Erwachsene Anfaenger

  • Hallo,


    auch ich habe erst vor einigen Wochen mit dem Geigenspielen begonnen und es macht mir sehr viel Spaß. Zwar bin ich auch schon über 50 und werde vermutlich kein Meister, aber das spielt keine Rolle.
    Klavier spiele ich schon länger, so dass ich Noten lesen kann.


    Ich würde mich sehr über regen Austausch mit anderen Anfängern freuen, vielleicht ergibt sich ja sogar mal die Möglichkeit zum gemeinsamen Spiel.


    Robsi

  • Ich habe mir vor ein paar Monaten einen Kindheitstraum erfüllt. Als ich im Grundschulalter war, kam mein Bruder auf die Musikschule. Auch ich wurde gefragt. Ich wollte unbedingt Geige lernen. Aber mein Vater befand, dass das anfangs furchtbar klingt, und so wurde ich kurzerhand auch an den Flügel gesetzt. Nach drei Jahren habe ich alles hingeschmissen. Der Traum vom Geigespielen ist geblieben. Später wurde mir gesagt, dass man dieses Instrument extrem früh anfangen muss: Hirnverbindungen, Augen-Hand-Koordination, Beweglichkeit der Fingergelenke usw.
    Jetzt bin ich 40, meine Kinder sind groß, und da dachte ich: Jetzt tust mal etwas für dich. Was du schon immer mal machen wolltest. Ich habe eine Geigenlehrerin gefunden, die nur erwachsene Schüler unterrichtet, denn "die kommen freiwillig". Unter diesen Schülern gibt es einige, die wirklich wunderbar spielen können. Und auch ich kann schon bescheidene Fortschritte verbuchen.
    Will sagen: In jedem Alter kann man ein Instrument lernen. Klar werde ich keine Fähigkeiten eines David Garrett haben, aber das will ich ja auch nicht. Der Klang, die Freude, das Abschalten beim Spielen und einfach mir selbst genügen und die Befriedigung, wieder eine Herausforderung gemeistert zu haben, darum geht es mir. Mit 40 nochmal anzufangen ein neues Instrument zu lernen, und zwar Geige, war die beste Entscheidung seit Jahren.

  • Ich habe mit 21 Jahren angefangen, komplett ohne Vorkennntnises (Blockflöte in der Grundschule, aber danach alles wieder vergessen). Ich hatte dann 8 Jahre Unterricht. Anfangs war ich sehr verkrampft, hatte auch Sorge, dass man mir nach ein paar Wochen abraten würde, aufgrund des Alters. Später habe ich mit der Musikschule für kleine Auftritte in der Gruppe geübt. Das war einerseits gut, weil man mit vielen anderen zusammen übte und auftrat und die Stücke sehr lange wiederholte, andererseits schlecht, weil auch extrem begabte 11jährige dabei waren, deren Ziel es z.T. war, so schnell wie möglich spielen zu können. Also setzte ich mich unter Konkurrenzdruck. Darunter litt dann die Intonation...


    Nach dem Ende des Unterrichts spielte ich sporadisch weiter, auch mal mehrere Monate gar nicht, und kann sagen, dass ich jetzt innerhalb von zwei bis drei Tagen wieder rein kommen, wobei die größte Herausforderung das entspannte Spielen ist, nicht zu verkrampfen, sich nicht unter Druck zu setzen, auch mal eine Passage mehrfach zu wiederholen.
    Wer mal Amy Chua gelesen hat, hat dabei keine Hemmungen mehr (nicht, dass ich anderweitig mit Chuas Büchern einverstanden bin, aber das erste motiviert einen zum intensiven Üben).


    Mein Tipp an erwachsene Anfänger:
    Lasst es langsam angehen.
    Mir hat das Buch "Cello üben" von Gerhard Mantel sehr geholfen. Das ist eigentlich für Musikstudenten gedacht, beschreibt aber eine sehr gründliche Übungsroutine - wie übe ich ein Stück, wie lerne ich es auswendig, wie übe ich Intonation, wie übe ich Vibrato, (welche Vibratoarten gibt es), wie übe ich ausgeglichen, wie übe ich effizient, wie nähere ich mich "schwierigen Stellen", was ist Üben eigentlich genau, wie gehe ich vor, wenn ich ein neues Stück erarbeiten will, wie und wozu übt man "Technik", wie übt man Tonleitern effizient usw.


    Ich bin bis heute mit dem Notenlesen nicht so warm geworden. Ich kann "Noten lesen" = weiß, wie ich die Noten auf der Geige umsetzen soll, weiß aber nicht ohne "nachzuzählen", wie sie heißen oder vom bloßen Ansehen, wie sie klingen sollen. Dabei hat sicher jeder andere Ansprüche, mir selbst hat das so gereicht.


    Ich denke, man sollte als erwachsener Anfänger genau überlegen, was man will, und sich dafür den passenden Lehrer suchen und auch während des Unterrichts keine Scheu haben, Wünsche zu äußern (etwas zu wiederholen, eigene Stücke mitzubringen, viele Stücke zu lernen oder mal ein halbes Jahr nur an einem Stück zu üben, das man perfekt spielen können möchte etc.).
    Außerdem findet man viele hilfreiche Tipps im Internet, Blogs, Artikel, Videos, die einzelne Aspekte aufgreifen und verdeutlichen. Auch die helfen einem oft weiter, weil man immer wieder nachsehen kann, was man wie machen sollte.


    Ich habe nur für mich allein gespielt oder mal mit einer Freundin leichte Stücke geübt, Spielen im Musikschulorchster war mir zu anstrengend (Einsatz, Tempo halten, spielen im Sitzen etc.).


    Insgesamt habe ich drei Instrumente als Erwachsene ausprobiert, neben Geige jeweils für ein halbes Jahr Querflöte und Klarinette. Mit der Klarinette kam ich gar nicht klar, eine Querflöte habe ich mir gekauft, die auch sporadisch gespielt wird. Auch dabei halfen mir ein paar Videos zu Intonationsübungen sehr weiter.


    Fazit:
    Probiert es aus, definiert Eure Ziele, nehmt Euch Zeit und habt Spaß dabei. Wird es zu stressig, würde ich die Stunden weiter auseinander legen oder fragen, ob ein Lehrer erst mal nur sporadisch nach Absprache zur Verfügung steht. Ich hatte irgendwann Stress, da ich nicht mehr zu regelmäßigem Üben kam und dann sehr verkrampft in die Stunde ging. An diesem Punkt habe ich aufgehört, Unterricht zu nehmen und erst mal längere Zeit nicht mehr gespielt, bis es wieder ruhiger wurde.


    LG von
    Charlotte

  • hallo zusammen,
    ich weiss nicht ob hier in diesem Thread noch jemand mit liest, aber nur als Tipp: es gibt immer wieder gerade in Gemeindezentren/Kirchen kleinere Orchester, die beispielsweise den Kirchenchor unterstützen.
    Eine andere Möglichkeit wäre, an weiterführenden Schulen, Gesamtschulen oder Waldorfschulen nachzufragen. Dort gibt es oft einen Oberstufen- oder Schulchor, die für Auftritte häufig vom Eltern-Lehrer-Orchester begleitet werden.
    Auch wenn man kein Elternteil ist wir d die Verstärkung bestimmt gerne angenommen.
    Das ist zwar dann nicht unbedingt ganz regelmäsiger Probenbetrieb, aber man bekommt Erfahrung und in der probenfreien Zeit kann man ja die nächsten Konzertstücke üben.
    Und @ Vanilla 123: ich bin nach 30 Jahren Wiedereinsteigerin (vorher 8 Jahre Geigenunterricht) und brauche auch trotz fundierter Vorkenntnisse unbedingt Unterricht.
    Man gewöhnt sich sonst zu schnell Fehler an und meine Bogenführung ist momentag jenseits von irgendwas :( ...
    Ich kann wegen unterschiedlicher Arbeitszeit und aus diversen anderen Gründen auch nicht regelmässig wie früher jede Woche zum Unterricht gehen.
    Ich habe mir eine Lehrerin gesucht, die mich nach Absprache immer wieder mal dazwischen schiebt - das klappt ganz vorzüglich!
    Weiterhin viel Spass an alle Spätlernenden :) ...

  • Ein Argument für das Anfangen besonders im Alter: es zögert den Eintritt von Gedächtnisschwäche heraus. Das ist wissenschaftlich erwiesen. Wer ein Instrument lernt (oder ein neues Hobby generell) aktiviert neue Gehirnzentren und es bilden sich neue Verknüpfungen. Ich hatte mit 64 mein Saxophon gekauft und wenig später ein Klavier. Jetzt kam noch eine Bratsche hinzu. Blasinstrumente fordern den Atmungsapparat zu neuen Taten, man muss den nächsten Ton innerlich hören, damit sich die Mundregion entsprechend einstellt, und das Zwerchfell will geschult sein. Klavier fordert das Gedächtnis, denn um ein Stück gut spielen zu können, muss man es (normalerweise) auswendig können. Das Streichinstrument erfordert feinmotorische Geschicklichkeit und erwiesenermaßen beansprucht andere Gehirnzentren als das Klavier.
    Erwachsene verderben sich oft den Spaß, indem sie an sich zu hohe Erwartungen stellen. Lieber einfache Stücke gut spielen als schwierige mit Ach und Krach.

  • Bin 58 Jahre alt spiele seit kurzer Zeit Geige und habe schon mein Spass wenn der Ton etwas weniger schräg ist, Für meine Umwelt (Familie) ist das weniger lustig, vorallem Morgen ( Sonntag), um 8,30 Uhr werden meine Söhne wieder die Krise kriegen. ;) .Aber da müssen sie durch.
    Ich will eine passable Geige bauen und da gehört das gelegentliche Anspielen dazu auch wenn es wohl nie virtuos werden wird.Mal sehen wie die Geige wird. Auch höchste Ansprüche erfüllt man nur durch zwanglose Annäherung über die untere Liga. Der Weg ist das Ziel.

  • Auch ich habe jetzt mit fast 40 angefangen, Violine zu lernen. Bin aber nicht ganz unbedarft, da ich bereits in Gitarre, Querflöte, Klavier, Horn und Gesang geübt bin.
    Da ich keine Lust habe nur Kinderlieder und Skalen zu üben, habe ich mir jetzt das Adagio aus BWV 1001 und die ersten Variationen der Chaconne (bis zu den 32tel-Läufen) vorgenommen. Mir macht es unheimlich Spaß, die Doppelgriffe zu intonieren. Spätabends/nachts übe ich diese hauptsächlich ohne Bogen gezupft um die Nachbarn nicht zu verärgern.
    Jetzt meinte meine Lehrerin, es wäre zu früh, mit Bach anzufangen. Ich mag aber irgendwie nichts anderes spielen. Muss ich mir den Spaß an Bach erstmal verkneifen, weil ich dann falsch übe?

  • Ich denke man sollte den Rat der Lehrerin befolgen. Ich denke grad als Anfänger sollte die richtige Intonation erstmal sitzen, bevor man sich an solche Werke macht. Was bringt es einem die tollsten Stücke "spielen" zu können, aber von der Intonation passt es hinten und vorne nicht. Man sollte sich nicht zu schade sein Kinderlieder zu spielen, den dort kann man oft die Intonation Schritt für Schritt üben und hören. Man kann sich auf YouTube diverse Progrerssvideos anschauen. Ich habe das Gefühl, vielen geht es dabei nur um zu zeigen WAS sie für Stücke spielen können, Das wie bleibt dabei aber auf der Strecke. Trotzdem soll es vor allem Spaß machen. Wenn du das mit Kinderliedern nicht hast, dann frage doch mal deine Lehrerin was sie sonst anbieten kann. Rieding oder Kühler zum Beispiel?

  • Nein, definitiv nicht. Mein erstes Cellostück war der erste Satz aus Bachs Solo Suiten für Cello. Allerdings habe ich einen Lehrer, der das empfiehlt und ich bin ganz seiner Meinung. ;)


    Da du schon ein musikalisches Gehör hast, sollte Dich dein Lehrer da eher unterstützen.


    Aber Lehrer sind eben unterschiedlich. Die einen meinen, dass alles nach Plan geübt werden muss. Die andeen helfen ihren Schülern, da zu spielen was sie wollen. Es muss dann ja noch nicht perfekt sein...

  • Hmm...interessant.
    Ich sehe ein, dass es evtl. leichter ist über Anfängerstücke die Intonation zu lernen. Allerdings habe ich das Gefühl, dass mich gerade die vielen Doppelgriffe bei Bach in der Intonation schulen, da ich schlechte Intonation bei einem Akkord deutlicher wahrnehme als bei einzelnen Tönen. Heute habe ich aber auch festgestellt, dass die einzelnen Töne bei Doppelgriffen manchmal eine etwas andere Intonation/Intervalle benötigen als bei Skalenläufen (z.B. das b zu Beginn des Adagio BWV 1001 muss beim Doppelgriff etwas höher gegriffen werden als beim anschließenden Lauf). Das finde ich absolut interessant und ist wohl so nur auf bundlosen Streichinstrumenten möglich. Das ein Ton nicht einfach ein Ton ist, sondern an sein harmonisches Umfeld angepasst werden muss, kenne ich so nicht von anderen polyphonen Instrumenten. Das finde ich total spannend!


    Allerdings werde ich um einfache Lieder nicht herumkommen, alleine schon aufgrund der Bogenführung, sowie Haltung, die noch unter aller Kanone ist.