Ich bin etwas überfordert gerade. Ich habe eine sehr alte Geige gekauft ohne das ich Informationen über diese eher seltene Ausführung erhielt!

  • Nun, jedwedes Ding ist wert, was der Käufer dafür zahlen will. Und für so eine Geige einen passenden Käufer zu finden, könnte schwierig werden. Dass jemand auf Pinterest eine "vintage" Geige (also alt!) für über 6000$ zum Verkauf anbietet, heißt noch lange nicht, dass sie jemand zu diesem Preis haben will.
    Jemand, der das Instrument spielen will, dürfte primär am Klang interessiert sein und die Schnitzerei als unnützes Bling-Bling einstufen und kaum bereit sein, dafür einen großartigen Aufpreis zu bezahlen. Dazu kommt, dass der Boden ja etwas dicker sein muss, um die Schnitzerei ohne Stabilitätsverlust überhaupt zu ermöglichen, was klanglich suboptimal ist. Oder anders ausgedrückt: Wer nach dem Klang geht, wird mit sehr großer Wahrscheinlichkeit für weniger Geld besser klingende Instrumente finden.
    Von solchen Schnitzereien hat man eigentlich nur etwas, wenn man vorhat, die Geige in eine Vitrine zu packen und auszustellen. Denn beim Spielen sieht man die Schnitzerei weder selbst, noch kann das Publikum sie sehen. Ob es so viele Kunden gibt, die das vorhaben, bezweifle ich und wo wenig Kaufinteresse ist, sind die Preise nun mal niedrig.

  • Diese Geigen wurden so um ca. 1880-1910 in Sachsen/Böhmen gefertigt, und waren auch in den einschlägigen Katalogen der Musikinstrumentengrosshändler zu finden, also entsprechende Massenware. Zielpublikum waren das gehobene Bürgertum, die "etwas Besonderes" wollten, z.B. eine besonders "hübsche" Geige für die zum Violinspiel verdonnerte höhere Tochter :) oder als Vitrinenobjekt zum gelegentlichen Fiedeln zum Nachmittagstee.


    Als Instrumente für Konzertmusiker waren diese nie gedacht, und wären auch nicht verkauft worden. Es ging bei diesen Instrumenten nicht vordergründig um den Klang, sondern um die "Deko"- bestens zu erkennen an dem ungleichmässig hohen, nicht nach klanglichen Aspekten ausgearbeiteten Boden.


    Um 1900 herum gab es einen "Historienboom"- es wurden z.B. auch "historisierte" Bögen gefertigt mit geschwungenen Elfenbeinfröschen etc., im frühen Jugendstil schmücken Fabelwesen (Drachen, Nymphen, Götterfiguren) die Fassaden, und die Reformarchitektur greift die "mittelalterliche" Burgenarchitektur (oder was man sich darunter vorstellte!) wieder auf… In diesem historischen Zusammenhang und "Lifestyle" sind auch diese Geigen zu sehen.


    Wert: Je nachdem, ob man jemanden findet, der Sammler ist oder auf Kuriositäten steht, oder jemanden, dem der Klang (der gerade bei diesen Instrumenten aufgrund der Schnitzerei eher Glückssache ist-Ihre hat wenigstens einen ganzen Boden!) trotz der Schnitzerei gefällt (nicht jeder mag solche "auffälligen" Instrumente). Mehr als 300-400 Euro werden bei Ebay aber nicht geboten werden, es sei denn, es gibt mehrere Bieter, die an eine urururalte Geige glauben. Diplomatisch ausgedrückt: Wahrscheinlich hat es Gründe, warum Ihnen der Vorbesitzer nicht so viel über den Wert, die Herkunft und das wahre Alter der Geige sagen wollte.


    Was haben Sie denn dafür bezahlt?

  • Grins...bei der Summe 3oo - 400 Euro muss ich schmunzeln...es war ein demnach wunderbares Schnäppchen für 70,00 Euro!
    Wobei Klang hat sie auch, wenn sie auch nicht an die Stainer erranreicht. Die Besitzerin hat sie von einer Tante geerbt
    und wusste sogarnichts damit anzufangen. Als Deko is sie mir zumindest lieber als eine Chinageige für 70,00 Euto
    und vielleicht finde ich ja doch noch herraus wer sie baute...grins...weisst du jemanden der sich mit Böhmischen Geigen auskennt?

  • Eine gute Adresse ist das Musikinstrumentenmuseum Markneukirchen, die haben auch ein Forum… Dennoch mache ich Dir nur sehr wenig Hoffnung was das Herausfinden des Erbauers angeht. Sicher lässt sich noch feststellen, welche Händler solche Geigen im Programm hatten, aber da das mit Sicherheit mehrere waren und diese die Geigen in der ganzen Region zusammenkauften wird der Erbauer nicht mehr feststellbar sein.


    70 Euro sind wirklich ein guter Preis, ein Kuriosum ist sie allemal.

  • So nu war ich mit der Ritterfiedel zum Sachverständigen ( Historiker)...
    Tja, alles anders als gedacht!
    Das Schätzchen ist zwischen 1820 und 1860 in Österreich gebaut worden und war wohl ein Geschenk
    für einen Geistlichen der Kirche von Valère - Sion - die Schweiz.
    Werde weiter forschen, ob das wirklich stimmen kann.

  • Na, das klingt ja fast so, als sei der "Historiker" dabeigewesen… :)


    Ehrlich: Nur weil die Basilique de Valere ein bisschen burgähnlich ausschaut und oben im "Wappen" ein Kreuz zu sehen ist (welches man ENTWEDER als Schweizerkreuz ODER als religiöses Kreuz deuten kann!), heisst das noch lange nicht, dass die Fiedel irgendwas damit zu tun hat. Die 'Burg" sieht nämlich der Basilika überhaupt nicht ähnlich. Desweiteren würde ich annehmen, dass man in eine Geige für einen Geistlichen nicht irgendwelche Pseudomittelalterlichen Helme geschnitzt hat, und auch nicht das "politische" Schweizerkreuz". Und woher weiss er, dass es ein Geschenk war? Keine Auftragsarbeit? Kein Souvenir? Keine Gabe an verdiente Mitbürger oder den örtlichen Bürgermeister? Warum ein Geistlicher? … Für alles fehlt mir da ein bisschen die Begründung, zumal, wie gesagt, diese Geigen 1880-1910 en vogue waren und in vielen Variationen massenhaft hergestellt wurden. Waren das dann auch alles Geschenke an Burgherren, Klostervorsteher etc.? :)


    Genauso wahrscheinlich wie diese Erklärung wäre, dass die Geige einem Kreuzritter (da sind ja Helme drauf!!! Und 'ne Ritterburg!!!) oder jemandem vom Templerorden (da ist ja ein Kreuz drauf!!!) gehört hat ;)


    Allein die Schnecke sieht so verdammt nach Böhmen/Sachsen aus, dass ich mich sehr wundern würde wenn die Geige woanders herkäme. Ich würde daher den Gang zum Geigenbauer (gerne auch mehrere, oder eine Anfrage im Forum des Musikinstrumentenmuseums Markneukirchen, oder ein Besuch in der Musikinstrumentensammlung der Uni Leipzig…) vorschlagen. Der Historiker mag gut sein, aber jeder Historiker spezialisiert sich auf eine bestimmte Epoche und auf bestimmte Aspekte- solange das keiner war, der sich auf Musikinstrumente des 18-20.Jahrhunderts spezialisiert hat wäre ich da seeehr vorsichtig. :)

  • Ich Markneuenkirchen könnte man mir leider gar nichts sagen...lach, man war so schlau wie ich...
    Ich fand das nun auch etwas ungewöhnlich als Aussage, darum werde ich mich an die Leitung des Museums von Valere wenden...das is der nächste Schritt.