Gabriel Lemböck, 2-ter Versuch

  • Es kann ja jeder forschen wie er will- und ich finde die Ausführungen auch nicht uninteressant. Ich bin aber leider Realist- und da muss ich eben sagen, dass das mit der Echtheit der Geige meiner Meinung nach nix zutun hat.


    Das schmälert nicht den Aufwand, und es darf da jeder machen was er will und das hier auch niederschreiben- aber es ist eben Detektivarbeit.

  • Vielleicht erkläre ich es noch mal anders: Es gibt die Fakten, und da bist Du, Chiocchola, unglaublich fleissig und kreativ und bekommst viele Informationen heraus. Das ist auch sehr interessant, und da glaube ich Dir auch, dass Du da extrem gründlich bist und alle Hebel in Bewegung setzt.


    Und dann kommt die Bewertung der Fakten. Da finde ich viele Deiner Schlussfolgerungen unkritisch, viel zu spekulativ. Und da habe ich den Eindruck, wir drehen uns im Kreis, und Alternativerklärungen, so wahrscheinlich sie auch sein mögen, interessieren Dich zugunsten einer irgendwie doch bestehenden Möglichkeit nicht.


    Aber ich werde dazu nix mehr sagen- Du recherchierst die Fakten sehr gut und sehr gründlich, und bereicherst das Forum mit sehr guten und validen Ansätzen.

  • Ich schließe mich Hannes an und finde, ein bisschen mehr Respekt und ein wenig mehr Toleranz im Umgang hilft hier uns allen. Ich habe mich in letzter Zeit häufig gefragt, was hier passiert ist. Nicht nur in diesem Thread. Bitte vor dem Drücken von "Antworten" noch einmal drüber nachdenken, ob das Geschriebene nicht u.U. den Gegenüber verletzen könnte.

  • Nochmal zum Thema Zettel:

    Lange habe ich so gedacht, wie es mir ein alter, knorriger Geigenbauer geraten hat: Ignoriere sämtliche Zettel und gehe davon aus, dass sie ohnehin alle falsch ist. Kaufe Instrumente nur wegen des Klanges und der Funktion, und fertig. Ich bin bisher gut damit gefahren.

    Durch das Mitlesen hier im Forum habe ich aber ein wenig umgedacht. Natürlich ist es spannend, ob nicht doch irgend jemand auf dem Dachboden eine echte alte Geige findet, und am Besten mit den Eigenschaften "alle wesentlichen Teile original und zusammengehörig, mit echtem Zettel".

    Falls man jetzt also durch die Untersuchung des Zettels herausfinden könnte, dass dieser auf einem modernen Drucker hergestellt oder mit Filzstift unterschrieben ist usw., dann wäre es eben zumindest kein Instrument mehr mit den Eigenschaften "alle wesentlichen Teile original und zusammengehörig, mit echtem Zettel".

    Jetzt wäre also die weitere Frage: Wie wahrscheinlich ist es denn, dass eine alte Geige mit den Eigenschaften "alle wesentlichen Teile original und zusammengehörig" einen Zettel hat, der zwar den echten Geigenbauer anzeigt, andererseits jedoch im 20. oder 21. Jahrhundert hergestellt wurde? Ich würde sagen, nicht sehr groß.

    Folgt man dieser Logik, hat also m.E. der Zettel keine absolute Beweiswirkung für Echtheit, aber im Falle eines falschen Zettels ist das schon ein Indiz eine für die Nicht-Echtheit. Daher denke ich, wenn man es als Ausschlusskriterium ansieht, dann ist es durchaus interessant, den Zettel zu untersuchen.

    Ähnlich bei der Dendrologie: Wenn ein Holz Maserungen von 1650 aufweist, kann die Geige trotzdem 1960 aus einer Kirchenbank gebaut sein. Anders herum, wenn das Holz Maserungen von 1960 zeigt, kann sie auf keinen Fall 1750 gebaut worden sein. Ihr versteht, was ich meine.

    Meine Kurzauswertung: Zettelkunde und Dendrologie liefern keinen zwingenden Beweis für die Echtheit eine Geige, die Untersuchung kann aber zumindest Gegenargumente (Ausschlusskriterien) zutage fördern. Und solange solche nicht gefunden werden, *könnte* sie echt sein.

    Korrigiert mich bitte, falls ich das falsch sehe.

  • Ich sehe das auch so und finde deshalb auch die Analyse der Schriftart sehr interessant. Wenn auf einem Zettel die Jahreszahl 1820 steht, die Schriftart aber das erste Mal 1910 auftaucht, dann ist es sehr wahrscheinlich, das der Zettel nicht 1820 erstellt wurde.

  • Andersherum funktioniert das natürlich nicht, da ja oft bewusst alte Schriftarten verwendet werden. Ein echter Zettel mit Datum 1910 kann dann mit einer um 1700 gebräuchlichen Schriftart erstellt worden sein.

  • Hannes und Norbert, genau so sehe ich das auch. Im Prinzip muss man nach „Gegenbeweisen“ suchen, also nach „warum eine Geige/ein Kunstwerk/... nicht echt sein kann“.


    Die Analysen von Dir, Chioccola, sind sehr valide (und ich verstehe deinen Vorwurf an mich, ein Ignorant der Wissenschaft zu sein, nicht, da genau das Gegenteil der Fall ist).


    Das Gemeine ist, dass auch die Fälscher -und ich meine hier nicht unbedingt eine eher preiswerte Geige wie die hier im Thread- bei Fälschungen (Instrumente, Kunstwerke) auch wissen, wie und was geprüft wird. Auch namhafte Museen und ausgewiesene Experten können „aufs Kreuz gelegt werden“. Es ist ein Wettlauf zwischen immer besseren Analysemethoden auf Expertenseite und kreativem Wissen auf Fälscherseite, die manchmal bessere Experten als die Gutachter sind.


    Wenn jemand einen Künstler fälscht, und nicht nur stilistisch identisch zeichnet, sondern dazu auch altes Papier (z.B. Vorsatzpapier aus Büchern) der gleichen Region/Papiermühle nimmt, und sich auf historische Materialien, die Papier nicht angreifen und die sich mit der Zeit kaum verändern (z.B. Rötel) beschränkt, ist eine Fälschung schwer nachweisbar.


    Bei Geigen gibts natürlich mehr Faktoren, da sind Kopien meist viel offensichtlicher. Das Grundprinzip, nach „Gegenbeweisen“ für die Echtheit zu suchen und kritisch zu sein, ist aber ähnlich.

  • Ähnlich bei der Dendrologie: Wenn ein Holz Maserungen von 1650 aufweist, kann die Geige trotzdem 1960 aus einer Kirchenbank gebaut sein.

    Genau, und sogar ein erst 1960 geschlagener Baum kann innen noch sehr alte Maserungen haben.


    Dendrologie zeigt einen Ausschnitt. Ich weiß nicht, wie man feststellen kann, wieviel älteres und jüngeres

    Holz es vor und hinter diesem für die Geige verwendeten Ausschnitt gibt.
    Bzw. wie alt sind die Bäume im Schnitt, wieviel und was davon wird verwendet usw. und gibt es da
    überhaupt eine Regel?

  • Was ich gelesen habe, gehen bei der Verarbeitung zur Geigendecke - je nach Weite der Jahresringe - vom jüngsten Holz außen in der Regel etwa 5 Jahre verloren. Dazu rechnet man eine Trockenzeit von weiteren 5 Jahren, so dass eine Geige frühestens etwa zehn Jahre nach dem jüngsten Jahresring gebaut werden konnte. Das gilt natürlich nur, wenn für den Bau das jüngste Holz verwendet wurde. Stammt das Holz weiter aus dem Inneren, stimmt die Rechnung natürlich nicht mehr.


    Aber geht man davon aus, dass auch die Holzerträge ökonomisch durchgeplant wurden, hat man einen Baum wohl kaum länger als nötig wachsen lassen, so dass mit ziemlicher Sicherheit meistens die äußeren, dicksten Bereiche des Stammes verwendet wurden. Ist das verständlich?


    Bei ganzen Decken, die recht selten sind, kann man der Datierung durch die Dendrochronologie noch mehr glauben, weil fast der gesamte Stamm-Radius verwendet wird.

  • Aber geht man davon aus, dass auch die Holzerträge ökonomisch durchgeplant wurden, hat man einen Baum wohl kaum länger als nötig wachsen lassen, so dass mit ziemlicher Sicherheit meistens die äußeren, dicksten Bereiche des Stammes verwendet wurden. Ist das verständlich?

    Ja, das klingt einleuchtend. Ausnahmen wären dann sehr alte Bäume. Die wurden ja vor 300 Jahren nicht

    extra erst angepflanzt, sondern man hat in den Bergen nach passenden Bäumen gesucht, soweit ich weiß.