Unbekannte alte Geige

  • Schönen guten Tag.


    Der Nachlass unseres Großvaters waren zwei Geigen. Er hat sie selbst gespielt, sie waren sein Leben.


    Hier ist die erste Geige, die ihm in seinen letzten Tagen bedauerlicherweise auf den Boden gefallen ist. Über einen Zettel verfügt sie nicht oder nicht mehr; und man kann ja nun durch den Schaden gut hineinsehen.


    Kann uns jemand etwas dazu sagen?


    Viele Grüße.


    Michaela


    (Die zweite Geige ist eine Franciscus Gaissenhof, Viena, Anno 1785 (muss sie noch einstellen))

  • Sollte die Geige repariert werden, passe Sie unbedingt auf die Bruchkante auf. Jedes noch so kleine Mäckchen dort macht die Reperatur schwieriger oder schlechter. Ansonsten gilt, das ist Glück im Unglück. Wenige so offensichtlich große Schäden lassen sich so gut reparieren wie dieser hier, vor allem ohne riesige Klangverluste. Ein Geigenbauer bekommt das wieder ordentlich hin.
    Zur Frage des Wertes und ob sich die Reperatur monitär (emotional kann das in diesem Fall etwas ganz anderes sein) lohnt: da tue ich mich schwer. Sie sieht recht ordentlich gebaut aus, aber mehr kann ich so dazu nicht sagen (andere hier sicher).

  • Hmm, dieses Instrument ist schwer einzuordnen. Es handelt sich meiner Meinung nach auf jeden Fall um eine individuell gebaute Geige, kein Manufakturinstrument.


    Ich tippe auf eine Herkunft aus Frankreich, evtl. Alpenraum. Da bin ich mir aber absolut nicht sicher...es gab auch sächsische Geigenbauer, die ähnlich gebaut und gut imitiert haben. Da kommt es auf Details an, die ich auf dem Foto nicht sehen kann. Kurz: Der Lack (so wie ich ihn auf meinem Monitor sehe) spricht ein bisschen für Frankreich, die Form für Alpenraum, das Holz passt auch gut nach Sachsen...


    Alter: geschätzt etwa Mitte 19. Jahrhundert (1830-60)


    Wert: Die Reparatur wird Einiges kosten. Es ist nicht nur das Stück Decke herausgebrochen, auch der Rest der Decke hat Sprünge und mit "einfach anleimen" ist es nicht getan. Die gute Nachricht ist, dass diese Reparatur wahrscheinlich nicht klangmindernd ist, und sich somit der Wertverlust in Grenzen hält.


    Namenlose Geigen haben es immer schwer, werttechnisch gesehen. Bei ihnen ist der Klang das wertbestimmende Merkmal. Da ich den nicht vom Foto testen kann, ist bei Wert meiner Meinung nach allesbis zum mittleren vierstelligen Bereich (evtl. auch höher, bei ausnehmend gutem Klang) drin, je nach Klang. Es handelt sich um eine gut gebaute Geige mit guter Holzauswahl, dennoch sind die Preise in den letzten Jahren sehr gefallen. Die Geige wird mal teurer gewesen sin, aber mit den notwendigen Reparaturen und dem "Klangjoker" kann man da wirklich kaum ein Urteil treffen.


    Am besten mal bei mehreren Geigenbauern vorbeigehen, und sich nicht gleich das Instrument für nen Appel und ein Ei abschwatzen lassen...

  • Hallo, j_g_Gütter und Braaatsch,


    besten Dank für eine erste Einordnung. Uns geht es bei beiden Geigen gar nicht darum, einen riesigen "Reibach" zu machen. Lieber wäre uns, jemand würde sie restaurieren und hätte Freude daran.
    (Wir selbst sind keine Geigenspieler).


    Unser Großvater hatte die Geige übrigens (mündliche Überlieferung) als "über 300 Jahre alt" deklariert - und ich glaube (ebenfalls mündliche Überlieferung), es war mal die Rede von einem Amati-Stil > Ruggeri. Aber das "hilft" ja nun heute auch nichts mehr.


    Dann bleibt uns nur der Weg zu irgendeinem Geigenbauer. Da befinden wir uns ja auf unbekanntem Terrain.


    Wünsche einen schönen Tag, und vielen Dank noch mal.


    Michaela

  • Nein, über 300 Jahr alt ist das Instrument auf keinen Fall... ;)


    Trotzdem ist das ein meiner Meinung nach sehr gutes Instrument, dessen Reparatur lohnt. Einfach mal zum Geigenbauer gehen- und im Zweifelsfalle nehme ich die Geige gerne, um sie mir für den Eigengebrauch wieder zu restaurieren... ;)


    Aber lassen Sie sich ruhig mal ein paar Angebote machen!

  • Hallo,


    es wurde darum gebeten, dass wir es hier kundtun, was ein Besuch beim Geigenbauer ergeben hat. Das tue ich hiermit.


    Das Ergebnis dieses Besuchs war eher verwirrend, er verglich die beiden Geigen (die andere ist hier zu finden) mit den Verkaufsobjekten in seinem Laden, also mit seinen neuen Geigen.
    Er meinte, unsere Geigen hätten auch einen zu hohen Bauch (er hat nicht Bauch gesagt, aber ich habe es mir nicht anders merken können!), das hätte man heute nicht mehr. Und wenn man sie sich unters Kinn klemmen würde, dann würde man feststellen, dass ... (herrjee, ich bring das nicht mehr zusammen, ich spiele ja keine Geige) man den Griff nicht genau dort finden würde/anlegen könnte, wo man ihn haben wollte (Steglänge?).


    Ja, das wars.


    Viele Grüße.


    Michaela

  • Also, der Geigenbauer meinte die hohe Wölbung. Es ist richtig, dass heutzutage viele Geigen flacher gebaut werden. Tritzdem gibt es auch noch Liebhaber dieser "alten Bauform". Und natürlich ist eine Geige auch mit der alten Geometrie spielbar, sie war es ja die letzten 100 Jahre auch... ;)


    Das andere sind Mensuren (Maße), die vielleicht nicht ganz dem neuen Standard entsprechen. Sprich, vielleicht ist der Hals etwas zu lang oder das Griffbrett anders gewinkelt oder oder oder- aber auch das ist kein "Todesurteil". Der Spieler gewöhnt sich einfach daran, und das ist eigentlich gar kein Problem. Die Violinisten machen da oft mehr Theater als die Bratschisten, deren Instrumente ausgesprochen unterschiedlich ausfallen.


    Kurz: Die Geige ist sicher kein Instrument "vin der Stange", aber eigentlich ein ganz interessantes "Projekt".