Wert und Alter meiner Bratsche

  • Hallo ihr lieben Mitstreicher,


    eigentlich habe ich eine Recht gute Bratsche von einer Geigenbauerin. Aus reiner Neugierde, habe ich mir aber mal von ebay eine günstige alte Bratsche geholt (400€). Leider kam sie ohne Steg, den, den ihr auf dem Foto seht, habe ich selbst aufgeschnitten und an die Decke angepasst. Das Ergebnis hat mich überrascht. Die Bratsche klingt sehr angenehm war, hat einen satten, vollen Ton und eine wunderbar leichte Ansprache- besser als meine Bratsche von der Geigenbauerin. Leider hab ich vom Verkäufer keinerlei Infos bekommen und ein Zettel klebt auch nicht drin.
    Könnt ihr mir sagen, wie alt die Bratsche ungefähr sein könnte, eventuell woher sie kommt und ungefähr den Wert abschätzen? Ich habe keine Ahnung, aber sehr neu ist sie jedenfalls nicht. Markant finde ich die schwarze Umrandung am Hals. Und die Einlage sieht auch schon wie eine Einlage aus und nicht nur aufgemalt. Was sagt ihr?
    Vielen Dank schon mal für Eure Einschätzung und Hilfe :D

  • Ich bin jetzt nicht der Bratschen Experte, aber erstmal Glückwunsch.
    Das ist eine sehr schöne Bratsche.
    Das Schwarze wurde in diesem Fall wohl eher für die Ästhetik angebracht und nicht wegen dem Alter und einem neuen Hals.
    Aber genau solche Kleinigkeiten und die wunderbare Verarbeitung zeigen, dass es sich um kein billiges Instrument handelt.
    Selbst die Chinesen können Schönes nicht so billig herstellen.
    Ich hätte jetzt mal auf Markneukirchen getippt.
    Die Lackfarbe ist typisch italienisch, wobei dies nicht heisst, dass es auch eine echte Italienerin ist :)


    Ich würde die Bratsche zum nächsten Geigenbauer oder grösserem Musikhaus mit Saiteninstrumenten-Werkstatt bringen
    und unverbindlich einschätzen lassen. Ich denke, da lohnt sich ein genauer Experten Blick.
    Das Instrument sieht doch sehr schön aus. Ich würde sagen Glückstreffer oder der richtige Riecher gehabt ;)

  • Solche Verzierungen am Hals findet man auf Instrumenten unterschiedlichster Qualität, damit hat man auch schlechtere Instrumente aufgewertet, weil das eben früher tatsächlich ein Zeichen "besserer" Instrumente war (was aber nicht heisst, dass alle guten Instrumente das haben, im Gegenteil, die meisten Instrumente haben sowas nicht…).


    Die Chinesen können inzwischen sehr wohl "sowas" herstellen, und inzwischen gibt es wirklich gut verarbeitete Instrumente aus China. Und die Bratsche wurde ja nicht "neu" gekauft, da könnte es sich wirklich um chinesische Wertarbeit handeln- allerdings spricht das Holz dagegen. Das ist europäisches Holz… :) Was an dem Lack "italienisch" sein soll, erschließt sich mir allerdings nicht. Auf dem Foto sieht das nach einem einfachen, bernsteinfarbigen Lack aus, der weder eine besondere "Tiefe" hat noch den "Glanz" der italienischen Lacke.


    Dennoch: Das sieht nach einem sehr soliden Instrument aus. Alt ist das Instrument nicht, ich schätze so höchstens 30 Jahre, aber vermutlich eher jünger (es sei denn, es hätte Jahre im Kasten geschlummert…). Herkunft…ich tippe auf Europa (aufgrund des Holzes und der Verarbeitung), und eigentlich vermute ich da eher eine sehr gute osteuropäische Arbeit, möchte da aber auch Deutschland nicht ausschliessen. Ich sehe aber da keine charakteristischen Merkmale, die auf eine bestimmte Tradition hindeuten.


    Ich habe einen gefälschten Italiener, der vermutlich auch aus Osteuropa stammt, gut verarbeitet ist und sehr gut klingt- es gibt da fantastische Geigenbauer.

  • Vielen Dank für Eure Antworten soweit. Dass der Steg etwas eigenwillig aussieht, weiß ich :D Leider hatte ich für die Arbeit keinen ordentlichen Geigenbauhobel zur Verfügung, sondern nur Schnitzmesser und Schleifpapier. Wenn ich etwas Zeit habe, nehme ich vielleicht noch mal etwas mehr vom Holz weg.


    Der Lack ist in Wirklichkeit etwas dunkler und schimmert auf dem geflammten Rücken auch sehr schön, aber inwiefern das wirklich ein Zeichen von Qualität ist, kann ich leider nicht sagen.
    Aber haltet ihr "nur" 30 Jahre wirklich für wahrscheinlich? Der Wirbelkasten und die f-Löcher machen mir einen älteren Eindruck, während der Korpus sonst auf Kastenlagerung und regelmäßige Pflege hindeutet. Die Saiten waren abgenutzt und nicht mehr quintenrein, aber der Ton war von Anfang an offen und klar und selbst der Lack unter den Saiten ist noch nicht vom Kolophonium angegriffen. Selbst meine 11 Jahre alte Bratsche von der Geigenbauerin sieht unter den Saiten anders aus, dafür aber im Wirbelkasten und an den f-Löchern sauberer.


    Im Übrigen bin ich aber auch der Meinung, dass mir damit, egal ob China oder Russland (Markneukirchen wäre natürlich schon nett) ein echter Glücksgriff gelungen ist.


    Am Ende vielleicht noch die Frage, warum es Geigenbauer gibt, die ihre Instrumente nicht etikettieren? In meinem Orchester spielen einige sehr qualitative Instrumente aus Markneukirchen, die teilweise aber einfach keine Zettel haben. Jemand eine Idee, warum?

  • Viele Manufakturen verkauften (oder verkaufen noch) zettellose Instrumente
    z.B. an Musikhändler, die dann ihre eigenen Zettel reinkleben.


    Manufakturinstrumente gibs es in allen Qualitätsstufen, von einfache
    Schülergeigen bis zu anonyme Meistergeigen. Der Schwede Sören Ekebjörns zitiert
    in seinem Buch “Folkets Fioler” 1985 einen alten mittenwalder Geigenbauer: “Wenn
    ich davon erzählen würde, was wir an Italien oder Schweden unsigniert verkaufen,
    oder wer von uns kauft.....”

  • Es stimmt, dass die Chinesen sehr schöne und qualitativ gute Instrumente herstellen können.
    Ich habe die Preise bei einigen chinesischen Herstellern an der Mondomusica gesehen.
    Mit chinesischem Holz ab 450 Dollar.
    Mit europäischem Holz ab 1200 Dollar.
    Mit italienischem Holz ab 1500 Dollar.
    Es gab die Modelle Amati, Stradivari, Guarneri und Guadagnini.
    Hier noch ein Link eines Herstellers.
    Die Geigen waren gut verarbeitet, wobei in der Ausstellung nur die teuren Modelle zu sehen und zum spielen waren.
    http://www.hengshengviolin.com/
    Die besseren chinesischen Geigen klingen auch sehr gut und kosten trotzdem nur wie eine einfache europäische Geige.


    Mit dem Lack war ich wohl etwas voreilig. Der gute italienische Lack ist weicher und hat mehr Tiefe.
    Ich hatte auch die Farbe gemeint und nicht die Beschaffenheit des Lackes.
    Der ober gezeigte Lack ist in etwa ähnlich, wie bei der Wolff Bros Violine, welche ja bekanntlich keine Italiener waren :)

  • Nun habe ich eine interessante Entdeckung gemacht.
    Eine ähnliche Violine wird von mezzomixx19 aus Berlin auf ebay für 395 Euro neu geboten.
    Mit ähnlich meine ich die Hals Anschäfter Verzierung und der Preis für ein neues Instrument sind ähnlich.
    Wobei Saitenstreicher's Viola finde ich für den Preis immer noch ein sehr schönes Instrument.
    Wenn es noch gut klingt, kann man da gar nicht meckern.


    Konnte Saitenstreicher das Instrument zum Geigenbauer bringen für eine Schätzung?

  • Wenn Instrumente keine Merkmale haben, die auf eine bestimmte Tradition oder Region hindeuten, sehr gut restauriert wurden etc., dann ist eine Altersschätzung schon in Natura schwierig, vom Foto fast unmöglich-da bleibt nur eine "Meinung" oder "Schätzung". Die Violine kann natürlich älter sein, aber auf den Bildern sieht sie für mich eben nicht so aus.


    Auch bei bester Pflege nutzt ein Instrument sich ab, wenn es gespielt wird- kleine "Katscher" an der Schnecke, an den Rändern, Lackabnutzung vom Spiel in höheren Lagen, Wirbel "weiter drin" vom Stimmen, Hals speckig vom Greifen, Bodenlack bissele "angeschubbert", Lack an den Rändern oder "Kanten" zumindest "dünner" ….all' die kleinen Spielspuren, die wie "Lachfalten" beim alten Menschen ein altes Instrument auch liebenswert machen und auf reges Spiel hindeuten. Davon sehe ich hier nichts. Das kann daran liegen, dass das auf den Bildern nicht so herüberkommt, dass das Instrument meisterhaft aufgearbeitet und seitdem kaum gespielt wurde oder eben dass es sich um ein neues Instrument handelt.


    Gehen wir mal hypothetisch von "alt, aufgearbeitet" aus. Da das Instrument wenig "Eigenheiten" besitzt, würde ich ein Alter vor 1920 ausschliessen. Dann müsste ein Instrument, sagen wir: von 1940, so "komplett runter" gewesen sein und gleichzeitig so wertvoll, dass man es "rundumerneuert" hat. Auch das ist unwahrscheinlich, wenn es sich nicht um ein fantastisches, bezetteltes Meisterinstrument handelt, gleichzeitig wären Restaurationsspuren sichtbar. Also auch das würde ich in diesem Falle aussschliessen. Bleibt 60er-80ger Jahre. Das könnte eigentlich hinkommen, aber dafür hat es mir zuwenig Spielspuren. Ich halte es aber bei einem klanglich guten Instrument fuhr unwahrscheinlich, dass es nicht/kaum gespielt wurde. Da erscheint mir ein jüngeres Herstellungsdatum einfach wahrscheinlicher, zumal -vom Foto her- in meinen Augen nichts für ein höheres Alter spricht. Wie gesagt, es könnte sein, dass das Instrument die letzten Jahrzehnte unberührt in seinem Kasten geschlummert hat, aber so "alt" sieht mir die Bratsche einfach nicht aus, sie ist einfach "zu perfekt".


    Mit "Osteuropa" meine ich nicht Russland- eher Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Rumänien, bzw. auch die (ehemalige) DDR (gut, die ist nicht mehr Osteuropa…). China würde ich auch in Erwägung ziehen, wenn die dafür europäische Hölzer importiert haben, und dann war es schon eine sehr gute Werkstatt, das machen die meisten nicht. Möglich ist also alles.

  • Vielen Dank ihr Lieben, da sind ja schon viele Ideen zusammengekommen. Das jüngere Alter klingt unter diese Angaben dann tatsächlich plausibel. Ich habe schon Kontakt mit einem Geigenbauer in Berlin aufgenommen, der sich das Instrument gerne anschauen will. Für 25€ kann er eine mündliche Auskunft geben (Die anderen Geigenbauer waren teurer oder haben noch nicht geantwortet). Ich schreibe zur Zeit leider noch an meiner Examenshausarbeit und habe daher nicht die Zeit nach Berlin zu fahren, aber danach will ich den Geigenbauer (Scheit & Gentges) mal aufsuchen. Wenn der mir eine nähere Auskunft geben kann, werde ich hier das Rätsel um Herkunft und Alter meiner Bratsche auflösen :) Ich habe sie jedenfalls mittlerweile soweit in mein Herz geschlossen, dass mir egal ist wo sie herkommt, sie klingt einfach traumhaft und bei weitem besser als meine alte (also meine erste) Bratsche.