Wer oder was ich bin, tut für mich da nix zur Sache. Das ist bei mir etwas komplizierter, hat wirklich nichts mit Erziehung zutun, aber das will und muss ich hier nicht erklären. Nicht, weil ich ein Problem damit hätte oder es irgendwie wehtut, ich für mich verpasste Chancen sehe oder was auch immer da so an Ideen und Ferndiagnosen kommt (das kann ich alles für mich verneinen), sondern weil das einfach nicht in ein Musikerforum gehört. Und weil ich auch nicht den Eindruck habe, dass ich Dir bisher nahebringen konnte, dass es eben nicht ganz so einfach ist mit der Lateralität. Ich versuche es noch ein letztes Mal:
Du hast Recht, man ist links- oder rechtshändig (und es gibt sehr wenige Menschen, die beidhändig sind oder es zumindest erscheinen). Wie sehr diese Lateralität ausgeprägt ist, ist unterschiedlich. Sprich, der eine Rechtshänder kann Vieles auch mit links, ohne „gestört“ zu sein, ein anderer Rechtshänder kann es nicht. Bei Linkshändern ist es ganz genauso. Tests wie Klatschen, Arme übereinanderschlagen etc. sind keine spezifischen Feinmotoriktest, und können außer auf die Händigkeit auch einfach auf eine starke Körperseitendominanz -die nicht immer mit der Händigkeit übereinstimmen muss!- hinweisen bzw. von dieser für diese spezifische Tätigkeit „überschrieben“ werden. Nicht jeder Rechtshänder hat einen dominanten rechten Fuß (und bei Sportarten wie Eishockey, wo die Beinarbeit und die Ganzkörper-Schnelligkeit und Wendigkeit eine Rolle spielen, kann das auch mal über die Händigkeit dominieren). Weiterhin kann es individuelle anatomische oder perzeptive Gründe geben, warum eine Seite für bestimmte Tätigkeit benutzt wird (oder ein Sport auf eine bestimmte Weise ausgeübt wird). Daher ist es ganz unterschiedlich, wie sich die Lateralität im Alltag zeigt und dort ausgeprägt ist, und ob jemand Störungen entwickelt, sich gebremst fühlt etc. Bei beidhändigen oder beidhändig erscheinenden Menschen ist diese Lateralität im Alltag eben fast nicht sichtbar, auch wenn sie im Gehirn Links-oder Rechtshänder sind. Aus diesen Gründen ist es meiner Meinung nach nicht valide, Menschen, die bei manchen „Tests“ nicht absolut typisch rechtshändig reagieren, als Linkshänder einzuordnen („das ist Erziehung“). Dann müsste man entsprechend reagierende Linkshänder ja als Rechtshänder einordnen, das ist natürlich genauso wenig richtig. Dass es viele umerzogene Linkshänder gibt, dass es Probleme geben kann und oft gibt, ist absolut richtig.
Dass diese Kategorien im Hirn festgelegt sind, ist auch richtig. Dass der Eine aber weniger und der Andere mehr -oder auch gar nicht beeinträchtigt ist bzw. sich nicht beeinträchtigt fühlt ist aber auch Fakt. Eben weil die Fähigkeiten der nicht-dominante Hand bzw. im Ergebnis der praktisch resultierende Unterschied der beiden Hände (und das meine ich mit der Lateralität bzw. deren praktischer Ausprägung) individuell unterschiedlich sind, und damit ein Spektrum entsteht. Daher entwickeln manche Menschen sichtbare Störungen und sind beeinträchtigt (die übrigens nicht nur durch die Händigkeit ausgelöst sein müssen, sondern lediglich korreliert sind oder durch diese verstärkt werden können und damit erst sichtbar werden) und andere nicht, und letztere fühlen sich dann vielleicht auch nicht beeinträchtigt. In diesen Fällen muss man dann auch keine Probleme sehen, wo keine sind (oder sie gelöst wurden). Das ist dann auch nicht „Verdrängung“, „ihr wisst es nur nicht“, „was ihr für Chancen verpasst habt, wenn ihr nur linkshändig...“ und ähnlichen Sachen, und man braucht dann auch keine „Heilung“ bringen, wo gar keine Krankheit besteht. Diese Fälle gibt es natürlich auch zuhauf, und es ist gut, wenn vor allem Lehrer da sensibel sind.