Alte Geige mit kurzen und kleineren Bassbalken

  • Ich finde das jetzt, das muss ich ehrlich sagen, kein Zeugniss hoher Handwerkskunst.
    Manche Dinge sehen aus, als hätte die Zeit nicht gereicht mehr als eine Skizze dessen zu machen, was man will, andere Stellen sind dafür unnötig ausführlich gearbeitet.
    Die Deckenkrümmung, und damit meine ich nicht die hohe Wölbung, sieht auch nicht allzu vielversprechend aus. Den original Lack eines Instrumentes zu entfernen ist auch nicht die feine Art. Die Randeinlage, nach genauerem Hinsehen, sieht neuer als der Rest des Instrumentes aus, der Wirbelkasten wurde auch nachträglich weiter ausgestochen.
    Entgegen meines Ersteindrucks könnte es durchaus ein Originalzettel in der dazugehörigen Geige sein, vor einigen Jahrzehnten komplett (durch einen Laien?) all seiner Originalität beraubt.
    Das Holz ist der Kategorie Exportgeige dieser Zeit zuzuschreiben.
    Die F Löcher sind tasächlich grußelig.

  • Ja wenn man die Beschreibung in " Die Geigen und Lautenmacher vom Mittelalter bis zur Gegenwart" liest.
    Muß man sich wirklich fragen was sich der schreiber dabei gedacht hat. Erst die Hohe Handwerkskunst loben und dann die vielen schlechten Arbeiten auf zählen. Das widerspricht sich ein wenig.

  • Am Besten du packst mal alle Deine alten Sachsengeigen in den Kofferraum, setzt dich ins Auto, und fährst zu den Fachleuten vom Musikinstrumentenmuseum Markneukirchen. In Natura ist das sicher einfacher, da konkretere Auskpnfte zu bekommen. Gerade wenn es sich um nicht so ganz einzuordnende Instrumente handelt...


    @alle anderen: Gab es denn um 1765 schon Exporte nach Anerika? Also Handelsexporte, für die extra gebaut wurde, nicht Privatexporte, die gab es natürlich durch Auswanderung etc...
    Ich dachte inmer, das wäre erst später so richtig in Schwung gekommen?

  • Eigentlich ja, aber jüngst finden sich immer mehr Beispiele für große innereuropäische Exporte, die früher anfingen als man bisher dachte.
    Schaut mal die Krümmung der äußeren Decke an. Diese Delle ist typisch für nachträglich angebrachte Randeinlagen, eine Hobelspur letztendlich.
    Also alleine die Schnecke zeigt, dass sich da einer eher als Handwerker als als Künstler gesehen hat.

  • Na dann ist ja alles soweit gelöst. Ich frage mich jetzt nur noch was mach ich mit der Geige.
    Da der Bassbalken noch unverändert ist scheint es wohl am besten zu sein Sie als Barrockgeige herzurichten. Oder kann Sie so auch als normale Geige eingerichtet werden.

  • Nein, normalerweise ist eine Barockgeige mit dem kürzeren Bassbalken von der Deckenstabilität her auf einen anderen Saitenzug (=Deckendruck) ausgelegt. Der Saitenwinkel (Griffbrettneigung, Steghöhe) war flacher, und die Darmsaiten haben weniger Zug als moderne Saiten.


    Dementsprechend war auch der Stimmstock schlanker...


    Wenn man auf eine Barockgeige einfach moderne Saiten draufknallt, riskiert man Deckenverformungen
    und Risse. Es MUSS nicht dazu kommen- wenn du die Deckenstärke prüfen kannst, und alles nicht allzu zart gebaut ist, kannst Du sie auch modern einrichten. Allerdings ist der kurze Bassbalken aber eben auf einen anderen Klang ausgelegt.

  • Thema Herkunft: Ich rate wie gesagt zu einer Schätzung in Natura bei jemandem, der auf Geigen dieser geographischen Herkznft znd Epoche spezialisiert ist. Von der Originalität bin ich noch nicht überzeugt, kenne aber auch keine Vergleichsinstrumente. Einige der üblichen Merkmale früher Klingenthaler Geigen hat sie nicht, aber das muss nichts heissen. Einiges pasdt, anderes nicht so wirklich, aber ohne authentische Vergleichsarbeiten gesehen zu haben ist das alles Kaffeesatzleserei.


    Ohne den Zettel wäre das für mich ein Instrument aus Sachsen, Mitte 19.Jahrhundert. Und dem Zettel sollte man nicht unbedingt glauben...

  • Das mit dem Spezialisierten Fachleuten ist eine Gute Idee, aber wo finde ich die.
    Es soll nur sehr wenige Geigen von Ihm geben was die sache nicht gerade leichter macht.
    Ein Museum ist sicher eine Gute Idee als erste anlaufstelle, vielleicht wissen die ja ob es ein Fachmann gibt der diesen Geigenbauer kennt.

  • Mit der geringeren Saitenspannung, das ist so eine Sache. Das habe ich auch immer geglaubt. Letztendlich haben einige führende Geigenbauer (Hargrave, Burgess und andere) jedoch klarlegen können, dass das nicht unbedingt wahr ist.
    Die Hälse von barocken Instrumenten, die wir heute untersuchen können sind flacher ja, ABER das passiert mit einem Geigenhals über die Jahrhunderte ganz von alleine, dass er flach gezogen wird.
    Die Saitenspannung durch Schafsdarm ist, je nach Stimmung, wenn man alle vier Saiten addiert teilweise sogar höher als bei modernen Saiten.
    Es gibt letztendlich keine gesicherte Information über den Halswinkel barock gebauter Geigen.
    Klanglich wäre ein moderner Balken vermutlich besser.