Habe günstig eine Geige mit seltsamen Lack und geöffneter Deckenmittelfuge erworben. Woher kommt das Teil und wie ist der Lack zu sanieren?
Geigenrätsel: woher kommt diese Violine und was ist das für ein Lack?
- Chiocciola
- Erledigt
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Hm, ich würde wieder auf die üblichen Verdächtigen tippen: sächsisch/böhmisch um 1850. Gründe: Schneckenform und Kehlung nicht bis zum bitteren Ende, Umriss des Korpus.
Zum Lack hab ich mal gelesen, dass Öllack manchmal in ganzen Stücken abplatzt, aber wirklich Erfahrung hab ich damit nicht. Allerdings ist auch bei meiner sächsischen Barockgeige der Deckenlack so abgeschilfert, und er ist vermutlich ein Spirituslack:
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Danke geigerlein füt Deine schnelle Antwort. So habe ich auch gedacht. Dann fand ich innen folgenden Zettel:
F.C.Louis
Musikinstrumentenfabrik
Saarbrücken3
Hat der Lack oder die ganze Geige vielleicht was französisches?🤔.
Und warum ist die Einlage an manchen Stellen flüchtige übermalt? Der lag noch mal unter zweierlei UV Licht.
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Eindeutig Sachsen. Der Saarbrückener Zettel klebt über dem typisch sächsischen Manufakturzettel.
Entweder war der Saarbrückener ein Händler, oder er hat sich die Geigenkorpusse aus Sachsen liefern lassen und die Geigen spielfertig gemacht.
Lack: Das sieht auf den Fotos so aus, als hätte ein „Experte“ da mal Klarlack oder Schellack draufgemacht, und die Lacke hätten miteinander reagiert (z.B. weil nicht „fett auf mager“ lackiert wurde). Wenn dem so ist -Fotos können täuschen!- dann würde ich versuchen, mal einen Teil des Lackes vorsichtig(!) mit Alkohol anzulösen und zu schauen, ob er sich entfernen oder verbinden lässt. Also so, wie man alte Firnis von alten Ölbildern entfernt. Mit fusselfreiem Tuch mit Alkohol vorsichtig reinigen, bis Farbpigmente kommen und dann stoppen, an anderer Stelle weitermachen.
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Ich habe auch einige Geigen, bei denen die Einlage zu verschwinden scheint, wenn der darüberliegende Lack angekratzt oder sonstwie beschädigt ist. Er bricht dann das Licht anders und wird quasi undurchsichtig, weshalb die Einlage gemalt aussieht, was sie aber nicht ist.
Das scheint mir bei Deiner Geige auch so zu sein. Sonst wären ja Lack- und Farbschicht, die sich gelöst haben (wie auf dem vierten Bild Deines letzten Posts) zu sehen, schwarz und nicht milchig-braun.
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Eindeutig Sachsen. Der Saarbrückener Zettel klebt über dem typisch sächsischen Manufakturzettel.
Entweder war der Saarbrückener ein Händler, oder er hat sich die Geigenkorpusse aus Sachsen liefern lassen und die Geigen spielfertig gemacht.
Lack: Das sieht auf den Fotos so aus, als hätte ein „Experte“ da mal Klarlack oder Schellack draufgemacht, und die Lacke hätten miteinander reagiert (z.B. weil nicht „fett auf mager“ lackiert wurde). Wenn dem so ist -Fotos können täuschen!- dann würde ich versuchen, mal einen Teil des Lackes vorsichtig(!) mit Alkohol anzulösen und zu schauen, ob er sich entfernen oder verbinden lässt. Also so, wie man alte Firnis von alten Ölbildern entfernt. Mit fusselfreiem Tuch mit Alkohol vorsichtig reinigen, bis Farbpigmente kommen und dann stoppen, an anderer Stelle weitermachen.
Guuut!! 🤗
So habe ich das auch gesehen. Wobei eine der drei Lackschichten scheint mir doch original zu sein. Zwei Schichten habe ich fraktioniert entfernt und in Microcaps gesammelt. Somit könnte ich sie später wieder analysieren und aufbringen. Die Ablösung erfolgte teils mechanisch teils durch Lösungsmittel.
Ich vermute auch, der Saarbrücken Händler hat nicht nur selbst Geigen gebaut(Manufaktur) beziehungsweise bauen lassen, sondern wie viele zusätzlich auch einen Handel betrieben. Ich glaube, Johann Baptist Schweizer ist eine sehr weit verbreitete Kopiervorlage gewesen. Ich weiß auch nicht: war seine Geige so beliebt oder hat irgendwann mal jemand eine riesige Menge Zettel von ihm in Umlauf gebracht?
Ich habe einige Bilder der Decke von innen und außen zur nachträglichen Dendrochronologischen ein Ordnung gemacht. Die Decken Fuge wurde mit Belegen wieder geschlossen.
Es kam ein sehr schöner brauner Grundlack zu Tage. Aber war das wohl der einzige Lack??
Weitere Bilder:
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Oder hat der Saarbrückener Händler so genannte „weiße Geigen“ aus Sachsen erworben und selbst fertig gestellt? Was meint ihr?
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Chiocciola Hübsche Geige. Sehr schön hast Du die oberen Lackschichten runtergetan. Den braunen Originallack(?) finde ich sehr schön.
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Ob der Lack nun in Sachsen aufgebracht wurde oder in Saarbrücken, kann ich nach diesen „Lackexperimenten“ nicht beurteilen. Für mich würde da auch Sachsen lackmässig passen, aber wer weiss…
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Ob der Lack nun in Sachsen aufgebracht wurde oder in Saarbrücken, kann ich nach diesen „Lackexperimenten“ nicht beurteilen. Für mich würde da auch Sachsen lackmässig passen, aber wer weiss…
Wenn’s geht würde ich das schon gerne rauskriegen 🤷♂️…..
Zitat aus einer Münchner Geigenhandlung aus Verkaufsbeschreibung einer Geige:
„Diese ausgesprochen hübsche Violine ist ein klanglich hervorragendes Instrument, das Anfang des 20. Jahrhunderts für das renommierte Haus F. C. Louis in Saarbrücken gebaut wurde. Sie entstand eine Generation nach dem Tod des Gründers Franz Conrad Louis, der sich 1895, nach bestandener Ausbildung in Markneukirchen, in seiner saarländischen Heimat selbständig gemacht und rasch einen guten Ruf für seine vorzüglichen, individuellen Entwürfen folgenden Instrumente erworben hatte. Darauf aufbauend etablierte er seine Musikalienhandlung als eine der ersten Adressen in Saarbrücken und darüber hinaus – ein Erfolg, der bis in die wilden 1960er und 70er Jahre hinein anhielt. So ist die hier angebotene Geige ein Markstein für das hohe Qualitätsniveau, das die Marke F. C. Louis über fast ein Jahrhundert spartenübergreifend auszeichnete. Ihre attraktive optische Erscheinung bestimmt der außergewöhnlich schöne Ahorn des einteiligen Bodens, der mit großer Erfahrung „nach der Schwarte“ aus dem Stamm geschnitten wurde, sodass seine eindrucksvolle, fließende Flammung perfekt zur Geltung kommt. Der fast ohne Spielspuren erhaltene orange-braune Lack harmoniert mit der Maserung dieses hochwertigen Tonholzes, dem die höchst regelmäßige, mitteljährige Fichte der Decke in nichts nachsteht. Diesen Gesamteindruck rundet die charaktervoll gestaltete Schnecke ab, die auf den ersten Blick erkennen lässt, dass diese Geige in bester, traditioneller Handarbeit geschaffen wurde. Unsere Geigenbauer haben diese F. C. Louis Geige gründlich durchgesehen und bei dieser vollständigen Aufarbeitung einen minimalen Zargenriss repariert, der klanglich unbedeutend ist und solide gesichert wurde. Dank ihrer vorzüglichen Ansprache begeistert diese sofort spielfertig hergerichtete Geige fortgeschrittene Musiker mit ihren hochpräzisen Spielqulitäten und ihrem gereiften, warmen und lyrischen Klang, der von großem Volumen gestützt wird und seine Klarheit und Stärke perfekt ausgeglichen über alle Saiten entfaltet.“
Wenn diese Recherche stimmt, die sich auf eine andere Geige aus dem Saarbrückenener Geigenhaus/Werkstatt bezieht, wurden über Saarbrücken gute Geigen aus Markneukirchen vertrieben, wohl da Herr Louis seine Ausbildung in Markneukirchen abgeschlossen hat. Dies würde für eine original mehrschichtige Lackierung sprechen und eine spätere, starke Beschädigung des Lackes.(Wahrscheinlich durch unsachgemäße Reinigungsversuch dazu.
Nachzutragen wäre, dass meine Geige, etwas versteckt und dünn, einen Stempel auf der Innenseite der Decke trägt (Bild):
Otto Wolf
Erlbach, Vogtland
(Kann leider nicht alles lesen)
Kennt jemand von euch Violinen von Otto Wild? Hatte Otto Wild eine eigene kleine Manufaktur?(In Erlbach oder später in Erlangen) Oder könnte es sich um einen Reparaturstempel handeln? Wenn es sich um einen Hersteller Stempel handelt und die Ortsangabe genau stimmt wäre die Geige zwischen 1924 und 1930 anzusiedeln?Otto H. Wolf, *18.10.1901 Erlbach,
18.11.1964 (?) Erlangen
Machte 1916-1919 eine Lehre bei August wunderlich in Markneukirchen und arbeitete bis 1924 bei verschiedenen meistern, Albin August Häberlein in Markneukirchen und Paul Jakob in Erlenbach. 1924 machte er sich in Erlenbach selbstständig. 1930 Meisterprüfung in Markneukirchen. Ab 1959 kam er nach Erlangen, war dort seit 1960 Mitglied der Meister-Prüfungskommission und 1962 Obermeister der Innung.
Ist jemand von euch zufällig schon mal eine Geige von Otto Wolf begegnet? Wenn ich ein originales Referenzinstrument finden würde könnte man die eventuell fehlenden und Lackschichten ergänzen.