Einschätzung Geige Beschriftet mit "Francesco Rugier detto il Per"

  • Hallo,


    In einer Erbschaft (Haus samt Inhalt) habe ich folgende Geige gefunden. Die Geige war sehr gut versteckt, was mich vielleicht auf einen gewissen Wert hoffen lässt.

    Der ehemalige verstorbene Hausbesitzer war in den 60er - 90er Berufsmusiker in einem bedeutenden Wiener Orchester. Ich denke nicht, dass dieser auf irgendeiner billigen Geige gespielt hätte.

    Kann aber natürlich nur ein Sammlerstück oder die 5,6 oder 7t Geige gewesen sein....

    Da ich überhaupt keine Ahnung habe und mir jeder Ankäufer alles erzählen könnte, bitte ich euch um Hilfe.

    An ein Original glaube ich natürlich nur zu 0,1%... schön wäre es:)

    Das Etikett konnte ich nur schlecht fotografieren. Auf dem Foto erkennt man zumindest Schriftstil und dass es "alt" aussieht. Schrift ist schon bißchen blas.

    Kann aber natürlich auch nur einfach gut nachgemacht sein.


    Beschriftung:

    Francesco Rugier detto il Per

    Cremona 1697


    wobei das 97 scheinbar händisch geschrieben wurde (könnte Bleistift sein)

    bis jetzt habe ich herausgefunden dass Rugier auch eine Schreibweise für Ruggeri sein kann.


    Optisch finde ich als Laie die Geige in natura sehr sehr schön und hochwertig:)

    Sie dürfte unbeschädigt sein, aber ein befreundeter Musiker hat sie wieder zusammengebaut, probegespielt und die Wörter "eventuell ausgeschachtet" (oder ähnlich) verwendet.
    Das dürfte nicht gut sein.... Hat man angeblich gerne vor 100 Jahren so gemacht.


    Um eine erste Einschätzung würde ich bitten.


    Die Fotos sind zu verschiedenen Zeiträumen und Lichtverhältnissen aufgenommen worden. Es handelt sich immer um die selbe Geige. Sollten andere Fotos benötigt werden so versuche ich diese zu liefern.


    Liebe Grüße und Danke,

    Alex

  • Willkommen im Forum!


    Schnecke und Wirbelkasten sind sehr sauber angeschäftet, die Wirbellöcher wurden ausgebuchst. Das Holz ist zwar nicht spektakulär, aber sie ist gut verarbeitet. Schnecke und Wirbelkasten finde ich besonders schön. Dennoch halte ich sie nicht für eine Geige von Francesco Ruggieri, sondern für eine Mittenwalder Geige, die um 1800/1820 gebaut wurde.


    Hast Du noch ein Bild der Unterzarge, also von dort, wo der Endknopf in die Zarge geht, an dem mittels der Einhängesaite der Saitenhalter befestigt ist? Und wie sieht die Unterseite der Schnecke in Richtung Wirbelkasten hin aus, diese enge Stelle, die man schlecht fotografieren kann? Gehen die beiden Aushöhlungen, die hinten an der Rückseite des Wirbelkastens beginnen und weiter nach oben und vorn entlang der Schneckenaußenseite und in Richtung ihrer Unterseite verlaufen, an der Unterseite bis ganz nach hinten zum Wirbelkasten?


    Die Geige sieht rissfrei aus. Ich würde mit ihr zu einem Geigenbauer gehen und ihn/sie um eine Werteinschätzung bitten. Vielleicht müssen die Wirbel überarbeitet oder der Sitz der Stimme optimiert werden, ansonsten sehe ich keine notwendigen Arbeiten.


    Ob sie nachträglich ausgeschachtelt (Decke und/oder Boden dünner geschabt) wurde, lässt sich aus der Ferne nicht sagen. Früher wurde das oft gemacht, um den Klang zu verbessern. Mit einem Hacklinger Dickenmessgerät kann man die Stärke von Decke und Boden auch bei einem geschlossenen Instrument messen. Dann könnte man eine Vermutung anstellen, ob sie überarbeitet wurde oder nicht.


    Was hat Dein Bekannter zum Klang gesagt? Klingt sie dünn oder hohl? Das könnte ein Indiz sein, dass Decke und/oder Boden zu dünn gearbeitet wurden oder dass das Setup nicht optimal ist. Ein Geigenbauer kann das Setup optimieren.

  • Ich denke auch es ist hier besser mehrere Geigenbauer aufzusuchen.

    Köster in Stuttgart zum Beispiel. Den Zettel in der Form hat es gegeben.

    Aber ob der Original oder eine Copie ist schwierig von Bildern her.

    Die Schnecke schein Angeschäftet zu sein und wie und die Wirbel löcher sind gebuchst das ist meist ein Indiez das die Geige lange Intensiv gespielt wurde und einen Guten Klang hatte.

    Deshalb spare nicht am Material. Saiten, Steg, Stimme, Saitenhalter

  • Hallo,


    danke euch beiden für eure erste Einschätzung!

    leider kann ich nicht Geige spielen und habe auch nicht vor sie zu behalten.

    Sollte sie wirklich etwas besonderes sein, so soll Sie in gute Hände kommen. (Wert mal vernachlässigt).

    Der Freund meinte, dass sie für ein Orchester ok ist aber nicht für ein Solo geeignet ist. Eventuell hat er das Wort dünn oder leise verwendet...und dass es echt schade ist, dass ihr das "angetan" wurde. Aber vielleicht stimmt auch nur das "Setting" nicht. Ich werde noch einmal nachfragen und die Info nachreichen. Der Vorbesitzer war in der Position der "Ersten Geige". Keine Ahnung ob die Info hilft....

    Ich bin kein Musiker. Verzeit mir wenn ich nicht die richtigen Ausdrücke verwende....

    Ich lade jetzt noch ein paar Fotos hoch. Leider verstehe ich die Fachausdrücke nicht ganz. Aber ich denke die Vertiefungen gehen soweit man sehen kann.

    Ich habe nach Unterzarge gegoogelt, weiß aber nicht genau was gemeint ist. Vielleicht ist die Info auf den Fotos dabei.


    LG

    Alex

  • Das Bild von der Schneckenunterseite (Bild 1) zeigt gut, dass die Kehlung bis zum Ende hin geht. Der interessante Bereich der Unterzarge in Bild 3 ist leider gerade um den Endknopf herum zu dunkel, um erkennen zu können, ob es dort in der Zarge eine senkrechte Naht gibt oder nicht. Gibt es keine Naht, ist die Unterzarge durchgehend, was zusammen mit der Schnecke weitere Indizien für eine Herkunft aus Mittenwald wären.


    Ich empfehle nach wie vor einen Gang zum Geigenbauer.

  • Hallo,

    Jetzt habe ich verstanden um was es geht….. es ist doch Eine Naht vorhanden….

    Jetzt beim Foto machen ist mir aufgefallen dass es sich bei der Verfärbung links der Naht eventuell um einen Namen handeln könnte? Bin mir aber nicht sicher.

    ich werde auf jeden Fall mehrere Fachleute aufsuchen. Von welchen Werten reden wir hier? Ich habe schon jemanden der Sie haben will aber ,,verschenken’‘ aus Unwissenheit will ich Sie nicht….

  • Hm, schwer zu sagen, ob das eine Signatur ist. Wenn, dann vielleicht unter dem Lack auf das Holz aufgemalt. Ich glaube nicht, dass man so filigran und flüssig etwas in Lack einritzen kann oder (früher) so einen Stempel herstellen konnte.


    Die Unterzarge spricht gegen Mittenwald. Kann aber auch sein, dass ein Teil davon mal erneuert wurde. Ich würde sie im oberen dreistelligen/unteren vierstelligen Bereich einordnen, bei gutem Klang oder wenn sich eine Schule/ein Meister zuordnen lassen, entsprechend höher.

  • Ist eine einfache böhmisch sächsische Kopie. Ihre Geschichte erinnert zu 99,9% an ein klassisches Klischee und passt zur Violine, hat Ihnen sicher der Verkäufer so erzählt??😉.



    Wert: wenn rissfrei/mängelfrei und spielfertig 300-700 €. Bei gutem Klang auch mehr, je nach gefallen des Käufer.

  • Ja, diese Dachbodengeschichten (oder wo auch immer man die Geige versteckt gefunden hat) hört man (zu) oft. Nun ist es in der Realität aber meistens so, dass wertvolle Instrumente -zumindest ausserhalb von Kriegszeiten- nicht an Orten wie Dachböden/Kellern... versteckt werden (schlechte Klimaeinflüsse), sondern gerade im Profibereich rechtzeitig vor dem Ableben verkauft, verliehen, abgegeben...oder zumindest im Testament erwähnt werden. An "Vergessen" braucht man bei einem Profimusiker, dessen "Leben" die Musik ist und die oft ein nahezu liebevolles/emotionales Verhältnis zu ihren Instrumenten pflegen nicht zu glauben- das sind so typische Geschichten von Leuten, die selber wenig Bezug zur Musik und zu Instrumenten haben. Natürlich kommt es vor, dass ein Musiker plötzlich stirbt, und die Hinterbliebenen das Instrument "wegräumen", aber so oft, wie diese Dachboden/Villen/Adels/...-Profimusikergeschichten hier im Forum auftauchen...soviele Orchester gibt es gar nicht. ;)


    Deine Geige ist hübsch und gut gebaut, an ein Original glaube ich aber auch nicht, sondern würde auch erstmal Sachsen/Böhmen vermuten. Trotzdem kann die Geige gut klingen, und je nach Klang im 3 bis (niedrigen) 4 stelligen Bereich angesiedelt sein. Leider sind die Preise im Keller, und auch Instrumente, die vor 20 Jahren noch vierstellig bezahlt wurden, sind im Wert deutlich gefallen. Vielleicht ändert sich das mit der Inflation ja wieder... ;)