Fichtl 1763 Erbstück was ist sie wert?

  • Hallo zusammen,


    Wir haben eine alte Geige aus 1763 geerbt und überlegen hierzu ein Wertgutachten erstellen zu lassen.


    Hiermit möchte ich ein Paar Fotos und die Eckdaten nennen und hoffe auf eine ehrliche erste Abschätzung ob es sich Lohnt einen Termin für ein Wertgutachten zu vereinbaren.


    Die Geige stammt aus dem Nachlasse des Vaters meiner Frau. Der Urgroßvater meiner Frau war selber Geigenbauer. Angeblich ist die Geige mindestens seit dem im Familienbesitz. Sie wurde stets gut aufbewahrt und leider zu wenig bespielt.


    Auf dem Schild steht Johann Ulrich Fichtl in Mittenwald An 1763.


    Der Bogen ist angeblich etwas neuer.


    Über eine grobe Einschätzung würde ich mich sehr freuen

    .


    Vielen Dank für eure Mühe

    Leisetreter

  • Trotz der recht mittelprächtigen Bilder sieht für mich die Geige nach einem viel neueren Nachbau aus. Falls Sie die Bilder noch mal streng nach der Vorschrift des Forums: immer im rechten Winkel, gegen einen weißen Hintergrund, Schnecke Corpus, Zarge, noch mal machen können, inklusive Blick auf die Unterzarge, wäre das toll.


    Johann Ulrich Fichtl ist ein recht bekannter Mittenwalder Geigenbauer.


    Gute, rissfreie Instrumente werden um die 12-15.000 € gehandelt, also wirklich einwandfreie Stücke, spielfertig. Geigen von ihm sind sehr selten.

    Der Zettel erscheint wie ein Faksimile Zettel. Alles viel zu neu. Viel zu „clean“.


    Aber ich sehe ehrlich gesagt, nicht sehr viel, vielleicht als erstes ein Blick auf die Unterzarge in selber Qualität. Das würde schon helfen.

  • Den Zettel halte ich für handgedruckt, man sieht keine Pixel. Allerdings sieht die Schnecke so aus, als wäre sie nicht bis zum Ende hin gekehlt. Das würde Mittenwald als Ursprung ausschließen und eine Herkunft aus dem sächsischen/böhmischen Musikwinkel wahrscheinlich machen. Dagegen spricht die Einlage gegen Sachsen/Böhmen. Die Geige kann für mich aber keinesfalls im 18 Jahrhundert gefertigt worden sein, sonst müsste die Schnecke angeschäftet sein.


    leisetreter Bitte reiche noch ordentliche Bilder nach, wie Chiocciola schon gesagt hat. Dann können wir mehr zu der Geige sagen.

  • Hallo, Vielen Dank schon mal für die beiden Antworten.

    Ich hoffe die neuen Bilder sind aussagekräftiger.

    Ich möchte mich für die schlechten Bilder entschuldigen, ich bin leider überhaupt nicht vom Fach und weiss nicht auf was ich besonderen Wert legen soll bei den Bildern und bei der Geige.

    Aber ich mache gerne weitere Details Aufnahmen wenn diese weiterhelfen :)


    Leider kann ich nicht viel zur Geige sagen. Meine Vermutung ist dass sie nicht allzu viel genutzt wurde. Da der Ururgroßvater meiner Kinder auch Geigenbauer war mag es sein dass sie damals bereits aufgearbeitet wurde.


    Ein emotionales Wort an der Seite... es macht mich etwas sprachlos wenn ich mir vorstelle dass sie potentiell vor knapp 300 Jahren gebaut wurde. In dieser Zeit ist Geschichtlich so viel passiert. Als ich meinen amerikanischen Kollegen davon erzählt habe war der einzige Kommentar dass zu dem Zeitpunkt dort alles noch Steppe war. Faszinierend!


    Wir planen eigentlich auch nicht die Geige zu veräußern, es interessiert uns einfach was sie widerspiegelt. Momentan lagert sie im Geigenkoffer auf dem Kleiderschrank. Über Tips zur optimalen Lagerung würde ich mich auch freuen.

    Vielen Dank für die Antworten.

  • Den Zettel würde ich -wie meistens - ausser acht lassen.

    Um 1760 hat wohl kaum eine Geigenbauer jedes Jahr neue Zettel mit der jeweiligen Jahreszahl drucken lassen.

    Ich will hier kein Copyright verletzen, aber ein echter Fichtel Zettel aus dieser Zeit sieht laut Fachliteratur anders aus.


    Ich sehe die Geige, die durchaus einen ansprechenden Eindruck macht, auch erst deutlich nach 1800.

    Vielleich hat der Urgrossvater sie selber gebaut. Daran kann man sich ja auch erfreuen.

  • Für mich sieht sie nach einer Sächsischen/böhmischen Geige aus dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts aus. Da hat man vielen Geigen solche in Serie gedruckten Zettel verpasst. Die Geschichte dieser Instrumente ist dennoch nicht uninteressant. Damals war die Region um Markneukirchen und Eger ein Zentrum des Instrumentenbaus. Viele Heimarbeiter lieferten Geigen in verschiedenen Fertigungsstufen (von Einzelteilen bis hin zu fertigen Geigen) an Manufakturen (bzw. "Verleger"), wo diese dann fertiggestellt bzw. aufgekauft wurden, mit Zetteln versehen, probegespielt (zum Festlegen des Preises) und dann an den Musikhandel ausgeliefert wurden, bzw. in Katalogen verkauft wurden. Markneukirchen hatte sogar eine eigene konsularische Vertretung, die den Export koordinierte. Entsprechend gab es Instrumente verschiedener Qualitäten. Von der bei einem Geigenbauer komplett angefertigten Geige (die einem "Meisterinstrument" nahe kommen kann) bis zur in der Fabrik aus Einzelteilen zusammengesetzten Schülergeige "für preisbewusste Verbraucher" gab es quasi alles. Man kann sich da die alten Kataloge ansehen....


    Die Geigenbauer waren oft bitterarm, aber die Lieferverträge sicherten ihnen eine Abnahme ihrer Instrumente. Viele mussten auch unter Zeitdruck arbeiten, da sie entsprechende Mengen zu liefern hatten. Das musste dann die ganze Familie mit ran. Manche Händler ("Verleger") und Manufakturbesitzer sind dagegen reich geworden, davon zeugen noch einige prachtvolle Villen in Markneukirchen. Unter diesen Gesichtspunkten muss man diese Instrumente sehen, und da verdienen auch "einfache" Instrumente Respekt. Ihre Geige ist schon eine der Besseren, wie gesagt, es gab auch Geigen, die komplett von einem Geigenbauer gefertigt wurden, da hat der Verleger dann nur die Vermarktung übernommen.

  • Ich sehe das wie die Vorschreiber auch. Die Geige hat nicht das Alter was auf dem Zettel steht somit ist es auch keine Fichtl Geige. Begründung es fehlen spuren die mit einem so hohen Alter einhergehen.

    Auch wenn die Geige die letzten 150 Jahre Optimal beim Geigenbauer gelagert wurde gibt es eine Patina.

    Kratzer und Nutzungsspuren an der Geige lassen einen Glauben die Geige hat schon ein bisschen erlebt.

    Die Wirbel aber zeigen das Sie nur wenig genutzt wurde. Ich gehe daher aus das die Geige etwas Antikisiert wurde um ein höheres Alter vor zu teuschen. Eine schöne Geige zum selber spielen. Für den Verkauf nicht lohnenswert und die Emotoinelle seite bezieht sich hier auf den Großvater vor 120 Jahren. Also garnicht mehr so schlimm. Die Lagerung im Kleiderschrank ist vollkommen in Ordnung.

  • Nochmals vielen Dank für die Antworten.

    So wie ich es lese scheint es dann doch eher der emotionale als der fiskale Wert zu sein.


    Anbei noch das gewünschte Foto der Unterzarge, wenn ich das richtig verstanden habe.


    Mir schleicht sich dann doch eher der Gedanke ein dass die Geige vom Urur(ur)großvater entweder selber gebaut wurde oder jedenfalls aus dieser Zeit stammt.


    Es ist total spannend welche Schlüsse sich aufgrund der Fotos ziehen lassen.


    Welche Vermutungen oder Fakten lassen sich noch finden? Bin sehr interessiert und freue mich über jede Information :)

    Vielen Dank


  • Danke für die Fotos. Man sieht, dass die Unterzarge geteilt und nicht aus einem Stück ist. Mittenwalder Geigen haben normalerweise immer eine durchgehende Unterzarge.

    Für mich spricht einiges dafür, dass Dein Urur(ur)großvater die Geige gebaut hat. Es wäre interessant, zu erfahren, wo er sein Handwerk gelernt hat. Weißt Du etwas darüber?

    Schau doch mal mit Taschenlampe und evtl. einem Zahnarztspiegel durch die F-Löcher ins Innere der Geige hinein. Vielleicht findest Du doch irgendwo noch ein Signum des Erbauers an einem der Klötze, an den Zargen oder auf der Innenseite der Decke.