Merkmale von Meistergeigen/bratschen/celli vs. Manufakturgeigen/bratschen/celli?

  • Hallo,
    eine Frage, die mich seit längerem beschäftigt: Wie kann man so genannte "Meistergeigen" von "Manufakturgeigen" unterscheiden? (Gleiche Frage natürlich auch für Bratschen, Celli, Bässe ...)

    Formal ist ja in Deutschland geregelt, dass eine Meisterin oder ein Meister einen Meisterbrief braucht, und damit auch eine nachgewiesene Ausbildungszeit mit Abschlussprüfung. Ausschließlich Instrumente, die von solchen Personen gebaut wurden, dürften also im juristischen Sinn als "Meisterinstrumente" bezeichnet werden (völlig ungeachtet der baulichen oder klanglichen Qualität).

    Das meine ich aber nicht. Stattdessen: Mir wird ein Instrument vorgelegt, über dass ich erst einmal nichts weiß, und dann möchte ich rausfinden, ob es ein "Meisterinstrument" oder ein "Manufakturinstrument" ist.

    Ich bin ja relativ unerfahren bei dieser Frage, aber ich gehe immer davon aus, dass in ein "meisterhaft" gebautes Instrument vor allem mehr Zeit investiert wurde, als in ein Serieninstrument. Zusätzlich ist es wohl auch oft so, dass hochwertigere Materialien verwendet wurden, das ist aber keine feste Regel.

    Mehr Zeit, das würde bedeuten: Mehr Sorgfalt und Genauigkeit bei Details, also bei Kleinigkeiten. Wie konturiert ist die Decke, sind die Ecken und die F-Klappen einfach oder gekehlt, wie sauber sind die Kanten der Zargen gearbeitet, wie gerade stehen die Zargen, wie gleichmäßig sind die Einlagen, sind diese eher dick oder eher fein, wie sauber ist der Wirbelkasten ausgestochen, sind dort Kanten abgerundet, wie parallel stehen die Wirbel, wie sauber ist die Naht am Knopf ausgeführt (falls es eine gibt), stehen Ober- und Untersattel genau rechtwinklig zur Geigenachse, wie sauber sind die Klebenähte. Das alles sind erste Hinweise darauf, wie handwerklich und sauber die Arbeit ausgeführt wurde.

    Dann der Blick ins Innere: Saubere, glatte Verarbeitung, genau passende Reifchen, ggf. Belegung der unteren Mittelnaht, genaue Bohrung im Unterklotz. Von innen sichtbare Ziffern weisen wohl fast immer auf eine Serienproduktion hin.

    Tja, und dann kann man eine Geige haben, die absolut vorbildlich gebaut ist, und sie klingt trotzdem nicht ...

    Bei der Schnecke bin ich sehr unsicher, denn die Schnecken, die ich als "kruckelig" empfinde, zu denen sagen dann andere oft "ausdrucksstark" oder "charaktervoll".

    Dann der Lack. Ein Thema für sich. Keine Ahnung, wie man beim Lack an sich ein Meisterinstrument von einem gut gemachten Serieninstrument unterscheiden soll. Am unteren Ende des Spektrums gibt es allerdings ein typisches Kennzeichen: Alles, was nach "sunburst"-Look und/oder Spritzpistole aussieht (egal, ob Ober- oder Unterseite), ist verdächtig.

    Inzwischen habe ich ein wenig erkennen können, wenn eine "Antikisierung" durch immer dasselbe (Kratz-?)Werkzeug gemacht wurde, d.h. die "Macken" sehen alle gleich aus. Typische schwarze Striche, wie von Wachsmalstiften zeugen von einer hastigen, gewerbsmäßigen "Überarbeitung".

    Zettel: Relativ "sicher" scheinen mir Zettel zu sein, die wohl kein Mensch fälschen würde. Unbekannter Geigenbauer aus Böhmen - das kann wohl stimmen. Aber auch da weiß man nicht, ob es sich um eine Meisterarbeit handelt oder z.B. um ein Serieninstrument, das in Heimarbeit gemacht wurde.

    Material: Am deutlichsten ist wohl die Qualität des Griffbretts unterscheidbar. Je dunkler, auch nach Abnutzung, desto teurer, und damit steigt die Wahrscheinlichkeit auf ein Instrument, in das auch mehr Zeit investiert wurde.

    Was meint Ihr?

  • Einen sehr wichtigen Punkt habe ich vergessen (bzw. halb-bewusst umgangen, will mich aber nicht drücken): Die Qualität des Holzes.

    Auffallend viele Geigen der "großen Meister" haben sehr feinjähriges Deckenholz unter dem Steg, und nach den Seiten hin werden die Jahresringe dann breiter. Das letztere kann man als den natürlichen Verlauf des Wuchses ansehen, aber das stimmt nicht immer - bei vielen Geigen bleiben die Jahresringe relativ gleichmäßig eng. Bei den "alten Meistern" jedoch fast nie, und daher vermute ich auch hier Absicht.

    Äste oder sonstige Fehler im Holz lassen fast immer auf billigeren Einkauf schließen, mit Ausnahme allerdings von Haselfichte (und vermutlich gibt es noch mehr "Spezialitäten".

    Bei den Zargen und beim Boden gelten starke Flammung als Qualitätsmerkmal, und besonders dann, wenn sie noch diagolal (angeschrägt) laufen. Ob das auch klangliche Vorteile hat, weiß ich nicht. Fest steht jedoch, dass Zargen mit starker Flammung schwerer zu bearbeiten sind und beim Biegen auch leichter brechen, und daher ist so etwas auch einfach ein optisches Zeichen: Hier wollte jemand gutes Handwerk zeigen.

    Dem steht allerdings entgegen, dass auf dem Markt haufenweise asiatische Instrumente angeboten werden, die eindeutig aus Serienproduktion stammen, dennoch aber alle oder viele der oben genannten Qualitätsmerkmale in der Holzwahl aufweisen. Das ist auch der Grund, weshalb ich diesen Punkt zunächst weglassen wollte. Er ist aber zu wichtig, um nicht darüber zu sprechen.

  • Ganz so einfach ist das alles nicht. Schon allein der Begriff „Meisterinstrument“- der ist, soweit ich weiss, nicht geschützt.


    Es ist auch nicht zwangsläufig so, dass Werkstattinstrumente oder Instrumente aus kleineren Manufakturen schlechter sind als individuelle Arbeiten eines Meisters. Wer heute als Meister fünfstellige Beträge aufrufen kann, kann sich Zeit lassen. Wer -zumindest damals, als es noch keine Fernostproduktion gab und auch Meister „Schulgeigen“ bauten- um zu überleben einen bestimmten Output brauchte, hat auch als Meister nicht perfekt gebaut.


    Manufaktur hat auch den Vorteil, dass immer die gleichen Leute immer die gleichen Arbeitsschritte machen, und somit dabei auch extrem erfahren sind. Sprich, wer schon die 500ste Schnecke schnitzt, kann das besser als jeder Meister, für den das erst die 3. ist.


    Die entscheidendere Frage ist der Zeitdruck. Viele der alten Böhmengeigen wurden im Rekordtempo gebaut, das ging nur im Akkord mit Leuten, die eigentlich „Experten“ sind. Daher gibt es immer wieder auch herausragende Manufakturinstrumente, und auch Manufakturen, die sich auf ein höheres Qualitätssegment spezialisierten.


    Und gleichzeitig gibt es „echte Meisterinstrumente“, die als Schulinstrument konzipiert waren, um das gesamte Kundenspektrum bedienen zu können.

  • Flammung: Nicht jeder Meister hat auf Flammung Wert gelegt. Es ist eher ein Kundenwunsch- laut Möckel klingt ungeflammtes Holz besser. Und auch Spezialhölzer wie z.B. Pappel oder Platane sind nicht immer stark geflammt.

  • Im Prinzip sind Deine Kriterien eine sehr gute Zusammenfassung. Das haben auch die Chinesen gemerkt, und werfen viele optisch fantastische Instrumente auf den Markt. Für sehr, sehr viele Meisterinstrumente treffen Deine Kriterien zu, und vor allem, wenn man sich die Summe der Merkmale ansieht und schaut, wie viele davon erfüllt sind.


    Ein Meisterinstrument -oder ein gutes Manufakturinstrument, da mache ich keinen Unterschied!- erfüllt sicher nie alle der Kriterien, aber eben sehr viele davon. Für mich persönlich macht es keinen Unterschied, ob da ein Name drinsteht oder nicht.


    Für mich ist -spieltechnisch- die Qualität wichtig, und die äussert sich in vielen Deiner Punkte, aber vor allem im Klang.

  • Wir haben die Kriterien hier bei jeder „Beurteilung“ auf dem Tisch. Insgesamt macht es die Summe

    vieler kleiner Details, die dann mehr in Richtung „Manufaktur“ oder „Meistergeige“ hindeuten.


    Das ist nicht einfach zu beschreiben, sonst könnte das ja jeder. Nur viel Erfahrung hilft da weiter.


    Ich habe wenig Überblick über die vielen Geigenbauer. Für mich zählt dann der Lack, die Rundungen,

    auch des Randes im Detail, Kleinigkeiten, wie exakt ist der Sattel eingepasst, gibt es Schleifspuren,

    Ritzen. Wie individuell ist die Form oder die Schnecke. Holzwahl: außen weite Maserung ist keine

    Absicht. Sehr feine Maserung über 15 cm ist eben selten. Sehe ich aber oft bei alten Meistergeigen,

    fast nie bei günstiger Manufaktur.


    Kurz gesagt, es ist immer ein Zusammenspiel vieler Faktoren, und selten ist etwas ganz „sicher“.


    (Außer man nimmt ein Instrument, das einen renommierten Preis gewonnen hat, da stimmen die

    Details dann zu 100%. Da ist dann auch mal ein Rand oben in Ahorn eingefasst oder ähnliches, da

    sieht man dann schon deutliche Unterschiede zu einfacher Manufaktur)