rätselhafte Violine

  • Dass es den Westen dadurch so gut ging habe ich überspitzt formuliert...! Das ist ja eher politisch begründet gewesen.


    Ich meinte damit, dass über Quelle, Woolworth etc. sehr billig Qualitätsprodukte zu haben waren, von Handtüchern bis zur Schrankwand, Waschmaschinen, Uhren,... und da hatte die „breite Masse“ sehr wohl was davon: Nämlich gute Ware zu billigen Preisen, sprich, ein -im Vergleich zum Osten- sehr hohen Lebensstandard auch bei -im Vergleich zu Landsleuten- niedrigem Einkommen und niedriger sozialer Schicht.


    Das meinte ich mit „dem Westen ging es gut“. Der „breiten Masse“, dem „kleinen Mann“ ging es im Westen deutlich besser als im Osten. Er konnte sich für (relativ) wenig Geld eine Waschmaschine kaufen. Im Osten ging das nicht. Es gab nämlich keine zu kaufen. Meine Familie hatte teilweise keine Waschmaschine, bis zur Wende. Da wurde die Wäsche im Waschzuber gewaschen, der mit Holz angeheizt wurde. Ein Boiler? Gab es nicht. Der Badofen wurde auch mit Holz angefeuert. Herd? Gemauerter Holzofen, schmiedeeiserne Ringe, die man je nach Topfgrösse rausnehmen konnte, so dass der Topf überm Feuer klemmte. Das war Technik wie vor 200 Jahren... natürlich war das nicht bei allen Leuten so! Aber Aussentoiletten, Holz/Kohleöfen und Warenmangel waren eher die Regel als die Ausnahme- daher wollten ja alle in die „Neubaugebiete“ (Plattenbau) ziehen.


    Die Jugendstilvilla mit Kohleofen aus Meissner Porzellankacheln ist nur toll, wenn der Ofen nicht die einzige Wärmequelle ist, das Dach dicht ist (der von uns 1982(!!!) beauftragte Dachdecker ist bis zur Wende nicht erschienen!!!) und man nicht nach jedem Regen die Zinkwannen auf dem Dachboden leeren muss, und man nicht nachts durchs Treppenhaus aufs Klo gehen muss.


    Und das war in Altbauten NORMAL.

  • Damals wäre ich auch lieber in den Plattenbau gezogen, als in der unsanierten Altbauwohnung zu hausen. Da hätte ich mir im Winter sicher den Tod geholt.
    Dass die Westdeutschen ein materiell viel angenehmeres Leben hatten, steht außer Frage, aber das soziale Miteinander soll in der DDR besser gewesen sein. Viele Menschen der neuen Bundesländer wünschen sich ja die DDR zurück.


    Übrigens....wir sind ziemlich off-topic?

  • Nein, macht nix.


    ich bin über das „wir haben auf Kosten der DDR gut im Westen gelebt“ gestolpert.


    Ist es nicht so, dass die DDR schon viel eher pleite gewesen wäre, wenn das System „Geld gegen Freiheit“
    nicht Milliarden von der BRD in die DDR gespült hätte?

  • Das „System“, natürlich! Das hat ja sogar politische Gefangene an den Westen verkauft.


    Beim kleinen Bürger kam aber nix an...


    Ich empfehle immer das Buch „Wir sind doch nicht die Meckerecke der Nation! Briefe an das Fernsehen der DDR“, leider nur noch antiquarisch zu bekommen. Es ist eine umfangreiche Sammlung von Briefen, die DDR-Bürger an das Fernsehen schrieben, um vielleicht dort Hilfe zu finden. Es klingt zwar nach Extremfällen, aber aus meiner Erfahrung bildet diese sehr umfangreiche Sammlung die damalige Realität vieler Bürger sehr gut ab.


    Und nein, natürlich ist der Westen nicht „schuld“ am politischen System der DDR, und der „kleine Bürger“ im Westen erst recht nicht. Der ist ja nicht in die DDR gefahren und hat dort Hamsterkäufe getätigt, im Gegenteil, der wusste doch meist gar nicht, wo die Ware herkam.


    Nur: In der BRD hergestellte Ware wäre deutlich teurer gewesen, und dann hätte sich nicht jeder diesen Lebensstandard leisten können. Das hat nix mit „Schuld“ zutun, es war eben das System, und zwar das ostdeutsche.


  • Nur: In der BRD hergestellte Ware wäre deutlich teurer gewesen, und dann hätte sich nicht jeder diesen Lebensstandard leisten können.


    Dann hätte man die Produkte in Ungarn, Tschechien, Rumänien gekauft. Lieferungen aus der DDR gehörten aber
    ebenfalls zum „Deal“, um Devisen zu beschaffen. Der BRD war aus politischen Gründen an einer Beziehung gelegen,
    klar waren die Sachen billig, aber nicht billiger als aus anderen Ländern.


    Die „Schuldfrage“ ist im Bezug auf heutige Ausgleichs-Zahlungen schon interessant. Aber letztlich war es halt einfach „Pech“
    in der DDR aufgewachsen zu sein. Totalitäre Systeme wie in China oder Nordkorea leben davon, dass der Großteil der Menschen
    mitmacht und mit Indoktrination und psychischem Druck funktioniert das auch. So ist der Mensch.

  • Der "Westen" hat meiner Meinung nach jedenfalls nicht schuld am System der DDR. Und der Druck war nicht nur psychisch- das letzte Todesurteil wurde in der DDR 1984 in Dresden vollstreckt, und zwar an einem, der ausreisen wollte...war leider ein Stasi-Mann, der wusste zuviel.


    Folter und Misshandlung war für politische Gefangene normal, überraschende Zwangsadoptionen gab es auch- da kommt die Mama in den Kindergarten und das Kind ist einfach weg. Das war also nicht nur "psychischer" Druck, sondern eine reale Gefahr. Meine Eltern hatten mit Freunden und verwandten untereinander ein "Absprachesystem", um uns in Sicherheit zu bringen falls sie "abgeführt" werden sollten. Das ist in Nordkorea aber sicher noch einen Zacken schlimmer.


    Vielleicht hätte man die Produkte auch woanders herbekommen (bei Instrumenten unterschied sich aber schon die tschechische Qualität von der ostdeutschen sehr deutlich, und Richtung Ungarn etc. war das damals noch schlimmer- heute ist das ganz anders!), trotzdem wurden sie eben von der BRD bzw. dortigen Unternehmern in der DDR gekauft. Es ist die gleiche Frage wie heute: Sind wir mitschuldig an den Zuständen in den Fabriken der 3. Welt und an Kinderarbeit, weil wir unsere Produkte so billig kaufen wollen?