleine Tonleiter auf der G-Saite der Referenzgeige, dann diesebe Tonleiter auf der zu prüfenden Geige, dann dasselbe auf der D-Saite, usw.

    Das alleine bringt mir persönlich schonmal sehr viel Übersicht. Darauf aufbauend gehe ich ins Detail:
    4. Wie ist die Ansprache bei schnellen Tönen, leisen Tönen?
    5. Wie ausgeglichen ist die Geige von Ton zu Ton, von Saite zu Saite?
    6. Gibt es Wolfstöne, erstmal oben auf der G-Saite, aber auch auf D- und E-Saiten? bzw. entsprechend bei Bratsche und Cello auf der C-Saite weiter oben und dann auf den G- und D-Saiten?
    7. Wie laut/kräftig ist die Geige insgesamt?

    Dann gibt es Feinheiten, wenn es sich um ein ernsthaftes Instrument für feine Arbeit handeln soll:

    8. Wie rauschfrei ist der Ton, besonders in den hohen Lagen auf der E-Saite?
    9. Wie gut sind die mittleren Saiten im Vergleich zu den äußeren Saiten? Geigen mit guter G- und guter E-Saite gibt es eher schonmal, aber gut klingende und singende D-Saiten sind z.B. eher selten - und daher um so wertvoller.
    10. Wie reagiert das Instrument auf Vibrato? Entsteht nur ein Tonhöhenvibrato, oder auch ein Klangfarbenvibrato, das dem Instrument eine eher dreidimensionale Ausdrucksfähigkeit verleiht.

    Darüber hinaus gibt es nicht zu vernachlässigende mechanisch- technische Kriterien. Diese können notfalls korrigiert werden, was aber Zeit, Geld und Wissen voraussetzt:
    11. Stimmt die Saitenlage? Diese wird bestimmt durch a) den Halswinkel, b) die Steghöhe, c) die Höhe am Obersattel, d) die konkave Form des Griffbretts. Achtung: die "Konkavität" des Griffbretts sollte nicht für alle Saiten gleich sein, sondern für die unteren Saiten größer als für die oberen Saiten.
    12. Stimmt die Stegrundung?
    13. Wie gut halten die Wirbel?

    Geigen testen für den Verkauf:
    Vergiss die obige Liste und schwelge in den sattesten romantischen Konzertpassagen, die Du drauf hast. Faustregel: Je mehr Tschaikowsky und Sibelius, desto besser.

    Akustik: Auch da kommt es wieder darauf an. Für den Ankauf in einer eher trockenen Akustik testen, für den Verkauf darf es möglichst hallig sein. Hohe Deckenhöhe schmeichelt jeder Geige.

    Kleine Anekdote: Ich habe mal einer Freundin, die nach eigenen Angaben überhaupt nichts von Musik versteht, etwa 12 Geigen im Wert zwischen 300 und 15.000 EUR nach der Methode 1 - 3 vorgespielt. Nach jeder einzelnen Geige beteuerte sie, überhaupt keine Ahnung zu haben und keine Unterschiede hören zu können. Trotzdem rang ich ihr jedesmal eine Entscheidung ab ("Ist die D-Saite besser oder die?" "Keine Ahnung". "Macht nichts, sag einfach". "OK, die erste" usw.)

    Am Ende lagen - ungelogen, alle Geigen in der richtigen Reihenfolge da, bis auf einen einzigen Platztausch in den unteren Rängen.


  • Der Klang meiner tschechischen Geige ist ausgewogen, und sie vibriert auch ziemlich stark. Allerdings hab ich sie noch nicht aus der Ferne in einem Saal gehört. Und ihre Lautstärke hab ich auch nicht gemessen. Gibt es dafür einfache Messgeräte abalon?


    Zur Hängesaite:

    Meinen "schwierigen Fall" hab ich mit einer Kevlar-Hängesaite ausgestattet, und die Geige hat m.E. ordentlich Obertöne, was vielleicht auch an den Brillant-Vintage-Saiten liegt. Die 3/4-Geige meiner Oma hab ich grad wieder eingerichtet; sie hat die Standard-Plastik-Hängesaite des Wittner-Feinstimm-Saitenhalters und Evah Pirazzi und klingt damit laut, voll und auf alle Fälle auch mit hörbaren Obertönen. Wie misst Du die Stärke der Obertöne abalon? Wenn nicht mit einem Gerät, dann durch Hören? In welcher Entfernung?

    Mein Geigenbauer meinte, grad die Kevlar-Hängesaiten verbessern den Klang durch eine Verstärkung der Obertöne deutlich.

  • Für die Lautstärkenmessung habe ich auf dem Handy eine APP und habe mir zusätzlich ein Micro gekauft Entfernung ca. 1m.

    Die Obertöne leite ich am Ohr ob man hört wenn in der Geige noch ein kleines Orchester den gespielten Ton begleitet und umhült. Anschließend im Kleinen Saal wenn mein Kind spielt aus der Entfernung.

    Hier wird schnell deutlich ob die Obertöne die Klangfarbe der Geige die geltung bringt oder nicht.

    Obertöne begleiten also den Grundton der gespielt wird und erzeugt somit ein Klangspektrum.Bei Geigen die das nicht haben oder aber der begleitton alles anderes ist als Harmonisch, finden wir eben Klanglich auch nicht schön.

    Der Anteil der Obertöne am Gesamtspektrum und die daraus resultierende Klangfarbe kann durch Worte wie Brillanz, Schärfe, Reinheit, Dumpfheit u. a. beschrieben werden. "Zitat Wikepedia"

    Wer mal eine wirklich besonders Gute Geige am Ohr hatte hat das Gefühl das er mit dem Grundton eine vielzahl von begleit Tönen geweckt hat der dem Ton eine lebedigkeit gibt. Am schönsten merkt man das am folgen Beispiel: Wir nehmen eine sehr lange nicht gespielte Geige mit neuen Seiten. Irgend eine kommt meist recht schnell in Stimmung die anderen folgen dann nach und nach. Die Geige hört sich Platt an und braucht ein wenig bis alle teile das Schwingen erlernt haben. Jetzt fängt es an spannend zu werden. Während am beginn der Ton sich klanglich nicht besonders lange gehalten hat bemerken wir das sich was verändert. Kurzes quelen auf der andern Seite vom Steg und dann sofort zurück zur normalen position, hier zeigt die Geige für einen kurzen moment was wir noch zu erwarten haben oder eben auch nicht, wenn die Geige Richtig eingespielt ist.

    Das ganze ist natürlich kein hexenwerk sondern tiefste Physik. Und maches ist eben wie es ist.:thumbup:

  • Es ist immer schwierig, eine Geige klanglich zu beurteilen. Ich werde meine Aspekte, Parameter und Überlegungen in mehreren Punkten beschreiben. Hoffentlich habe ich nichts vergessen.

    • Ich finde, dass ein guter Klang hauptsächlich subjektiv ist. (Natürlich gibt's Geigen, die niemanden gefallen, weil sie wirklich nicht toll sind.) Objektiv - z.B. die Ansprache muss gut sein.

    1. Das menschliche Klanggedächtnis ist sehr kurzlebig - nach ca. 15 Sekunden oder so haben wir uns auf einen bestimmten Klang eingestellt und andere, länger zurückliegenden Klangereignisse vergessen.
    2. Daraus folgt, dass man Geigen am Besten immer nur kurz anspielen sollte, um sie danach direkt mit einer Referenzgeige zu vergleichen. Langes Nudeln bringt in Bezug auf Objektivität wenig.
    3. Am Besten vergleicht man auch immer nur saitenweise, also eine kleine Tonleiter auf der G-Saite der Referenzgeige, dann diesebe Tonleiter auf der zu prüfenden Geige, dann dasselbe auf der D-Saite, usw.

    Ich bin mit Hannes_F einverstanden, dass man die Geigen nur kurz und saitenweise anspielen soll.

    • Testen: leeren Saiten, Tonleiter, ein Paar Akkorde, leise spielen (das mache ich öfter mit einer Etüde, die dafür ganz gut geeignet ist), laut spielen, auf der G-Saite in den höheren Lagen (Wolfstöne suchen; z.B. Saint-Saens: h-Moll Konzert, Anfang 1. Satz) - das Gleiche auf anderen Saiten etc. Alle Saiten sollen ausgeglichen klingen, die gleiche Lautstärke haben - d.h. eine Saite soll nicht schreien und eine Andere nur flüstern.
    • Die Geige soll nicht nur laut sondern auch leise eine gute Ansprache haben - sie soll beim leisen Spiel nicht zu viel Rausch haben.
    • 2 Geigen soll man also immer mit dem gleichen Stück und mit dem gleichen Bogen vergleichen. Wenn ich mehrere Geigen vergleiche, mache ich viele kleine Einheiten, aber immer in einer anderen Geigenreihenfolge.
    • weitere Faktoren, die die Beurteilung schwieriger machen: Jeder hat andere Ansprüche, andere Spieltechnik, andere Klangvorstellung...
    • Raum (Akustik): Ich finde wichtig, dass ich die Geige in einem Raum ausprobiere, indem ich oft übe (mein Zimmer). Da kann ich am besten beurteilen, wie die Geige ist. Dann probiere ich die Geige unter freiem Himmel aus - hier beeinflusst die Akustik wirklich nichts. Danach probiere ich die Geige in einem größeren Saal (Konzertsaal) aus.
    • Setup: Eine Geige kann gut klingen, aber die Stegrundung/Saitenhöhe/Saitenabstände/etc. kann schlecht für mich sein. Wenn die Geige mir gut gefällt, würde ich sie trotzdem nehmen. Man kann ja einen neuen Steg anfertigen (lassen).
      Es kann aber auch umgekehrt sein - die Geige ist super eingerichtet, super angenehm, hat aber einen schlechten Klang. Den würde ich nicht nehmen. Ich würde evtl. nachfragen, wer die Geige eingerichtet hat. ;)
  • ich bin zwar Geigenneuling - lerne nun seit 2 Jahren sehr intensiv mit Unterricht und hohem Lernpensum zuHause - denke aber das das richtig sein könnte ...:


    Mir fallen aus meiner subjektiven Sicht noch zwei wesentliche zusätzliche Punkte zum Klang der Geige ein


    1) Entwicklung und Veränderung des eigenen Geschmacks: Da ich da etwas verrückt bin habe mir in den zwei Jahren schon einige Geigen gekauft, sie vom Geigenbauer aufbereiten lassen und eine Weile gespielt. Dann wieder verkauft und so weiter. Heute weine ich einigen Stücken schon nach, weil sich zwar evtl. mein Ton durch das Lernen natürlich verändert ich aber insbesondere einen ganz anderen Geschmack habe. Aktuell habe ich zum Beispiel meinen Favoriten, schon etwas teurer - den ich vor einem Jahr nicht hätte haben wollen.


    2) EInfluss des Geigers auf den Klang: Wenn ich an z.B. den Vergleich einer 69$-Geige mit einer Stradivari von Ray Chen auf youtube denke (https://www.youtube.com/watch?v=Bd40IQaLAzE&t=199s) ... sollte ich jemals aus einer guten Geige einen Ton rausbekommen wie Ray Chen aus dem 69$-VSO ( violin shaped object ) wäre ein grosses Ziel erreicht. Solche Vergleiche gibt es ja etliche ( z.B. auch von twosetviolin: https://www.youtube.com/watch?v=IuLDw9m_4fg) Oder ein anderer Vergleich: Meine aktuelle Geige klingt vom Geigenbauer gespielt ganz anders als vom Geigenlehrer ( mit gleichem Bogen ).