Bitte um Einschätzungen zu meiner Geige mit Scarampella-Etikett

  • Hallo zusammen!


    Ich bin Karin, ganz neu hier und freue mich sehr, dieses Forum gefunden zu haben. Nachdem ich jetzt ein bisschen geschmökert haben, traue ich mich mal, meine Anfrage zu stellen. Ich habe eine - wie ich finde - recht schöne Geige mit Scarampella-Etikett (s. Fotos) und würde so gerne mehr über dieses Instrument erfahren.


    Seit ca. 28 Jahren besitze und spiele ich sie als meine einzige Geige. Ich habe sie nach ein paar Jahren Unterricht von meinem hochverehrten ersten Geigenlehrer verkauft bekommen, nachdem meine Mutter das Geld dafür zusammengekratzt hat. Es waren, glaube ich, 3000 DM. Es gibt meines Wissens keine Unterlagen darüber, ich erinnere mich nur noch daran, dass er sie damals nicht jedem verkaufen wollte und dass es eine ca. 100 Jahre alte (Aussage von 1992/93) Scarampella-Geige sei.


    Also ich liebe meine Geige heiß und innig und möchte sie auf keinen Fall verkaufen. Dennoch würde ich gerne wissen, was es damit auf sich hat. Ein Geigenbauer aus meiner Gegend hat letzens den Zustand als sehr gut beurteilt, hat aber weiter nichts dazu gesagt.


    Ich freue mich sehr über Kommentare und Einschätzungen und stehe für Rückfragen gerne zur Verfügung! Danke im Voraus ;)


    Herzliche Grüße und allerseits noch einen schönen Nikolaustag,


    Karin

  • Hallo Karin ich kann kein Label in meinen Büchern finden welches so aussieht wie deines.

    Um gewissheit zu bekommen würde ich Eric Blot Bilder senden.

    Für mich sieht es nicht nach einem original aus da ich keine Geige finden konnte

    wo er nach Amati gebaut hat ich gehe hier von der Form der F Löcher aus.

    Sollte Eric Blot zu weit sein, ist Köstler in Stuttgart auch eine Gute Addresse.

  • Sehr schöne Geige mit kleiner Schnecke, wenig Flammung, schöner Lackierung. Echte Scarampellas werden

    hoch gehandelt, z.B. bei Bromptons ab 50.000 aufwärts und sehen m.M.n. auch anders aus. Von daher bin ich

    mir ziemlich sicher, dass dies keine Meistergeige ist und wohl auch keine italienische. Den Erbauer bzw. die

    Werkstatt nur anhand der Merkmale herauszufinden wird schwierig. Viel wichtiger finde ich die schöne Geschichte,

    dass dein Geigenlehrer sie dir verkauft hat. Zusammen mit deinem Geigenlehrer macht ihr beide inzwischen
    womöglich mehr als die Hälfte des Lebens der schönen Geige aus.

    Und der alte (originale?) Kinnhalter ist auch noch drauf. :)

  • Scarampella war eigentlich Schreiner. Er hat erst spät angefangen circa ab 40, Instrumente zu bauen. Schon 1886 war er früher Witwer und hatte zwei Kinder zu ernähren. Deshalb arbeitete er immer als Schreiner weiter. Sein Vater war ein sehr guter Amateur Geigenbauer. Sein Bruder professioneller Geigenbauer, der bei Bianchi in Genova gelernt hat. Sein Bruder Giuseppe Scarampella starb 1902. Stefano erbte Werkstatt und Lack Rezepte. 1902-1915 baut er seine besten Instrumente, aber wenige. Sein Wissen hat er dann weiter an Gaetano Gadda vererbt.

    Gadda Und einige andere italienische Zeitgenossen haben seine Modelle auf Teufel komm raus kopiert. Heute werden auch die italienischen Kopien aus der Zeit sehr teuer gehandelt. Du hast aber eine sehr schöne deutsche Kopie meiner Meinung nach sächsischen Ursprungs. Die italienischen Kopien haben einen anderen Lack, andere C-Bügel, andere f-Löcher und eine andere Schnecke. Der Zettel zeigt, dass seine Modelle auch in Deutschland sehr beliebt waren und kopiert wurden, nachdem die Firma Hill in London und die Firma Hamma in Stuttgart die „Besonderheit“ der italienischen Geige in Deutschland und England etabliert hatten. So ungefähr wie mit dem italienischen Wein😂😂😂.

    Vor allem das Lack Rezept war nicht so leicht zu kopieren.

    Viel Spaß mit der schönen Geige.


    Es gibt noch sehr viel mehr zu berichten über das sehr interessante Leben von Scarampella und seinen Zeitgenossen. Aber das würde den Rahmen hier wohl sprengen.

  • Also für ein Original halte ich sie auch nicht. Die erste Vermutung war bei mir auch Sachsen/Böhmen um 1900… aber so richtig passt die Schnecke nicht.


    Ich tippe(!!!) mal auf jünger, 50-70ger Jahre, gute osteuropäische Werkstatt. Ähnliche Geigen wurden damals und bis heute unter geschönten Angaben an den Mann gebracht.


    Entscheidend ist aber nicht die Herkunft, sondern der Klang und die Spielbarkeit.

  • Für den Blickwinkel des Geigenspielers ist natürlich Klang und Spielbarkeit entscheidend. Aber der Wert einer Violine nach(Der vielleicht ominösen) Fuchstaxe hat mit dem Klang rein gar nichts zu tun wie in der Fuchstaxe ja auch definiert. Der antiquarische Wert hat mit Zusammengehörigkeit und Echtheit zu tun und erfährt Abschläge durch Bassbalkenriss und Stimmriss, entfernter Altlack, etc. wie in der Fuchs Taxe hier nachzulesen ist.

    Ich für meinen Teil würde diese beiden Welten nicht mischen und einfach nebeneinander stehen lassen.


    Braaatsch , Es würde mich aber doch interessieren, wovon du die möglichen siebziger Jahre und die östliche Herkunft ab leitest? Ich würde eher die Zargenhöhe prüfen 😉. Eigentlich müsste der Geigenlehrer ja wissen wo die Geige herkommt und wie lange sie in seinem Besitz war? Kann man den vielleicht noch fragen?

  • Guten Abend,


    Wow, vielen Dank für die interessanten und professionellen Einschätzungen!

    Ich bin absolute Hobbygeigerin, vielleicht nicht ganz schlecht im Spielen, aber mir fehlt da schon viel Wissen das Instrument im Allgemeinen. Und auf vielen verschiedenen Geigen zum Vergleich hab ich auch noch nicht gespielt, aber ich finde den Klang meiner Geige schon sehr schön und bin wie gesagt quasi mit ihr verwachsen...


    abalon Danke für die Adressen! Werde ich mal versuchen...


    Fiddler Danke für den schönen Kommentar. Ja, der Kinnhalter ist sehr besonders :) Keine Ahnung, ob es der originale ist.


    Braaatsch Danke für die Hinweise.


    Chiocciola Danke für die ausführliche ind interessante Antwort! Leider kann ich meinen alten Geigenlehrer nicht mehr fragen, er ist schon vor vielen Jahren gestorben. Unterlagen gibt es überhaupt keine, ich hab extra meinen Vater nochmal befragt. Ich weiß leider gar nicht, wie lange er sie schon in seinem Besitz hatte.

    Die Maße hab ich mal genommen, danke für die Vorlage (s. Anhang). Die beiden seitlichen Maße hab ich nicht verstanden... Ist das die Breite der Zargen?


    Liebe Grüße in die Runde,

    Karin

  • Chiocciola: Die Schnecke, die Ecken, die Art der Lackierung/Antikisierung passt für mich nicht nach Sachsen. Sie erinnert mich an polnische und ungarische Instrumente, allerdings welche aus Geigenbauwerkstätten, die bis heute mit illustren Zetteln genaut werden, nicht die aus staatlichen Fabriken.


    Allerdings können Fotos täuschen, und sicher bin ich mir keinesfalls.

  • Die Maße hab ich mal genommen, danke für die Vorlage (s. Anhang). Die beiden seitlichen Maße hab ich nicht verstanden... Ist das die Breite der Zargen?


    Liebe Grüße in die Runde,

    Karin

    Ja, das ist die Höhe der Zarge und die ist bei Scarampella sehr flach. Scarampella ist sozusagen der Lamborghini unter den Geigenmodellen. Ist deines so flach oder hast Du eher eine Zargenhöhe von 31-32 mm?


    Scarampella-Modelle haben angeblich eine etwas schlechtere Ansprache dafür kann ein wirklich guter Geiger den Ton individueller und feiner modulieren.


    Scarampella hatte nur einen Schüler: Gaetano Gadda. Dieser hat sein Werkzeug und seine Modelle übernommen. Und dieser hat alles an seinen Sohn Mario Gadda übergeben. Mario Gadda war ein sehr guter Kopist alter

    Geigenmodelle. Deshalb stellt sich nach längerer Untersuchung oft heraus, dass eine eigentlich korrekt gebaute, orginalwirkende Scarampella Geige in Wirklichkeit eine Mario Gadda ist und damit statt 250.000€ nur noch 10.000€ Wert ist.🤷‍♂️. Ich vermute, italienische Orginal-Geigen sind deshalb etwas(?) teurer, weil die Geigenproduzenten deutlich familiärere Betriebe hatten als in Deutschland oder Frankreich. Italienische Kopien aus der Zeit sind jedoch sehr schwer von Orginalen zu unterscheiden. Eric Blot ist sich in der Zuordnung auch nicht immer sicher😉.


    Dies bezieht sich aber nur auf italienische Kopien aus der Zeit, in deinem Fall ist es unstrittig.