Hallo, ich habe eine Geige ersteigert, die von einem französischen Meister gefertigt worden sein soll. In der Geige ist ein Zettel mit der Aufschrift Paul Fra. Blanchard. Der Verkäufer hat natürlich für die Echtheit des Zettels keine Gewähr übernommen (Wenn in der Geige ein Zettel ist, dann ist schon mal sicher, wer die Geige nicht gefertigt hat ). Interessant ist noch der Zettel. Er trägt aktuell das Datum 1903, wobei die letzten Ziffern nachgemalt aussehen. Ich habe im Netz ein Foto von genau diesem Zettel gefunden und da ist noch das Datum 1913 zu sehen. Irgendjemand hat gemerkt, dass der Paul Blanchard 1912 gestorben ist und hat das Datum geändert. Allerdings gibt es durchaus Geigen mit Blanchard-Zettel von nach 1912, weil die Werkstatt von Emile Boulangeot weitergeführt wurde und der einfach den Namen weiterhin in die Instrumente geklebt hat.
Was halter ihr von dieser Geige? Stammt sie aus Frankreich oder ist es doch nur eine Markneukirchner Kopie?
Danke!
Gruß Norbert
Geige mit Zettel Paul Francois Blanchard
- Norbert V
- Erledigt
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Hier noch die beiden Zettel. Einmal der aktuelle und der alte vor der Manipulation.
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meiner Meinung nach eine einfache Sachsenstradivari. Schöne Hölzer aber krude Fertigung
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Hmmm... also echt ist die eher nicht. Schon die "deutlichen" Stempel....
An ein sächsisches Massenprodukt mag ich auch nicht glauben- dazu ist der Rand der Decke untypisch wulstig, und auch die sauberen Klötze, mit denen die Bodenfuge gesichert ist, passen nicht zur sächsischen Manufaktur. Es könnte natürlich sein, dass die nachträglich bei einer Reparatur eingesetzt wurden, das kann ich vom Foto her so nicht beurteilen. Auch die Schnecke und der Wirbelkasten sind nicht manufakturtypisch (zumindest nicht Sachsen/Böhmen).
Auch das Schriftbild des Zettel lässt eher auf eine individuelle Fertigung schliessen, und Derjenige, der den Zettel gemalt hat, konnte kalligraphisch Einiges. Das ist kein "Serienzettel" (da waren die Sachsenmanufakturen eher schmerzfrei...), sondern schön handgemalt.
Also, ich glaube an eine Kopie, allerdings aus einer kleineren Werkstatt.
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Mit den Brandstempel unter dem Knopf und am Boden kann ich auch nichts anfangen. Es sind auch nicht ansatzweise Buchstaben zu erkennen.
Hat jemand so einen Brandstempel schon mal gesehen?Noch eine Frage: Wo kommt die deutliche und recht tiefe Furche neben dem Griffbrett her? Als Zeichen für häufiges Spielen in hohen Lagen scheint die mir zu stark ausgearbeitet. Das bekommt man auch in 100 Jahren starkem Bespielen kaum hin. Oder?
Eine Manufakturgeige ist das auf keinen Fall, auch keine Stradivarikopie, da viel zu hoch gwölbt. Dann Richtung Amati, aber warum dann einen französichen Zettel. Und wenn schon ein Blanchard-Zettel, warum dann einer mit der Jahreszahl 1913, wo Blanchard doch schon 1912 gestorben ist?
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Das kommt von einer seltsamen Art hohe Lagen zu spielen in der man den Daumen unters Griffbrett klemmt. Das hab ich auch an meiner Böhmengeige.
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Der Brandstempel ist bewusst unleserlich, da kann man alles hineininterpretieren. Und falsche Jahreszahlen finden sich auf falschen Zetteln häufig. Da sollte man nun nicht zu viel hineininterpretiern...
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Die Abschabung kommt wie schon gesagt vom Einhaken des Daumens unterm Griffbrett beim Lagenspiel. Das ist so vor allem in der traditionellen Geigenmusik der Roma zu finden, unter anderem weil Schulterstützen dort viel später einzug hielten, viele spielten auch ohne Kinnhalter. Generell hat sich dort eben eine parallele Technik etabliert mit teilweise seit der Romantik überholten Zügen und ganz eigenen Dingen.
Auch das spricht für die schon vermutete Herkunft aus einer der Manufakturen. -
Wie geht das mit dem Daumen unter dem Griffbrett? Ich habe versucht das irgendwie nachzustellen, finde aber keine Position, in der man vernünftig spielen könnte.
Gibts da Bilder oder Videos zu? -
Ich versuche was zu finden diesbezüglich.
Ich habe es mir von einem alten Roma zeigen lassen, dessen Geige auch solche Abschabungen hatte. Das ist aber auch schon einige Jahre her.