Ideen zu dieser Geige?

  • Ich möchte Euch eine Geige vorstellen. Sie hat mir wegen der asymmetrischen F-Löcher gefallen. Es ist eine 3/4-Geige, aber sie hallt beim Anklopfen schön nach und verspricht einen guten Klang. Die Decke hat viele Risse, darunter Stimm- und Bassbalkenriss. Bis auf letzteren sind alle geleimt. Der Bassbalken ist vermutlich eingeleimt, aber so zierlich, dass ich dazu tendiere, ihn zu ersetzen. Der originale Stiefelhals ist erhalten, auch der Unterklotz könnte original sein. Die Reifchen sind recht sauber gemacht, allerdings z.T. ungleichmäßig. Die Geige hat keine Eckklötze.


          


       


    Der Boden ist rissfrei, und es gibt einen Zargenriss und ein Loch in der Zarge, das irgendwie hinterfüttert zu sein scheint. Der Lack ist etwas weniger rötlich als auf den Bildern. Die Einlage hat einen breiten Mittelspan.


       


    Auffällig sind die beiden Pins in der Decke und im Boden. Außerdem hat die Schnecke jeweils ein Loch als Markierung der Mitte, was für mich darauf hindeutet, dass sie mit Hilfe eines Zirkels konstruiert wurde.


          

  • Die Ecken sind sehr sauber gemacht, und der Wirbelkasten weist kein Delta auf.


          


       


    Die Maße kann ich morgen nachreichen. Was haltet Ihr von der Geige? Habt Ihr Ideen zum Alter und einer möglichen Herkunft?

  • Sachsen Böhmen denke ich auch zwischen 1800 bis 1850. Stiefelhälse hat man noch weit bis nach 1900 für höheres Alter vorgetäuscht. Aufgrund der vielen Reparaturen ist aber von einem höheren Alter auszugehen.....

  • Vielen Dank für Eure Einschätzungen. Seid Ihr nur wegen der aufgeschachtelten Bauweise bei Sachsen/Böhmen gelandet? Das dachte ich zuerst auch, aber dann habe ich die Pins in Decke und Boden gesehen und die Zirkeleinstiche in der Schnecke und war mir nicht mehr so sicher. Aufgeschachtelt wurden Geigen früher ja in ganz Europa. Wer in Sachsen/Böhmen macht sich die Mühe, mit Pins zu arbeiten und die Schnecke zu konstruieren und lässt dann die Ecken ohne Blender? Ich halte diese Geige für eine ganz selbstbewusste Arbeit und auch die asymmetrischen F-Löcher für beabsichtigt.

  • Warum keine Blender gemacht wurden… weil zu dieser Zeit das Aufschachteln vielleicht kein Makel war, sondern eben eine alternative Bauweise, deren man sich nicht zu schämen brauchte und die man nicht kaschieren musste. Daher sehe ich auch keinen Widerspruch zu den Nägeln am Boden.


    Schneckenkonstruktion: Warum wurden die Zirkeleinstiche nicht entfernt…? Es werden wohl viele Schnecken mit dem Zirkel angelegt worden sein, auch wenn man die Einstiche nicht mehr sieht.


    Die Form der Schnecke und die Form des Korpus finde ich sehr sächsisch, auch solchen rötlichen Lack kenne ich von dort aus dieser Zeit. Auch in Sachsen gab es zu allen Zeiten individuelle Geigenbauer, nicht alles ist billige Manufaktur. Aber wie ich schon des Öfteren hier schrieb: Überall gab es Geigenbauer, und die wanderten in ihrer Gesellenzeit damals durch halb Europa. Daher findet man immer wieder Instrumente, die verschiedene Einflüsse aufweisen. Da lässt sich dann einfach nicht sagen, wo diese herkommen- wurde die Geige in Sachsen gebaut, oder von einem Geigenbauer, der eine Weile in Sachsen tätig war, oder auch nur bei jemandem lernte, der irgendwann mal in Sachsen tätig war….bei typischen Manufakturinstrumenten ist das einfach, bei weniger typischen Instrumenten kann man nur eine wahrscheinliche Herkunft annehmen. Und da sehe ich starke sächsische Einflüsse…