Wie kann man Trockenrisse präventiv verhindern?

  • Ich bin jetzt etwas aufgebracht. Gerade heute habe ich in Wien eine Meistergitarre von Georg Haid mit Schlagmarke auf 1950 datiert sehr günstig gekauft. Die Materialien imponierten mich: massives Mahagoni in Boden und Zargen., massive Fichte als Decke. Der Hals bestens ebonisierte Buche mit Ebenholz als Griffbrett.
    Die Gitarre ist sehr gut gepflegt. Sie war absolut bruchfrei. Sie sah faktisch wie neu aus.
    Als ich in meiner Wohnung nahe an der tschechischen Grenze ankam, packte ich sie gleich aus und wollte sie bewundern. Nach etwa einer halben Stunde plötzlich ein eigenartiges Geräusch - so als ob ein Blatt Papier zerrissen würde mit einem Ton von gezupften Saiten. Entsetzt blickte ich auf die Gitarre und da zeigte sich mir plötzlich ein Bruch von der Brücke in Höhe der tiefen E-Saite hin zum Rand. Diese Brüche sind bei alten Gitarren nichts besonderes, die sind so analog wie die berüchtigen Stimmstock- und Bassbalkenrisse bei Geigen.
    Ich stelle mir dennoch die Frage, wie kann es sein, dass die 67 Jahre unbeschadet überlebt hatte, und unmittelbar nachdem ich sie gekauft habe, die Decke plötzlich und so schnell springt?
    Diese Trockenrisse sind ein Damokless-Schwert für viele Saiteninstrumente. Hat man dennoch irgendeine Möglichkeit diese prophylaktisch zu verhindern? Ich meine damit nicht, ewig im selben Raum mit derselben Temperatur und Luftfeuchtigkeit zu halten. Oder kann man dem Damoklessschwert nicht entrinnen? Irgendwann fällt es!

  • Eine Art Fehenstaub das zu verhindern gibt es nicht.
    Ein geeignetes Raumklima ist ein absolutes Muss für gute Instrumente, sowie eine langsame Aklimatisierung (im Kasten) bei starken Änderungen.
    Ansonsten ist der Erbauer gefragt Spannungen geeignet abzuleiten. Homogenes Material sollte bei homogenem Klima (sprich keine starke punktuelle Hitzequelle, etc) nicht reißen. Das klassische Beispiel bei der Geige ist der Untersattelriss, den man wirklich einfachst vermeiden kann, was nur aus ästhetischen nicht immer gut gemacht wird.
    Leimungen sind immer geeignete Sollbruchstellen. Eine Ablösung des Geigenbodens ist natürlich besser als ein Riss im Ahorn.
    Bei Gitarren ist das nicht anders.
    Stimmrisse entstehen übrigens in der Regel nicht ohne Fremdeinwirkung oder schlechte Bauweise/Einrichtung. Zunächst geben viele andere Stellen an der Decke nach, auch weil die Gegend der Stimme die stabilste ist. Der klassiche Riss an den F-Loch-Flügeln hingegen ist schwer zu verhindern, auch weil sich die Leimung an den Eckklötzchen nur schwer löst.
    Es gibt 350 Jahre alte Instrumente ohne Risse, sogar gar nicht wenige. Man kann es also verhindern.

  • Ich denke mal das die Gitarre kein Mopeds mag, solltes du mit diesem Unterwegs gewesen sein.
    Scherz beiseite, es war eben der moment der noch gefehlt hat, das Quentchen auf der Waage.
    Ich habe eine wirklich tolle geige aus Rathenow, die ich für meine Tochter aufheben wollte weil Sie einen wunderbaren Singenden Klang hat mit fast jeden Bogen. Also ein äußerst gutmütiges instrument.
    Letzte Woche der Obergau ein teil der Mittelfuge ist ca 5cm vom Untersattel auf gegangen.
    Es Passiert durch alter Temperatur oder erschütterung und kündigt sich einfach nicht an. Man sagt dazu auch Antik oder Patina. Also nicht ärgern. :rolleyes:

  • Ja aber schön ist es trotzdem nicht, mit etwas Glück muß die geige nicht geöffnet werden.
    Aber da Hängt die Gute Geige fast 1 1/2 Jahre im Keller. Gleiche Temperatur und Luftfeutigkeit.
    machmal liegt es eben nicht an einem unerwartetem Ereigniss.

  • Nein, das habe ich ja auch nicht behauptet. Der Keller klingt aber auch ein wenig nach Feuchtigkeit, sodass es nicht verwunderlich ist, dass die Leimung aufgeht, denn nichts anderes ist es ja an der Stelle.
    Man muss aber auch dazu sagen, dass gerade die alten Mittenwälder dort oft eine Schwachstelle haben.
    Ein geeignetes Klima heißt (15...22)°C und (40..60)% relative Luftfeuchtigkeit.

  • Ich hab ne Bratsche, die immer an der gleichen Stelle (unter dem Saitenhalter oder links oder rechts davon) reisst. Untersattel verschlanken hat nix gebracht…ich hab den Riss, der immer wiederkam, einfach mal gelassen (als er mal wieder unter dem Saitenhalter auftauchte). Da ist er nun, verändert sich nicht, und bleibt so. Die Decke hat eben konstruktionsbedingt da eine Spannung drin, und wenn man die immer wieder zusammenzwingt "knallt" es eben 'nen halben Millimeter daneben. Man könnte da einen hauchdünnen Span einsetzen, und wenn ich Zeit habe, mache ich das mal- ansonsten kann ich damit leben, da der Riss sich nicht weiter verändert. Und nein, bei diesem Instrument liegt es auch nicht am Klima.


    Dass das mit der Gitarre genau in diesem Moment passiert ist, wirft natürlich Fragen auf. Es kann mangelnde Akklimatisierung sein (wobei ein Flohmarkt und der Transport dahin ja auch kein "Wattebett" sind), aber es kann auch einfach Zufall sein, dass es genau in diesem Moment passiert ist. Leute werden vom Blitz erschlagen oder gewinnen im Lotto oder entgehen Katastrophen…. das ist teilweise völlig zufällig, und bei Deiner Gitarre war der Moment fürs "Plong" vielleicht einfach da.


    Und ja, natürlich kann es die Luftfeuchtigkeit, Temperaturänderung, blöde Saitenspannung… sein, aber wenn das Instrument den Flohmarkt überlebt hat…?

  • Ja, solche Spannungen in der Decke gibt es auch. Die Geschichte der Bratsche klingt als ob das Holz beim Bau nicht homogen getrocknet war. Eine weitere Möglichkeit ist, die Decke vom Unterklotz komplett zu entfernen und neu anzuleimen, das kann in solch einem Fall auch ein wenig helfen. Vermutlich kommt man jedoch wirklich nicht um ein Stückchen Holz als Einlage umher.
    Ich schrieb schon in meinem ersten Post:
    "Ansonsten ist der Erbauer gefragt Spannungen geeignet abzuleiten."
    Das ist hier offensichtlich misslungen, wenn es immer wieder reißt.

  • Ja, Decke abnehmen bzw. vom Unterklotz lösen und neu leimen hatte ich auch schon überlegt, aber wollte erstmal abwarten wie sich der Riss (augenblicklich in der Nähe der Mittelfuge, also unproblematisch) entwickelt. Seit vier Jahren ist der jetzt unverändert- da glaube ich dass einfach ein Span reicht. Ist ja eher ein kosmetisches Problem- es reisst nicht weiter und das Instrument klingt recht gut.


    Nach ca. 120 Jahren ist das Holz jetzt wenigstens durchgetrocknet
    ;)