beschädigte Geige Süddeutschland(?)

  • Hi Leute,


    ich bin momentan auf der Suche nach einer Geige in Orchester- bis Solistenqualität als Benchmark für Sammlungsausbau und da meine momentane Hauptgeige (Mittenwalder Meister, mittleres Niveau) klanglich limitiert ist. Dabei bin ich mal wieder von einem Händler behumst worden. Die gemäß Aussage "rissfreie" Geige kam mit einem 3cm langen Riss rechts neben und offener Mittelfuge entlang des Saitenhalters an. Laut Etikett ganz vernünftiger süddeutscher Geigenbauer, circa Mitte 20. Jahrhundert aktiv - allerdings ist die Geige nicht datiert, signiert, gestempelt, was für den Geigenbauer untypisch wäre. Es würde mich interessieren, 1. wie sich die Beschädigung etwa auf den Wert auswirkt (Prozent). 2. Ob so ein Geigenbauer die Geige gebaut haben könnte, oder ob irgendwas China oder Osteuropa schreit. Ich habe von Geigen noch nicht so viel Ahnung. Anhand der Verunreinigungen und Spielspuren ist sie definitiv mindestens einige Jahrzehnte alt 3. Wie wertig die Geige optisch insgesamt anmutet 4. Was für Holz eurer Meinung nach bei Zargen und Rücken verwendet wurde. Ist das Pappel? Mir geht es jetzt gerade darum zu eruieren, ob ich wirklich Geld in eine Reparatur stecken will, da ich bereits beim Kaufpreis über mein gesetztes Budget gegangen bin, bloß weil ich die Geige ganz hübsch fand. Außerdem will ich mir keine Geige ans Bein nageln, die ich irgendwann in der Zukunft wegen der Beschädigungen nicht mehr verkauft bekomme, da mein Equipment häufiger wechselt, getrieben von ständigem Optimierungsdrang. Ich schätze, ich könnte sie wieder für ein paar Euro leimen lassen, aber, sollte die Geige hochwertiger sein, ist solch Flickwerk sicher nicht angebracht? Vielen Dank für euren Rat, schönes Wochenende und viele Grüße

  • Wenn Sie von einem Händler kommt kann Sie wieder zurück gegeben werden. Ich sehe bei dieser Geige kein Meisterwerk die Schnecke wurde recht Grob bearbeiten. Boden und Zarge sind Ahorn. Ich verstehe allerdings nicht das man eine Geige kauft ohne Sie zu probieren mit der Erwartung Orchester oder Soloklang zu erhalten. Von meinen 300 Geigen die gekauft habe waren 8 Geigen für das Orchester und eine mit Solo Qualität und alles war reine Glückssache. Wert deiner Geige richtet sich nach dem Klang. Den kann man leider erst nach einer Reperatur feststellen. Zur Reperatur ein Öffnen der Geige oder eine teilweise Öffnung wird notwendig sein. Damit dürfte die Reperatur 800€ überschreiten. Sollte der Klang dann nicht in dem Gewünschten Berich liegen hat die Geige nur noch einen Schüler Wert von 300 bis 500€.

  • Danke für die Einschätzung. Unabhängig davon, ob die Geige von dem Meister ist, waren seine Schnecken schon etwas einfacher und gebrauchte Geigen von ihm werden um 6-10k+ gehandelt, hatte regional einen ganz guten Ruf. In dem Preissegment sind die Gebrauchtgeigen meines Wissens oft schon orchestertauglich, sofern man nicht nur nach großen Namen kauft. Das als mein Ansatz.

  • Die Frage ist doch ob echt oder nicht echt. Wenn ich eine Geige bei einem Geigenbauer kaufe die ein Namen hat wird Geigenbauer das auch bestätigen. Wenn ich eine Geige in einem Auktionsportal kaufe und es wird der Hinweis auf ein Zettel gegeben dann ist damit zu rechnen das die Geige nicht dem Meister oder der Werkstatt zu zuordnen ist. Geh doch einfach zu einem Geigenbauer und lass die Geige einmal durchsehen. Sollte er zu dem ergebniss kommen das Sie Echt und den Wert hat wie Du sagt steht ja einer Reperatur nichts mehr im Wege. Ich gehe davon aus das du selber bei einem online Kauf viel weniger als 6 bis 10K ausgegeben.

  • Das Modell der Geige sieht für mich nicht wie die Standard-Strad- oder Guarneri-Kopie aus, die man aus China oder Osteuropa bekommt. Deshalb könnte sie durchaus ein persönliches Modell eines Meisters sein. Die Flammung des Ahorns sieht aber nicht europäisch aus, sondern passt eher nach China.


    Achtung, das neben dem Griffbrett ist ein Bassbalken-Riss. Um ihn ordentlich zu leimen, müssen die Decke abgemacht und unter dem Bassbalken Belege gesetzt werden, die im Bassbalken ausgespart werden müssen. Weiß nicht, was das beim Geigenbauer kostet, aber es ist keine ganz einfache Reparatur und damit auch nicht günstig. Weiterhin würde der Geigenbauer mindestens das Griffbrett abrichten, was auch etwas kostet.


    Wenn möglich, würde ich die Geige zurückgeben. Und eine Geige, die solistisch oder im Orchester gespielt werden soll, würde ich nie online ohne Anspielen kaufen, außer ich habe ein Rückgaberecht und kann die Geige eine Weile ausprobieren. Der Geigenbauer oder private Angebote einer bestimmten Preisklasse wären hier meine Anlaufstelle.

  • Übrigens kann man m.E. mit einem ordentlichen Setup auch alte sächsische/böhmische Geigen so hinkriegen, dass sie orchestertauglich sind. Und die Schnecke dieser Geige finde ich eigentlich ganz hübsch, und das Instrument ist insgesamt ordentlich gearbeitet. Zum potentiellen Wert kann Dir der Geigenbauer Deines Vertrauens mehr sagen.

  • Das neben dem Griffbrett sieht mir eher aus wie ein Kratzer, aber die groben Wirbellöcher finde ich seltsam?


    Sieht aus wie das, was so um 1,5 k über die Kleinanzeigen geht, dann aber komplett auf eigenes Risiko. Ein Rubbellos quasi 😉 berichtest du dann, was der Geigenbauer gesagt hat?

  • Wenn die als rissfrei verkauft wurde, dann würde ich die zurück geben. Das funktioniert auch, wenn eine Rücknahme ausgeschlossen wurde, da eine zugesicherte Eigenschaft fehlt. Da du schreibst, dass du eigentlich über deinen Budget gekauft hast (und ja eine Orchestergeige kaufen wolltest), gehe ich davon aus, dass der Preis nicht ganz günstig war. Also kein Risiko eingehen und zurückgeben.

  • Hi, danke fürs Feedback und die Hinweise. Ja, habe Rückgaberecht und auch etwas rechtlichen Hintergrund. Montag geht es zu Geigenbauer Nr.1, gebe dann Bescheid. Die meisten Geigenbauer haben aber von anderen regionalen Geigenbauern hinsichtlich Verifizierung nicht so Ahnung, so zumindest meine bisherigen Erfahrungen. Ging mir hier auch eher um Warnsignale/red flags in Bezug auf Provenienz, da ich noch viele Wissenslücken habe. Holz hatte mich am ehesten hieran erinnert https://stringsmagazine.com/the-forest-the-trees/ Die anderen Spuren sollten nur Kratzer sein. Ja, konnte die Form auch nicht ganz zuordnen, erinnert imho etwas an Maggini. Danke nochmals

  • Mein lokaler Geigenbauer konnte nicht abschließend sagen, ob echt oder nicht. Ihm erschließt sich nicht, warum man einen eher lokal bekannten Meister fälschen sollte. Ein Experte aus Bayern hat bisher nicht geantwortet. Wollte diesmal nicht Herrn Köstler damit nerven, der recht fix und nett zu sein scheint. Laut Geigenbauer ist die Geige ein ganz okayes Gerät, in dem Zustand aber kein Schnäppchen. Einzig der Lack ist ein etwas billigerer Spirituslack, in Abweichung von angeblich Öl beim Etikettmeister. Auch hier müsste man die Decke nicht zwingend öffnen, was aber wenig am Wertverlust ändert und Nachteilen bei einem späteren Verkauf. Eine andere Stimme meinte, es könnte Osteuropa 30er Jahre sein. Ich werde die Geige zurückgeben und auf eine andere Gelegenheit hoffen.