Dachbodenfund Stradivari 1723?

  • Hallo,
    ich habe eine Geige, die ich seit Jahrzehnten besitze. Es ist ein Fundstück und sie ist in einem schlechten Zustand und ohne bekannte Vergangenheit. Ich hatte sie mal bei einem Geigenbauer, ist aber auch schon Jahrzehnte her. Der sagte, er vermute, es sei keine echte Stradivari, sondern wahrscheinlich von einem seiner Schüler. Er sagte, sie sei bereits einmal unfachmännisch repariert worden. Das sieht man auch im Boden. Die beiden Hälften sind nicht mehr vollständig miteinander verbunden und der Lack erscheint in dem Bereich dünner.
    Obwohl ich schon mehrfach gelesen habe, die Geigenzettel haben eine geringe Aussagekraft, habe ich mal ein Foto gemacht, da er mehr oder weniger identisch ist, mit einem den ich hier schon mal in einem Text als echtes Beispiel fand. Bin mal gespannt auf die Kommentare.


    Gruß
    tonedeaf

  • Nein, eiche echte Stradivari ist es mit Sicherheit nicht, sondern nur ein ca. 100 Jahre alte Nachahmng.
    Der Restaurationsaufwand, insbesondere für die offene(?) Mittelfuge des Bodens, den am Besten ein Geigenbauer in der Nähe beurteilen kann, ist evtl. höher als der Wert.


    MfG


    Rainer

  • seit über hundert Jahren sind dank der Gebrüder Hill nahezu alle Stradivaris katalogisiert. Seither werden es her sogar weniger, da manche als gute Fälschungen (z.B. von Vuillaume) durch Einführung moderenr Methoden (Dendrochrnologie, C14 etc.) enttarnt wurden.
    Jede Neuentdeckung wäre eine Sensation. Die bleibt bei Ihrer aber aus. Man konnte schon in der Zwischenkriegszeit Stradivaris aus Böhmen und Sachsen sogar per Katalog in unterschiedl. Qualitätsklassen bestellen. Ihre ist zweifellos eine aus der Topklasse, dennoch ist der Wert seit der Internet-Revolution derartig im Keller, dass, wie es der Rainer schon befürchtete, eine Reparatur den Wert der Geige übersteigt.

  • Trotzdem, mir gefällt sie ;) Hat sehr schönes Holz. Auch wenn am Geld gemessen eine Restauration den Verkaufswert übersteigen würde, wäre es meiner Meinung nach schade, das Instrument dem Verfall preiszugeben. Wenn man selber drauf spielen will, würde sich das wahrscheinlich schon noch lohnen.

  • Ganz ehrlich Braaatsch


    Wenn man diese Geige beim Geigenbauer restaurieren will, kostet das wahrscheinlich den Preis einer tollen neuen GEWA oder Markneukirchen Geige.
    Und so toll sieht sie, abgesehen von den Flammen am Geigenrücken, auch nicht aus. Wäre da nicht der grosse dicke Spalt, würde es
    sich vielleicht lohnen. Front und Schnecke sehen eher bescheiden aus und es sieht auch nach einem Riss in den Zargen aus.
    Das wird alles schrecklich teuer. Meine Einschätzung: Ausstellungsobjekt oder Geige für den Handwerker.
    Sorry, wenn ich da etwas auf "hart aber ehrlich" mache.
    Ich möchte lediglich verhindern, dass jemand viel Geld für etwas ausgibt, was sich dann niemals wirklich für ihn rechnet.
    Im Endeffekt muss das natürlich jeder selber wissen.

  • Ganz ehrlich, violix ;)
    Ich habe nicht umsonst von "mir" gesprochen. Ausserdem schrieb ich gleich im nächsten Satz, dass -ich zitiere mich- "gemessen am Geld eine Restauration den Verkaufswert übersteigen würde".


    Wenn jemand ein Instrument seit Jahrzehnten aufbewahrt gehe ich davon aus, dass derjenige auch einen gewissen persönlichen Bezug zum Instrument hat, den er zu einer "neuen Gewa Geige" nicht hat. Und ob die neue Massenfertigung nun besser ist als die alte Massenfertigung sei dahingestellt. ;)


    Und mir persönlich tut es immer leid um alte Instrumente, die einem Konsumwahn und der Ansicht "kannste doch lieber neu kaufen" weichen müssen.


    Es ist allerdings richtig, und ich wiederhole es gerne noch mal, dass eine Restauration den Verkaufswert übersteigt. Wenn man selber spielen möchte, sollte man sich aber mal einen Kostenvoranschlag beim Geigenbauer geben lassen, und den dann je nach ideellem Wertverständnis mit entsprechenden Neupreisen oder auch Preisen gebrauchter Instrumente vergleichen, und schauen, wieviel es einem wert ist. "Rechnen" wird sich weder eine Restauration noch der Erwerb einer neuen Gewageige. Neue Schülerinstrumente, beispielsweise von Gewa, verlieren sofort ordentlich an Wert, sobald sie gebraucht sind. Angenommen, eine Restauration entspricht dem Wert eines neuen Gewa-Instrumentes. In Variante 1 wird in die alte Geige investiert. In Variante 2 eine neue Gewageige gekauft. Wie ist der Verkaufswert beider Instrument in 5 oder 10 Jahren? Bei beiden wird man Verlust gemacht haben. Der Verkaufswert wird stark vom Klang abhängen, ist aber bei einem historischen Instrument bei gleicher Klangqualität meist höher als bei einem neuen Fabrikinstrument.


    Das ist alles sehr spekulativ, ich möchte damit nur zeigen, dass es mit der Geigenbewertung und der Wertprognose nicht ganz so einfach ist.


    Wenn der jetzige Besitzer aber sowieso nicht selber spielen will, ist die ganze Diskussion egal. Dann rate ich die Geige an die Wand zu hängen oder so wie sie ist auf ebay einzustellen.

  • Danke Braaatsch für die Antwort.
    Ich stimme voll zu.
    Mit sind alte "von Hand gemachte", auch wenn restaurationsbedürftige Instrumente auch lieber.
    Da hat ja schon jemand viel Arbeit und Können hineingesteckt.


    Freundliche Grüsse
    Violix

  • Vielen Dank für Eure Kommentare!


    So ganz überrascht bin ich natürlich nicht, dass das Instrument nicht das ist, was es vorgibt. Ich wundere mich aber schon, dass man vor mehr als 100 Jahren so definitiv fälschte. Mit Siegel.


    Ich kann kein Instrument spielen. Es ist ja ein Fundstück, und mir hat sie damals als Jugendlicher schon gefallen und seither steht sie nun seit 40 Jahren im Regal und ich freue mich immer wieder an ihrem Anblick. Damals sagte mir "Stradivarius" soviel wie den meisten von euch "Laplace Transformation", was mir was sagt. Was mich beeindruckte war die schier unglaubliche Jahreszahl 1723, mit Tinte geschrieben, da war für mich unzweifelhaft, dass sie so alt ist. Da das Haus in dem wir damals wohnten von 1777 war, passte das auch ganz gut zusammen.
    Reparieren werde ich sie also nicht. Von vorn sieht man den Spalt ja nicht :) , und Geige werde ich wohl nicht mehr lernen...


    Viele Grüße und eine schöne Adventszeit.


    tonedeaf

  • Guten Tag tonedeaf


    auch wenn das Label im Innern der Geige verblüffend echt aussieht, kann man sich auf die Aussagen der oben stehenden Experten/Begutachter verlassen.
    Wenn es offensichtlich ist, dass eine Geige nicht von Stradivari ist und mit grösster Wahrscheinlichkeit nie italienischen Boden berührt hat,
    kann man dies zu 100% glaubhaft darlegen.
    Wäre eine Unsicherheit da, würde man sofort den Gang zum Experten vorschlagen.
    Mein bester Link um eine echte Stradivari zu sehen:
    http://culture.teldap.tw/cultu…ntent&view=article&id=307