Geigenfund, Alter/Wert?

  • Häh? ;) Nein. In vielen, touristisch weniger interessanten Alpengegenden oder im tiefen Schwarzwald oder Schwaben ging es noch bis in die 50ger Jahre hinein sehr gemächlich zu.


    Aber ich halte eine Herstellungszeit um 1850-1900 für wahrscheinlich.

  • abalon:
    So ein entweder-oder ist das nicht. Auch lange nachdem die Geige in ihrer jetzigen (oder besser gesagt barocken) Form erfunden wurde, wurden lokal davon abweichende Streichinstrumente gebaut. Und zwar durchaus gezielt, damit sie den der lokalen Musiktradition entsprechenden Klangidealen genügen; und die konnten zum Teil dramatisch von denen der musikalischen Hochkultur abweichen. Vor allem, wenn diese Traditionen andere Stimmungen verwenden, die nicht auf reinen Quinten aufbauen, ist die Geige wie wir sie kennen, eher suboptimal, weil das Resonanzverhalten des Geigenkorpus nicht die bei diesen Stimmung erwünschten Obertonstrukturen liefert.


    Braatsch hat ja schon angesprochen, dass das einfache Volk sich selten mehr als zwanzig Kilometer vom Heimatort entfernt hat. Das heißt: Deren Musik- und Instrumentenbautraditionen waren auch sehr lokal und kleinräumig. Für diese Leute war das was sie kannten, eine richtige Geige. Und das war das, was der Sohn unter Anleitung des Vater gebaut hat, um beim Maibaumfest zusammem mit seinen Freunden und Cousins zum Tanz aufspielen zu können und nicht das, was irgendwelche großkopferten Bürger jenseits der Berge in Cremona gebaut haben.
    Diese sehr lokalen Musik- und Instrumentenbau-Traditionen wurden verdrängt, als Geigen aus quasi-industrieller Massenproduktion so billig wurden, dass - ähnlich wie beim Brot - das Selber-Herstellen unterm Strich teurer wurde als der Kauf eines böhmisch-sächsischen Manufakturinstrumentes.
    Traditionelle Fideln haben eigentlich nur dort überlebt, wo die traditionelle Musik auf Features basiert, die 'normale' Geigen nicht bieten können - z.B. Bordunsaiten wie bei der Hardangerfidel. Aber selbst die sind heute nicht mehr die historisch gewachsene eigenständige Bauform, sondern umgebaute Standardgeigen.

  • ...wobei ein böhmisches Manufakturinstrument für Menschen in wirklich armen ländlichen Regionen weder verfügbar noch bezahlbar war. Natürlich gab es in den städtischen und halbländlichen Umgebungen den Mittelstand und Höheres, aber selbst eine billige Böhmengeige setzt „überflüssiges Geld“ voraus, und eine Möglichkeit, diese in einem Geschäft zu erwerben.


    Und diese Möglichkeit gab es in vielen ländlichen Regionen gar nicht, und selbst heute muss man -sofern man nicht im Internet bestellt- in grössere Orte fahren.


    Natürlich war das in Städten anders, da tobte die Belle Epoque, Kafeehäuser, Tanzmusik, und natürlich gingen die Kinder zur Schule und zumindest die Kinder, die nicht aus ganz armen Verhältnissen stammten, bekamen Instrumentalunterricht. Es gehörte damals -für „bessereLeute“- zum guten Ton, Geige oder Klavier zu spielen (deswegen gibt es auch so viele Geigen aus dieser Zeit, aber viel weniger Bratschen und Celli).


    Aber auf dem Land? Da wurden die Kinder vom Pastor oder „Dorfschulmeister“ unterrichtet, mussten zum Unterricht drei Dörfer weiter laufen, es gab nur eine Klasse und zur Erntezeit fiel der Unterricht komplett aus. Weiterbildende Schule? Gymnasium? Studium???? An den „Schwabenkindern“ kann man sehen, dass es viele Regionen gab, in denen noch bis zum ersten Weltkrieg und darüber hinaus die Kinder in die Fremde als Arbeitssklaven verschickt wurden. Und da war selbst eine billige Böhmengeige unerrreichbar.

  • Die Verhältnisse auf der Schwäbischen Alb stehen nicht exemplarisch für die gesamte Landbevölkerung. Da gab es, je nachdem, wie fruchtbar die Region war, erhebliche Wohlstandsgefälle. Und die Schwäbische Alb war, weil das Klima ungünstig und die Böden nicht besonders fruchtbar sind, lange Zeit eine der ärmsten Regionen Deutschlands, vermutlich sogar Europas. Wer Land bewohnt, auf dem sich mit Ach und Krach gerade so viel produzieren muss, dass man nicht verhungert, hat kein Geld für eine Geige übrig, aber wo die Verhältnisse günstiger waren, und in den Städten eher gehobene Produkte wie Wein, Gemüse oder Obst produziert wurden, konnte die Landbevölkerung durchaus zu einem gewissen Maß an Wohlstand kommen.
    Außerdem war das Ladengeschäft lange Zeit nicht der primäre Vertriebsweg für Güter aller Art; viel wichtiger waren mehr oder weniger regelmäßig stattfindende Märkte, zwischen denen fahrende Händler mit ihrem Sortiment hin und her gereist sind und auf Anfrage auch gezielt Sachen besorgt haben. Dazu kommt, dass längst nicht alle Transaktionen mit Geld abgewickelt wurden. Es heißt ja nicht umsonst "Kuhhandel". Und "Stradivaris" aus Böhmen gegen Naturalien zu tauschen, ist durchaus lukrativ; vor allem, wenn man Böhmen verschweigt und der Tauschpartner das nicht blickt.

  • Klar gab es auch in ländlichen Regionen Möglichkeiten- aber eben nicht in allen und nicht so einfach, wie wir uns das heute vorstellen. Grade in Sachsen, im bayrischen Wald oder in der Mittenwalder Gegend war es ganz sicher nicht schwierig, an eine Geige zu kommen. Ich hatte da eher die Alpentäler (Wallis...) im Kopf, von denen eben auch die Kinder verschickt wurden. Deswegen schrieb ich ja "in wirklich armen ländlichen Regionen"... und dass der Grossbauer in allen Regionen andere Möglichkeiten hatte und dass die ostpreussischen Rittergutsbesitzer bestimmt nicht am Hungertuch nagten ist ja auch klar.


    Es ging mir auch eher darum zu zeigen, dass die Geige nicht von "vor 1700" sein muss, sondern dass es -vereinzelt- noch bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein eine "bäuerliche" Musikinstrumentenfertigung gegeben hat.


    Mein Ur-urgrossvater hat seiner Frau noch das Spinnrad selber gebaut, das war im Riesengebirge um 1900 herum. Da steppte -nach heutigem Mobilitätsmaß "quasi nebenan"- in den "Kaiserbädern" der Bär, die dortigen flanierenden Damen wären ganz bestimmt nicht auf die Idee gekommen, sich wie die arme Bäuerin nebenn mit einem Spinnrad abzugeben...

  • Hallo,


    Ich komme zufällig gerade von einem Geigenbauer,
    Ich habe ihm ein paar Geigen von mir gezeigt und darunter war auch so eine kuriose Bauart dabei die ich vor kurzem erworben habe.


    Er meinte auch das dass musikalisch wohl eher nix großes ist. Leider war vom Museum o.ä nicht die rede. Er meinte auch das die wohl vom land kommt oder von einem Erbauer der eigendlich keine Geigen baut, sondern ein Zimmermann oder ähnliches war.


    Was meint ihr dazu ?


    Grüße