Bitte um Einschätzung

  • Einen wunderschönen Sonntag allerseits,


    ich möchte mich an euch Geigenkenner mit einem eher ungewöhnlichen Problem wenden. Ich habe in der Bucht eine Geige ersteigert, weil mein Mann mir ein Theremin in eine Geige einbauen möchte. Wir finden die Idee witzig und ich Frevlerin dachte mir, dann kauf ich eben irgendein altes billiges Ding und das wird dann *räusper* ordentlich geschrubbt, witzig angemalt und verbaut. Dann bekommt es ein zweites Musikinstrumentenleben geschenkt.


    Nun wollte ich vorhin diese Geige munter unter in der Spüle abschrubben, da sehe ich einen Stempel im Korpus. Denk ich mir, aha, was steht da so drinnen. Lese ich " a la Ville de Padoue, ein hübsches Emblem darunter, darunter Nicolas Duchéne", so in Dreiecksform. Also eine Französin. Die Seitendinger, womit man die Seiten spannt gibt es auch noch und das Teil, mit dem sie unten fixiert wird. (entschuldigt, ich bin fachsprachlich wirklich ahnungslos). Denk ich mir, na gut, so toll sieht das alte Teil nicht mehr aus, für mich ziemlich ramponiert mit kleinen Kratzern, an der Seite auch ein kleiner Riss, aber guckst mal im Internet, bevor Du eventuell eine Stradivari zerlegst und dich den Rest deines Lebens schämst. Das Emblem ist eingebrannt oder direkt eingedruckt und nicht auf Papier gedruckt und eingeklebt.


    Kann ich das jetzt bedenkenlos als Theremin-Korpus verwenden, weil eh wertlos? Oder lohnt der Gang zum Geigenbauer? Meine Tochter hat früher in der Schule Geige gespielt, vielleicht freut sie sich darüber und nimmt ein altes Hobby wieder auf, dann würde ich sie ihr wieder zurechtmachen lassen. (Was muss man dafür ungefähr rechnen?)


    Die Geigenlose

  • Dass die Geige aus Frankreich stammt, lässt sich der Inschrift so nicht entnehmen. "Padoue" ist die französische Bezeichnung für die Stadt Padua, die bekanntermaßen nicht in Frankreich sondern in Italien liegt - so wie "Warschau" die deutsche Bezeichnung für jene polnische Stadt ist, die von ihren Bewohnern Warszawa genannt wird. Es gibt allerdings auch im französischsprachigen Teil Kanadas eine Ortschaft, die "Padoue" heißt, aber so klein ist, dass die Bezeichnung "ville" unangemessen scheint, und ich dort auch nicht unbedingt eine Geigenbauwerkstatt vermuten würde. Dazu kommt: Den Namen "Duchéne" - bzw. etwas, das so gesprochen wird - gibt es zwar in Frankreich, aber üblicherweise wird der Name eher Duchêne, Duchesne oder Duchaine geschrieben. Im 18. Jahrhundert war in Frankreich ein Bogenbauer namens Nicolas Duchaine (wobei der wohl auch die Schreibweise "Duchesne" verwendet hat) aktiv; bis in 19. Jahrhundert hinein sein gleichnamiger Sohn, aber dass diese Geige mit einem der Beiden in Verbindung steht, scheint mir nicht plausibel; dafür sieht sie dann doch nicht alt genug aus.
    Von daher würde ich sagen: Die Angaben im Korpus sind eine etwas cleverere Variante des gefälschten Stradivari-Zettels; ein Versuch, ein vergleichsweise einfaches Manufakturinstrument mit wohlklingenden Namen aufzuwerten, ohne direkt etwas Unwahres zu behaupten. Dass die Inschrift kein Verb enthält, das bedeuten würde, dass die Geige und Padua oder von Nicolas Duchéne hergestellt wurde, sodass der Text spitzfindig gelesen nichts weiter als eine Widmung auf Stadt und Person darstellt, ist ein weiterer Hinweis darauf. Von daher bedeutet die Inschrift in dieser Form nur, dass diese Geige irgendwo auf der Welt für den französischen Markt produziert wurde.


    Angesichts dessen würde ich nicht von einem superhochwertigen Instrument ausgehen. Den Wert kann ich anhand der Bilder nicht einschätzen - schon weil ich den "kleinen Riss an der Seite" nicht entdeckt habe. Sowas kann eine leicht zu reparierende Bagatelle sein, es kann - zumindest bei Manufakturinstrumenten - aber auch ein Totalschaden sein, den reparieren zu lassen mehr kosten würde als das wieder hergestellte Instrument wert wäre.


    Fazit:
    Die Wahrscheinlichkeit, dass Du da auf ein wertvolles Schätzchen gestoßen bist, das ein ahnungsloser Banause für viel zu wenig Geld losgeschlagen hat, halte ich für gering. Der Umstand, dass die Geige in diesem Zustand in der Bucht gelandet ist, sagt bereits etwas. Nämlich dass der Vorbesitzer es nicht für sinnvoll hielt, sie vor dem Verkauf wieder spielfit zu machen.
    Du hast diese Geige gekauft, Du kannst damit machen, was Du willst. An Deiner Stelle würde ich Deine Tochter fragen, ob sie ihr altes Hobby wieder aufnehmen möchte und falls die Antwort "ja" lautet, zu einem Geigenbauer gehen und fragen, was der für eine Restaurierung haben will und dann entscheiden, ob die Geige wieder fit gemacht wird. Falls die Antwort "nein" lautet, steht einem Umbau zum Theremin meiner Ansicht nach nichts im Weg.

  • Ah, Danke.


    Dann erlebt sie mit 90 prozentiger Wahrscheinlichkeit ein zweites Leben als Thereminbehausung und ich brauche kein schlechtes Gewissen zu haben. Geld verdient man mit sowas eh nur, wenn man das beruflich macht, Geigenbauer ist, sich eben auskennt, das ist mir sehr bewusst und darum geht es mir hier auch nicht. Im Angebot des Inserates stand nämlich nur "alte Geige, Dachbodenfund" und sonst nix.


    Eine andere Frage. Geigen werden doch verleimt, richtig? Wie bekomme ich möglichst unschädlich die Rückwand gelöst?

  • Die Idee finde ich super, kann man die Geige dann wie eine Geige halten, und mit der rechten
    Hand eine Art „Bügel“ über die Geige führen, wie einen Bogen, und dann kommen da diese
    engelsähnlichen Töne heraus? Klingt ja echt gut, habe ich noch nie so gesehen.

  • Nein, die gehört auf einen Mikrofonständer und ich stelle es mir so vor, dass die Vorderseite der Geige nach vorne zeigt und in die Rückwand die Steuerung, Platine usw. verbaut werden. Bei einem Theremin hat man dann links die Volumenantenne und Rechts vertikal hochstehend die Pitchantenne für die Töne. Mein Mann ist bei uns der Handwerker und ich die Kreative, das Projekt wird auch einige Wochen in Anspruch nehmen. Und dann muss ich aus dem Teil auch noch vernünftige Töne herausbringen lernen. Mal schauen.

  • Also, ich halte die Geige ganz und gar nicht für wertlos. Das scheint mir ein französisches Instrument, wahrscheinlich aus den Manufakturen in Mirecourt. Die ist doch soweit noch ganz gut erhalten, zumindest was man auf den Fotos sieht. Zum Schreddern oder für das Theremin wäre mir die zu schade.


    VIEL zu schade. Allein dieser fantastische Lack!


    Da gibt es doch diese 35 Euro-Geigen bei Amazon, das wären meiner Meinung nach die richtigen Kandidaten.


    https://www.amazon.de/Jago-Violine-Anfänger-Kolophonium-verschiedenen/dp/B0029HI7KW/ref=sr_1_12?ie=UTF8&qid=1529248477&sr=8-12&keywords=geige



    Zum Thema Theremin: Spielst Du oder Dein Mann denn? Wo wollt Ihr denn die Antenne zur Tonhöhenregelung rausschauen lassen? Die muss ja frei sein, da darf nichts in der Nähe sein (ausser Eurer Hand). Man kann die Geige also kaum wie eine normale Geige halten. Das, was Du die denkst, Fiddler, funktioniert nicht. Du brauchst für die Tonhöhenregelung eine freistehende Antenne, und je nach Empfindlichkeit 20-50cm Abstand. Die Lautstärkeregelung geht über eine zweite Antenne, wo soll die aus der Geige kommen? Oder baut Ihr ein einfaches Theremin nur mit Tonhöhenregulierung?


    Probiert das alles erstmal an einem Schuhkarton aus...


    Und ganz ehrlich, DIESE Geige dafür zu nehmen ist FREVEL. Sorry.

  • sorry, mein Beitrag war zu langsam....


    1. Aber rein zur Geometrie: Wo willst Du denn die Antennen herausschauen lassen? Nicht dass der Geigenhals im Weg ist.


    2. Als Thereminbesitzer (ein richtig gutes von Moog!) kann ich Dir aus meiner Erfahrung sagen, dass das Musizieren mit einem Theremin nicht ganz einfach ist. Und das sage ich als Streicher, der das mit Abständen, Mensuren, und "unklarer Tonposition" schon jahrelang übt, zumindest auf dem Griffbrett. Ich hab mit dem Theremin herumprobiert, es ist ganz witzig und macht durchaus Spass, aber einfach ist es nicht. Die Tonqualität liegt eher an deinem Verstärker, und die Tonhöhe/saubere Intervalle/ "saubere Töne" ist noch mal eine ganz andere Geschichte.


    Und bitte bitte nicht mit DIESER Geige...! Gibt doch genug Schrottgeigen (...Amazon), da muss man sich doch nun wirklich nicht an antiken Instrumenten vergreifen... ;)

  • Also ich bin mir nicht sicher ob man hier nicht besser eine andere Geige nimmt.
    So wie ich den Stempel in der mitte deute könnte es sich um den JTL Stempel handeln der bei besseren Geigegen der Virtouso Geigen angewandt wurde. Ich würde einen Geigenbauer zu rate ziehen.
    Es gibt einfachere Geigen um erstmal erfahrungen zu sammeln.


    Danke Braaatsch du sprichst mir aus der seele und warst mal wieder schneller.

  • Oh, jetzt bekomme ich wieder ein schlechtes Gewissen. Braaatsch, ich habe echt wenig für die Geige bezahlt. Deshalb gehe ich schon davon aus, dass sie eher wertlos ist, die Händler dort sind doch bestimmt wie die Geier hinter allem her, womit sie Geld machen können. Und sehen auch sofort, wo sich eine Investition lohnt und wo nicht. Das jemand wie ich da nun gerade was Tolles bekommen hat, glaube ich wirklich nicht.


    Ich konsultiere einen Geigenbauer hier vor Ort, ok? Der kann mir dann sagen, ob es ethisch vertretbar ist, sie für meine Idee herzunehmen.


    Die Idee war, sie mit der spielbaren Seite nach vorne zu legen (so wie man eine Gitarre hält), den Griff rechts, dort die Pitch-Antene anzubringen, und am linken Ende die Volumenantenne. Und mittig unten eine Bohrung mit Anschluss für den Mikrofonständer. Solange nur Holz und kein Metall im Weg ist, dürften die Frequenzen nicht gestört werden. So die Theorie. Da mein Mann Funkelektroniker ist, sehe ich technisch keine großen Hürden.


    Wir wollen das Theremin beide lernen, ich habe noch eine alte EL 90 von Yamaha, mit Tasten komme ich einigermaßen klar, hatte gut 10 Jahre Unterricht als Kind/Jugendliche. Ein Moog Etherwave haben wir bereits seit kurzer Zeit und üben und dies hier wäre ein Kreativprojekt, das uns Spaß machen soll.

  • Ja, ich weiß lieber Braaatsch, einfach wird das nicht. Ich habe das Lehrbuch von Carolina Eyck und rechne auch gar nicht damit, in sehr kurzer Zeit virtuos Töne zu treffen. Nur war das Instrument Liebe auf den ersten Blick, im Deutschen Museum in München, da habe ich sofort die französische Nationalhymne geqietscht. Jetzt bin ich aber ganz doll am Thema vorbei, fürchte ich.