Instrument "einspielen" - gibt´s das?

  • j_g_Gütter: Das käme auf das konkrete Versuchsdesign an. Angenommen, man gäbe dem Musiker jedes Instrument für eine Woche. Er soll danach enrscheiden, ob die Geige eingespielt war oder nicht.


    Jetzt gibt es theoretisch 4 Fälle.


    1. Instrument roh, Spieler sagt "roh": Das Urteil stimmt. Das würde für eine Einspielveränderung vorrangig im Instrument sprechen, da der Spieler diese wahrgenommen hat.


    2. Instrument roh, Spieler sagt "eingespielt": Urteil stimmt nicht, hier hätte der Spieler keine Veränderung wahrgenommen, das spräche also gegen eine EVeränderung des Instrumentes durch Einspielen.


    3. Instrument eingespielt, Spieler sagt "roh".: Urteil stimmt nicht. Die wahrgenommene Veränderung geht auf die Anpassung des Spielers zurück.


    4. Instrument eingespielt, Spieler sagt "eingespielt". Das bedeutet, dass es keine wahrgenommene Veränderung durch Technikanpassung des Spielers gab.


    Da es nur eine ja/nein Entscheidung gibt, müsste man das nonparametrisch testen (sofern man nur einrn oder wenige Spieler hat), also am Besten mit Chi-Square-Test. Der benötigt für die Sensitivität mindestens 10 Fälle pro Zelle, also 80-100 Instrumente sollten es schon sein....

  • Reumont wird in dem Artikel im Absatz über "Künstliches
    Einspielen über aufgezwungene Vibrationen“ ja auch vorgestellt. Und auch hier
    haben verschiedene Untersuchungen nach dem Entdämpfungsverfahren von Reumont zu
    eher vielfältigen Ergebnissen geführt. Da gab es neben positiven Ergebnissen
    auch negative wie Frequenzenabnahme von Resonanzen, Pegelverluste und
    Resonanzlücken.

  • Allerdings gibt es zahlreiche Versuche die Studie der Vibrationsentdämpfung nachzustellen, die ohne das erwartete Ergebnis enden. Don Noon zum Beispiel ist einer derer, die solche Messungen ohne Erfolg gemacht hat.
    Braatsch, das ist eine statistische Untersuchung und die Wahrscheinlichkeit eines Treffers wenn es diesen Effekt nicht gibt, liegt bei 50%.
    Man muss also das Experiment für einen Nachweis des Einspieleffekts also so häufig wiederholen, dass der Mittelwert mit statistischem Fehlerbereich nicht mehr bei den 50% liegt (55(5) wäre also noch nicht ausreichend zum Beispiel). Das ist durchaus aufwändig da bei Zählversuchen die Wurzel n Abhängigkeit gilt.

  • Mit dem Paarverfahren kann man natürlich au die Hälfte der Fälle kommen mit selbem Ergebnis, muss aber entweder die gleiche Menge an Geigen zur Verfügung stellen oder gewährmleisten, dass der Spieler keine Geige mit einer alten Entscheisung verbinden kann, er darf als keinerlei Erinnerungsfähigkeit der Instrumente besitzen.

  • Nochmal ne Frage angelegentlich dieses Themas. Ich habe jüngst ne 3/4 Schülergeige wieder zusammengebastelt. Habe sie jetzt vier Wochen täglich ca. 1 Stunde gespielt. Allerdings hatte ich sie erstmal um fast einen Ton tiefer gestimmt, weil mir das „Bassigere“ :D so irgendwie gefiel. Die machte soweit ganz gut mit, war aber manchmal in der Reaktion etwas „verhalten“ und –wenn auch selten - fiel auch mal nen Ton ganz aus, was, das konnte ich verifizieren, an der Geige lag.

    Nun habe ich sie heute auf den Kammerton gezogen und gespielt. Das war unglaublich! Ein Unterschied wie Tag und Nacht! Auf einmal klingt die richtig homogen, auf ne Art, die mir so noch garnicht bekannt war, erschreckend sensibel in der Ansprache und Tonausfälle gibt´s auch keine mehr. Richtig butterweich. War´n Gefühl, als hätte sie sich plötzlich "eingerastet" oder sowas. Ich freu mich natürlich! Aber ich würd´s auch gern verstehen. Da das ja so plötzlich nach dem Hochstimmen passierte, zwei Minuten vorher hatte ich ja noch "auf tiefer" gespielt...


    Wäre es denkbar, daß sie als gespielte Schülergeige, auf die übliche Frequenz "eingespielt" war, also das Holz durchaus diese Frequenz "benötigte"? Oder ist es wahrscheinlicher, daß sie so explizit auf diese Frequenz gebaut wurde, ah klingt blöd…weiß jetzt nicht, wie ich´s sagen soll? Mich verwirrt das.


    Hat jemand ne Erklärung für mich?

  • Also, bevor wir mit irgendwelchen frequenzliebenden Holzfasern anfangen… :) Entscheidend für den Klang ist das Schwingungsverhalten der Komponenten Saite, Steg, Decke, Stimmstock, Boden, Hals, Anbauteile… Optimal eingestellt, sind Steg und Gegendruck vom Stimmstock/Stimmstockposition auf eine bestimmte Deckenstärke und einen bestimmten Saitenzug (der als Druck auf die Decke wirkt) eingestellt.


    Wenn man nun durch Herunterstimmen/Hochstimmen diese Druckverhältnisse ändert, kann man den Klang ändern und bestimmte Frequenzen betonen/wegfallen lassen. Kurz, das System gerät aus dem Gleichgewicht, oder eben ins Gleichgewicht. Schön ist das z.B. bei Celli mit den Wolfstönen zu beobachten.


    Die Tonausfälle/Anspracheprobleme bei einzelnen Tönen waren vermutlich "Wolfstöne", die nicht nur bei Celli (die sind besonders anfällig dafür), sondern eben auch unter Umständen (selten) bei Geigen und Bratschen auftreten können.


    Und ja, die Deckenstärke ist eigentlich auf eine bestimmt Eigenfrequenz hin gebaut, bei Möckel (Geigenbaukunst) wird sogar beschrieben, wie man diese Frequenz testet.

  • Also, bevor wir mit irgendwelchen frequenzliebenden Holzfasern anfangen…


    Na ja, ich hatte das "benötigt" ja auch extra in Anführungsstrichen geschrieben. :)


    Ah, meine letzte Frage,- wenn auch offenbar in die richtigere Richtung -, war nicht exakt genug gestellt. Ja, mir war bekannt, daß auf bestimmte Frequenzen hin gebaut wird. Sie hätte lauten müssen: Kann es passieren, daß eine Geige so punktgenau auf eine Frequenz gebaut ist, daß sie bei nur leichter Abweichung mit derart unterschiedlichem Ansprache-Verhalten reagiert? Alle anderen Geigen, die ich bislang gespielt hatte, waren da nicht so extrem.
    Und dann dachte ich daran, daß ja manche Spieler ihre Geigen, je nach Musikstil umstimmen. Da fragte ich mich halt, ob die dann auch mit ähnlichen Effekten zu tun haben. Wäre ja doof.


    Dann habe ich also entweder den seltenen Fall einer Geige mit "Wolfstönen" bei tieferer Stimmung oder ich habe die Geige nicht optimal für alle Fälle eingestellt….was, auch wenn´s nen preiswertes Manufakturinstrument ist, vermutlich das Wahrscheinlichste ist :)


    Danke Braaatsch für die Antwort!

  • Es gibt da sicher sensiblere und weniger sensible Instrumente, also welche, wo das "Tönegleichgewicht" fragiler ist als bei anderen. Sicher kann man da mit einer entsprechenden Einstellung noch etwas dran machen. Bei manchen Celli können z.B. Gewichte (kleine Holzklötzchen) im Korpus Wolfstöne eliminieren, in unkritische Bereiche verschieben oder deutlich bessern. Und die Holzklötzchen bewegen sich im Grammbereich, während der Saitenzug ja in kg zu messen ist.


    Zu den verschiedenen Musikstilen: Viele Musiker haben auch mehre Instrumente, und inzwischen gibt es auch verstellbare Stimmstöcke aus Carbon, mit denen man den Druck einstellen kann. Das ist eher für Cellisten und Bassisten interessant, da sich witterungsbedingt (Holztrocknung Winter/Sommer) die Druckverhältnisse deutlich stärker ändern können als bei den kleinen Streichern.

  • Diese Carbon-Stimmstöcke finde ich auch hochinteressant. Ich würde gerne mal so einem Wechsel von Holz auf Carbon-Stimme zuhören. Lustig finde ich, daß die Carbon-Instrumente ihrerseits mit Fichten-Stimmstöcken ausgestattet sind, da Carbon sich da als kritisch erwiesen habe. Lediglich die "Anima Nova" –Variante funktioniere da, und wird auf Wunsch dann wohl auch in den Carbon-Instrumenten verbaut.


    Hat es hier jemand schonmal mit einem Carbon-Stimmstock (Anima-Nova) zu tun gehabt, und würde/könnte da eine Optimierung, abgesehen vom flexibleren Anpassen bei klimatischen Veränderungen bestätigen?

  • Ich liebäugele auch mit der Anima Nova Variante- aber der Preis schreckt mich ab. Für Cello ist man da bei 500 Euro, das ist mir -sorry- einfach zuviel. Bei 200 Euro würde ich das mal probieren, und ich denke das geht vielen Leuten so. Die Zielgruppe ist scheinbar der Berufsmusiker, für den bei einem Instrument im fünfstelligen Bereich ein paar Hunderter keine Rolle spielen- für den riesigen Kundenkreis der Amateure ist das aber zu teuer, und wird sich daher vermutlich auch nicht durchsetzen, wenn man da preislich nicht runtergeht.


    Bei Amazon gibt es ja auch schon Klone, die billiger sind- da bin ich dann schon am überlegen.


    Ich verstehe da die Preispolitik schwer- könnte man nicht viel mehr Gewinn machen, wenn man dafür sorgt, dass sich das durchsetzt und -ähnlich den Carbonbögen- auch für die breite Masse eine wirkliche Alternative darstellt?