Jakob Kliment in Brünn 1875

  • Liebe Geigenfreunde,


    die Geige, die ich Ihnen zur Beurteilung zeige ist von der wahrscheinlichen Geschichte einfach nur echt:


    Meistervioline von Jakob Kliment in Brünn 1875,


    "der beste Geigenbauer seiner Zeit dort",
    - Schüler von Arlow, Heinrich (1850—1865), der um 1849
    Schüler von N. Savicki gewesen war


    entstanden nach dem Deutschen Krieg von 1866,
    in der Kaiserlich und königlichen Monarchie Österreich-Ungarn zur Zeit der Regentschaft von
    Kaiser Franz Joseph I (1867 - 1916) in Brünn, Markgrafschaft Mähren.
    Diese Violine überlebte den 1 und 2. Weltkrieg, die Vertreibung der Deutschen und fand ihren Platz in dem Prestigeprojekt der Kommunisten: „Eisenhüttenstadt“ bzw. deren Musikschule.
    Sollten sie nicht eine Meistervioline zur Verfügung gestellt haben!!?


    Zettel:
    Die Regierung von Cisleithanien wurde als „k. k.“ („kaiserlich-königlich“) bezeichnet, wobei sich königlich auf die böhmische Königswürde bezog, die der österreichische Kaiser ebenfalls innehatte. Von 1867 bis 1915 war der Doppeladler der Dynastie Habsburg-Lothringen („Haus Österreich“) das Hoheitszeichen für gemeinsame (k. u. k.) Institutionen Österreich-Ungarns.


    Brünn:
    Mitte des 19. Jahrhunderts war Brünn eine überwiegend deutsche Stadt. Der deutsche Musikverein wurde 1862 gegründet. Zwanzig Jahre später wurde der Kammermusikverein gegründet und 1902 die Brünner Philharmoniker.
    Bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges gab es in Brünn ein reiches Musikleben, reich an namhaften Komponisten, Dirigenten
    und Solisten, die Brünn die Ehre gaben. Die meisten Namen werden auch heute noch einigen bekannt sein:
    Hans von Bulow, Eugene d´Albert, Busoni, Brahms, DvoYák, Mahler, Strauß, Bruno Walter, Arthur Rubinstein, die Geiger Joachim, Kreisler und Kubelik.

  • Den Geigenbauer Kliment kenne ich nicht. Die Geige könnte aus der Zeit sein, obwohl es mir für eine Geige im Schulbetrieb eher unwahrscheinlich vorkommt.


    Scheint jedenfalls keine Meistergeige zu sein, nach den Bildern zu urteilen
    und nach dem Aufkleber außen. Wertvolle Geigen landen nicht im allgemeinen Schulbetrieb.

  • Kliment war mir bisher auch kein Begriff, aber es gab viele Geigenbauer, und auch recht gute, welche unbekannt bzw. "nicht berühmt" sind.


    Das Instrument selber schätze ich als von mäßiger Qualität ein. Der Boden ist ganz nett (einteilig, schöne Flammung), aber die breitjährige Decke mindert das Ganze wieder deutlich. Auch die Einlagen sind nicht wirklich "überzeugend", v.a. die Ecken sind eher "willkürlich" wie es eher fuer Manufakturinstrumente typisch ist. Viele Geigenbauer haben sowohl "Konzertinstrumente" als auch Schuelerinstrumente gebaut. Viele Geigenbauer haben auch halbfertige Instrumente aus Manufakturproduktion erworben, selber zuendegebaut/lackiert oder auch nur als Verkaufsinstrumente neu bezettelt und verkauft. Daher ist ein "echter Meisterzettel" in einem Manufakturinstrument gerade auch aus dieser Zeit gar nicht so selten, und hat wenig mit "echt" oder "Fälschung" zu tun. Ob die Geige jetzt eine zugekaufte Verkaufsgeige ist oder wieviel davon vom Meister selber stammt, kann man mit Sicherheit nur sagen, wenn man Vergleichsinstrumente hat.

  • Noch was zum Thema Musikschulen: Zu DDR-Zeiten war es fuer Privatleute nahezu unmoeglich, ohne Vitamin B auch nur eine Blockfloete zu kaufen, geschweige denn eine Geige. Es war also absolut üblich, Instrumente aller Qualitaetsstufen als Leihinstrumente an Musikschulen zu haben, und je nach Koennen und Parteibuch gab's dann was Besseres oder eben nicht. "Privateigentum" war verpönt im Sinne des propagierten "Volkseigentums" und welche Phrasen es da noch gab, insofern ist eine "Meistergeige" an einer Musikschule in damaliger Zeit nicht ungewöhnlich. Das war völlig anders als heutzutage, wo man Leihinstrumente eher fuer Anfaenger vorraetig hält (die kaufen sich eh was Besseres sobald sie einigermassen was können), und dementsprechend heutzutage eher einfache Instrumente als Leihinstrumente hat.


    Diese historischen Tatsachen haben nix mit Eisenhuettenstadt oder sonstwas zu tun, und belegen auch nicht, dass die obige Geige eine Meistergeige ist. Wie gesagt, ALLE Qualitätsstufen waren vertreten, man hat auch noch die aeltesten Schrappen aufgepimpt, weil jeglicher Neubau fuer Devisen in "den Westen" ging und es viel zu wenige Instrumente gab.


    Kurz: Musikschulgeige oder nicht besagt fuer DDR-Zeiten gar nix. ;)

  • Schöne und m. E. "echte" Geige. Dass die "Böhmen" aktuell relativ schlecht bewertet werden, ist für Verkäufer ärgerlich, für Musiker, die ein gutes Instrument zu einem fairen Preis suchen, aber von Vorteil.


    MfG
    Rainer

  • ich bekam mal für eine A Wolf, einem Geigenmacher aus Budweis, von ähnlicher Qualität und Zeit gerade mal so 85€ -halt über Ebay.
    Wenn die nur Böhmen lesen, dann ist's aus mit den guten Preisen -die rattern in den Keller, dass es nur so schebbert.

  • Danke!!!


    "Auch die Einlagen sind nicht wirklich "überzeugend", v.a. die Ecken sind eher "willkürlich" wie es eher für Manufakturinstrumente typisch ist."


    Können Sie dieses Kriterium mir bitte noch etwas näher erläutern und ich denke, dass das Thema "Einlagen Qualitätskriterien" viele hier interessiert!



    Ich dachte, die Einlagen enden überdurchschnittlich gut in den Ecken!

  • Herzlichen Dank!


    Ich habe nun zwei Fragen:


    1. Ist Mähren mit Böhmen gleichzusetzen!?


    2. Sollte man von "böhmischer" Massenware nicht erst ab 1906 sprechen!!!!


    Für den Geigensammler ist eine Marke in der Geschichte des Geigenbaus essentiell:
    Eine Geige vor 1906 kann nicht industrielle vorgefertigte Massenware sein!!!


    Markneukirchen (Sachsen) und Schönbach.
    Bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts spezialisierten sich Händlerfamilien auf den Verkauf/Import und Export, was nicht verwunderlich ist, denn alle wertvollen Waren wie Pfeffer, Seide u.a. wurden auf Handelsstraßen transportiert. Es verwundert auch nicht, dass man bereits damals Arbeitsteilung in der Herstellung kannte.
    Im beginnenden 20.Jahrhundert war bereits Amerika der Hauptmarkt und das Vogtland mit Markneukirchen dominierte den Welthandel (Exporteure z.B. Gebrüder Schuster, Schuster & Co. U. Theodor Starck). Die Vereinigten Staaten von Amerika unterhielten deshalb ein Konsulat im kleinen Markneukirchen bis 1916.
    Auch in Schönbach expandierten “Exportfirmen” wie Franz Bruckner und Anton Osmanek die, um unabhängiger vom Handelsvertrieb von Markneukirchen zu werden, um 1905 die "Produktivgenossenschaft der Musikinstrumentenerzeuger in Schönbach und Umgebung" gründeten und nach dem ersten Weltkrieg ca. 20% ihrer Prduktion selbst exportieren konnten. 1930 arbeiteten in und um Schönbach “ ca. 700 master luthiers” .
    Der Maschinenbauer und Besitzer von "Julius Berthold & Co.", William Thau, erfand die "Maschine zum selbsttätigen Fräsen von Geigen-Böden und Decken sowie ähnlichen plattenartigen Gegenständen". 1906 wurde eine Aktiengesellschaft gegründet mit der Marke
    "Giam" (Geigenindustrie-Aktiengesellschaft-Markneukirchen) gegründet. Bis 1907 wurde das Patent 1907 von Österreich-Ungarn (Schönbach), Frankreich (Mirecourt) und den USA konzessiert.


    Damit beginnt die eigentliche „industrialisierte Massenproduktion“, die vor 1906 nicht möglich gewesen ist !!!!!!!!!!!!!
    Der erste Weltkrieg und die große Depression führten zum Ende von Giam. Bis dahin sollen über 650.000 maschinell vorproduziert Geigen hergestellt worden sein.

  • 1. Böhmen, Mähren und Österr. Schlesien waren Habsburger Kronlande unter der Wenzelskrone. Irgendwie gehörten sie zusammen -politisch wie wirtschaftlich.
    2. Ich hatte von Anton Lutz, Ignaz Sander, Joseph Hannabach und von den Placht Brüdern mehrere Maufakturgeigen nachweislich vor 1906. Die Manufaktur im Vogtland, sowohl Sachsen als auch Böhmen begann eigentlich schon um 1850, falls das Verlegersystem nicht schon lange vorher (wie z.B. in Mittenwald) als Anfang der Manufakturfertigung zu werten ist.