Neu hier, 3 Geigen: Stimmriss, Bassbalken-Riss und Anschäften

  • Den wurm-durchlöcherten Unterklotz würde ich als erstes entfernen. Wenn Decke und/oder Zarge darunter auch Wurmlöcher haben, würde ich die Geige erst mal vorsichtig mit Hitze (Fön) oder Kälte (Gefriertruhe) behandeln, um die potentiell noch vorhandenen Wurmeier abzutöten. Es gäbe auch noch die Variante, die Geige in einer Tüte, in die Du oft hineingeatmet hast, um den Sauerstoffgehalt zu minimieren, eine Weile zu lagern. Das ist aber, glaub ich, nicht so sicher.


    Als nächstes würde ich die offenen Risse leimen und die stabilen Risse mit feuchtem Papier oder einem feuchten Lappen abreiben, um den überschüssigen Leim auf der Decken-Innenseite zu entfernen. Das kann man auch vorsichtig mit einem Stechbeitel oder der Ziehklinge machen, allerdings müsste man vorher die wirklich sehr großen und zahlreichen Belege abstechen. Du könntest versuchen, die vielen Holzbelege durch weniger Pergamentbelege zu ersetzen. Belege brauchst Du an den Stellen, die stark schwingen, also vor allem an den F-Löchern sowie am Riss-Ende. Wenn es einen Riss gibt, der vom Untersattel in Richtung Stimmbereich geht, sichert man ihn mit einem Beleg am oberen Ende, so dass er hoffentlich nicht zum Stimmriss wird.


    Deine Geige hat einen Stimmriss, und es sieht nicht so aus, als wäre er ordentlich gefüttert. Diesen großen Beleg musst Du also auf jeden Fall entfernen, um den Stimmriss füttern zu können.


    Ansonsten kannst Du auch schon mit warmem Wasser die Splitter, die noch von der Deckeninnenseite an den Zargen kleben, ablösen und wieder auf die Decke leimen. Einen neuen Unterklotz kannst Du theoretisch auch schon machen.

  • Die Aufschrift heißt: Mihály Zákányi hat sie am 15.02.1995 in Nagyatád repariert. Er ist anscheinend ein Volksmusiker (Gesang, Zimbal, Geige).

    geigerlein: Student hat es mir dankenswerter Weise übersetzt.

    Herr Zákányi war wohl mächtig stolz auf seine Reparatur ;)

    Das unterm Zettel scheint auch von ihm oder einer Verwandtschaft zu stammen...
    ...steht da Wien? Die Jahreszahl könnte 1950 sein.

    Und danke für Deine Hilfe - ich werde gleich mal die Splitter abnehmen und an die Decke leimen damit ich sie nicht versehentlich beim Rausnehmen des Unterklotzes abbreche.

    Dann entferne ich den Unterklotz und falls darunter auch Wurmfraß zu sehen ist ... wäre auch ein Saunagang mit Geige möglich?

    Und richtig, der Stimmriss ist nicht gefüttert, daher bewegt er sich auch auf der Oberseite bei den F-Löchern obwohl alles an Leim noch hält, da ist eindeutig Luft dazwischen.

    Die Idee, die Belege durch Pergamentbelege zu ersetzen, gefällt mir. Ich würde mir bei den stabilen Rissen einfach einen Beleg nach dem anderen vornehmen.

    Ganzschön berührend, zum ersten Mal das Innenleben dieses Instrumentes zu sehen...

  • oh, Norbert V : ich hab versehentlich geigerlein geantwortet: Students Übersetzung der Inschrift steht in vorigem Post als Zitat.

    Die Deckenstärke kann ich nur ertasten da ich kein Messgerät habe, sie beträgt in der Mitte aber mit Sicherheit deutlich weniger als 3mm, möglicher Weise an manchen Stellen sogar weniger als 2mm

  • Fedele In die Saune würde ich nicht mit der Geige gehen. Durch die feuchte Wärme könnten sich die Verleimungen lösen und das Holz aufquellen. Bei einer meiner Geigen habe ich die Wurmlöcher und Umgebung von innen geföhnt, bis das Holz richtig warm war. Achtung, das kann den Lack beschädigen. Bei einer anderen Geige, die nur ein Wurmloch hatte, habe ich mit einer Einwegspritze Isopropanol ins Wurmloch gespritzt.

  • Das mit der Übersetzung von Student hatte ich wieder vergessen.

    Wenn die Decke sehr dünn ist, würde ich auch größere und stabilere Belege verwenden, als gewöhnlich. Mit Pergament kenn ich mich nicht aus. Habe es noch nicht verwendet, da ich ein wenig Bedenken wegen der Schrumpfung beim Trocknen habe. Aber es gibt einige, die davon begeistert sind.

    Wegen dem Wurmfrass: Waren im Inneren frische Fressspäne zu sehen? Wenn nicht, dann würde ich erstmal alles gut reinigen, die Wurmlöcher mit Pressluft (nicht zu viel Druck) ausblasen und das dann mal beobachten. Vielleicht ist der Wurm ja schon lange tot.

  • Ich persönlich würde eher die Gefriertruhe nehmen, oder noch ein paar Wochen warten, und die Geige in ein paar Frostnächten draussen übernachten lassen. Das Holz wird dann langsamer in der Temperatur geändert und kann sich besser anpassen als mit dem Fön, und es wird auch das gesamte Instrument und nicht nur lokal behandelt, es kommt also nicht zu Temperaturunterschieden innerhalb des Instrumentes. Mit dem Fön/Wärme kannst Du auch ungewollt Leimverbindungen lösen.

  • In die Saune würde ich nicht mit der Geige gehen. Durch die feuchte Wärme könnten sich die Verleimungen lösen und das Holz aufquellen.

    ... stimmt, ich würde die Geige ja auch nie im Auto liegen lassen.... hab ich so nicht bedacht, macht Sinn!


    Wenn die Decke sehr dünn ist, würde ich auch größere und stabilere Belege verwenden, als gewöhnlich. Mit Pergament kenn ich mich nicht aus. Habe es noch nicht verwendet, da ich ein wenig Bedenken wegen der Schrumpfung beim Trocknen habe.

    Danke - ja, das werde ich beim Stimmriss machen - Herr Zákányi hat bestimmt nicht zufällig so großzügig unterlegt, wenn auch sonst einiges dem Zufall überlassen scheint... oder der Logik eines Tischlers, der auf Nummer sicher gehen möchte.

    Das mit dem Pergament wage ich bei den kleineren Rissen - hab schon kleine, speziell dafür produzierte extra dünne und kreisrund gestanzte Plättchen gekauft. R ein gefühlsmäßig spricht nichts dagegen und alles ist besser als die quer zur Faser verleimten Belege.

    Wegen dem Wurmfrass: Waren im Inneren frische Fressspäne zu sehen? Wenn nicht, dann würde ich erstmal alles gut reinigen, die Wurmlöcher mit Pressluft (nicht zu viel Druck) ausblasen und das dann mal beobachten. Vielleicht ist der Wurm ja schon lange tot.

    Hmmm... Nein, frische Fresspäne waren keine zu sehen.
    Ein bisserl wundert es mich auch, dass der Gang an der Oberfläche liegt... eventeull wurde ein bereits angeknabbertes Stück Holz verarbeitet? Ich werde es erstmal säubern und beobachten bevor ich hier was ändere.

    Ich persönlich würde eher die Gefriertruhe nehmen, oder noch ein paar Wochen warten, und die Geige in ein paar Frostnächten draussen übernachten lassen. Das Holz wird dann langsamer in der Temperatur geändert und kann sich besser anpassen als mit dem Fön

    ... klingt auch gut.
    Nachdem es nicht eilt, da ich eh an der Decke genug zu tun hab, werde ich erstmal beobachten und im Falle des Befalls die nächsten frostigen Nächte nutzen.

    Vielen Dank euch für all die guten Ratschläge!

  • Hannes_F , ich hab mehrmals wo gelesen, dass die Faserung parallel ausgerichtet werden soll um die Klangeigenschaften möglichst wenig zu beeinflussen, daher war ich mir bis zu deiner Frage sicher. Ob es tatsächlich stimmt, weiß ich allerdings nicht. Der Logik hinsichtlich Stabilität folgend hätt ichs auch quer gemacht.... ich habs jetzt nicht weiter hinterfragt... vielleciht ists ja wie so vieles anderes auch nur Aberglaube?
    Wer kann das genauer beantworten?

  • Die Frage ist meiner Meinung nach berechtigt. Grundsätzlich hat keine der berühmten Geigenbauerschulen in England, Frankreich, Deutschland oder Italien Pergamentbelege auf dem Lehrplan. Alle arbeiten mit klassischen, möglichst kleinen Holzbelegen quer zum Riss. Warum sollte man grundsätzlich auch ein weiteres Material mit andere Elastizität und Schwingung freiwillig auf/in die Geigendecke einbringen? In der Praxis kamen allerdings Pergamentbelege in den letzten 300 Jahren immer wieder vor.


    Anderes sieht es bei Deckenfuttern aus. Zur Zeit wird die ovale Form mit parallelem (möglichst gleiche Jahresringabstände) Jahresringverlauf bevorzugt. Manche Geigenbauer wählen auch den Jahresring Verlauf im Futter leicht versetzt (also schräg) zum Jahresring Verlauf der Decke. Ein quer verlaufendes Fichtenholz-Futter ist mir noch nicht begegnet, aber diverse Hartholz/Ahorn-Deckenfutterkonstruktionen. (Letzteres wohl meistens von Autodidakten oder wenn es schnell gehen soll).


    Nach meiner Erfahrung ist es wichtig, dass der Riss grundsätzlich sehr sauber und bündig geklebt ist. Im Idealfall sieht man ihn von außen der Decken nicht an. In der Praxis ist das bei schlecht geklebten, verbeizten Rissen nicht mehr möglich. Es gibt aber verschiedene Möglichkeiten die Risse zu öffnen, zu reinigen, und mit diversen Klammer- oder Klötzchenkonstruktionen zu zuziehen.


    Grundsätzlich ist ein Geigenfutter ein viel tiefere Eingriff in die Physik der Geigendecke und ihrer Schwingungseigenschaft als ein kleiner Rissbeleg. Wie die Bilder in der Anlage zeigen gibt es auch Hybridkonstruktionen aus Rissbelegen und Futtern. Gerade bei sehr alten und wertvollen Instrumenten finden sich oft sehr viele Aufdoublierungen und Belege. Ob die Klangeigenschaften dieser Instrumente noch viel mit dem ursprünglichen Instrument zu tun hat lässt sich leider nicht mehr Prüfen.


    Ich persönlich habe derzeit mehr Vertrauen in saubere, handgespaltene Rissbelege und Futter aus sehr lange (35 Jahre) abgelagerter feinjähriger Fichte als in Pergament. Eine erschöpfende wissenschaftliche Abhandlung zu dem Thema ist mir jedoch nicht bekannt.