Meine allerliebste, aber etwas umstrittene, Geige

  • Also, die Zargen sind noch da. Zargen sind die Seitenflächen. Was Du meinst, ist dass der Deckenüberstand etwas schmal ist. Solange da überhaupt noch Deckenüberstand ist, ist das kein Problem.


    Ein böhmisches Manufakturinstrument ist das meiner Meinung nach nicht. Der dunkle Lack täuscht, und der könnte meiner Meinung nach auch jünger sein. Die Geige hat fantastische Hölzer, sowohl Decke als auch Boden, und wenn man sich schon die Mühe macht, teuren und seltenen Vogelaugenahorn zu nehmen, kleistert man den normalerweise nicht so dunkel zu.


    Solcher dunkler Lack war aber in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem in Böhmen modern... daher glaube ich, dass die Geige farblich überarbeitet wurde. Es ist aber kein typisches böhmisches Manufakturinstrument dieser Zeit.


    Ich tippe auf 1. Hälfte 19. Jahrhundert, vielleicht auch kurz vor 1800, aber da bin ich mir ganz unsicher. Die Form der F-Löcher und das Deckenholz würde auch zu Sachsen dieser frühen Zeit passen, aber die Form der Schnecke nicht- diese finde ich irritierend,und die macht auf mich auch einen jüngeren Eindruck. Dort finden sich Alterungsspuren, die unecht wirken, so wie man das oft bei böhmischen Manufakturinstrumenten findet.


    Raum Wien? Vielleicht auch Prag oder Sachsen? Das ist echt schwierig, weil irgendwie der Lack und die Schnecke für mich nicht ganz stimmig sind. An böhmische Manufaktur glaube ich nicht- aber ich hab das Instrument nicht in der Hand, und da kann man sich immer irren.

  • @Fiddler ich habe alles genau gelesen. Aber nicht jeder Geigenbauer kennt sich mit alten Geigen aus. Hier wird doch deutlich wie unterschiedlich zwei Geigenbauer die Geige beurteilen. Woher wollen wir jetzt festlegen welcher von beiden richtig liegt. Und den zu wählen wo uns die Antwort am besten gefällt heißt nicht das er auch recht hat. Hier braucht es jemanden der die Erfahrung hat und das ganze Schriftlich bestätigt in Form einer Wertschätzung. Dann könnten sich auch ganz andere Werte ergeben wenn Österreich bestätigt wird.

  • @Fiddler ich habe alles genau gelesen. Aber nicht jeder Geigenbauer kennt sich mit alten Geigen aus. Hier wird doch deutlich wie unterschiedlich zwei Geigenbauer die Geige beurteilen. Woher wollen wir jetzt festlegen welcher von beiden richtig liegt. Und den zu wählen wo uns die Antwort am besten gefällt heißt nicht das er auch recht hat. Hier braucht es jemanden der die Erfahrung hat und das ganze Schriftlich bestätigt in Form einer Wertschätzung. Dann könnten sich auch ganz andere Werte ergeben wenn Österreich bestätigt wird.


    Dann haben wir uns missverstanden.


    Du hast bemängelt bzw. gefragt, warum der Geigenbauer keine genaue Schätzung abgab.
    Darauf meinte ich, „vor 1800“ sei genau genug.
    Darauf meintest du, anhand der Bilder im Internet könne man das nicht sagen.


    Ging also irgendwie aneinander vorbei ... ;)

    Zu den Schätzungen: Der eine Geigenbauer macht unglaubwürdige Angaben zu Alter und Preis.
    die nicht stimmen können. Beim anderen sehe ich erstmal keinen Grund, an seinen Angaben zu zweifeln.
    Eine 100% Expertise ist es nicht, sofern es die überhaupt in diesem Fall gibt. Aber ich halte den Reparatur-
    zettel für echt und einige andere Merkmale, wie z.B. die Holzwahl, sind zu erkennen.

  • Erst einmal ohne zweifel eine schöne Geige. Ich finde die Beschreibung von Braaatsch trifft es ziemlich genau.
    Es kann so ziemlich alles sein. Der zweite Geigenbauer gibt auch nur an Wahrscheinlich Wiener Raum.
    Sicher war er also nicht. Bleibt nur noch das Alter was ohne Hilfsmittel wie ein Zettel des Erbauers ( natürlich nur wenn er echt ist).
    Nehmen wir an die Geige hatte eine Böhmische Schnecke die zu Stark Kaputt war und durch eine neue ersetzt wurde.
    Schon sind wir wahrscheinlich nicht mehr in Österreich sondern in Böhmen / Sachsen / Prag
    Nun möchte der Eigentümer die Geige erhalten und einige reperaturen vornehmen, da er Sie Spielen möchte.
    Jetzt spielt es keine rolle wie teuer es wird da die Geige gefällt. Es sei den das man nur soviel Investieren möchte das es den Wert nicht Übersteigt. Jetzt brauche ich wieder einen Wert der Geige, es muss ja keine Expertise sein es kann ja auch die kleine Wertschätzung für die Versicherung sein. Kosten um die 30€. Es sollte nur einer machen der Ahnung hat und die Stillmerkmale Wiener Geigen kennt und Sie als Wiener Geige bestätigen oder ausschließen kann.

  • Ich denke, da hatten beide Geigenbauer recht.
    Bessere Arbeit als Manufaktur, jedoch sehr aufwendige, risiko reiche Reparaturen notwendig (deshalb teuer - die Höhe der Kosten ist von der Region des Geigenbauers abhängig.)


    Ein Verkauf privat kann evtl. danach 1500 geben. Über einen Geigenbauer natürlich auch einiges mehr, wegen den Garantien und Aufwänden, Risiken, Lagerkosten etc. (Das hatten wir hier auch mehrmals besprochen, warum es beim Geigenbauer teurer sein muss und soll und welche Vorteile damit verbunden sind. Vorteile, die eine Privatperson nie garantieren kann.)

  • Liebe alle,


    um das hier noch einmal zum Abschluss zu bringen: erst einmal vielen für eure Einschätzungen und Meinungen!


    Ich war mit der Geige nochmal zum professionellen Schätzenlassen und es war wahnsinnig spannend und aufschlussreich.

    Fazit der Herren: Korpus aus der 1. Hälfte 18. Jhd., eventuell original Thi(e)r oder auch alt-französisch(!?). Schnecke irgendwann 19. Jhd, wenn ich mich recht erinnere. Hals wieder was anderes natürlich. Am Lack wurde viel herumgetan, aber Neulackierung würde man natürlich trotzdem nicht machen.

    Sie waren recht angetan vom Klang und fanden die Geige - wie eigentlich alle ;) - ausgesprochen sympathisch. Und sie würden an Restaurationen oder Reparaturen genau gar nichts machen. Alle Risse sind zu, wenn auch nicht alle besonders toll gemacht wurden, und der Klang ist super. Warum also daran herumdoktern und Geld reinstecken, wenn eh alles passt. Also hab ich ihr jetzt schöne, neue Evah Pirazzi verpasst (ein himmelweiter Unterschied!) und werde mit meiner Hübschen glücklich.


    Verkaufswert schätzten sie auf ca. 2000-3000€ beim Geigenbauer. Verkaufe aber eh nicht. Nur ein offizielles Wertgutachten sollte ich vielleicht mal machen lassen und die alte Lady versichern...