Meine Caidonobono

  • Hallo! Als "Newbie" hier im Forum möchte ich einmal ganz freundlich einen schönen Nachmittag wünschen - und gleich meine Lieblingsgeige herzeigen mit der Bitte um Einschätzung.


    Ein Familienstück, keiner weiß eigentlich etwas. Die Einschätzungen bezüglich Herkunft gehen bei 2 Geigenbauern in völlig andere Richtungen (einmal Cremona vielleicht, einmal vielleicht Tirol), und Expertise gibt es keine.


    Am Zettel steht "Caidanobono fecit Cremona Anno 1780" - Die Jahreszahl in Handschrift. Die Geige war vor ca. 35 Jahren noch in furchtbarem Zustand, Risse in der Decke sind sehr schön repariert, und der Lack wurde auch ausgebessert. Die Geige bestand angeblich beinahe aus Einzelteilen. Am Boden ist ein Siegel einer Vorbesitzerin ca. aus dem Jahr 1950. Darunter ist, so weit man es erkennen kann, ein Brandstempel caidanobono.



    Da ich erst vor kurzer Zeit wieder zu spielen begonnen habe möchte ich sehr gerne etwas über das Instrument, die Herkunft und den möglichen Wert wissen. Eigentlich spiele ich eine recht gute böhmische Geige (ca. 1000 Euro). Aber der Klang ist überhaupt kein Vergleich. Die arme böhmische wird den Koffer in Zukunft wohl sehr selten verlassen...

  • Gaetano Bono war ein Venezian. Meister. Von dem sind sehr wenige Geigen überliefert. Wären somit sogar sehr teuer. Vom Aussehen erinnert die mich eher an diese vogtländ. künstlich ge"aged"en Geigen, die eine ältere Identität vortäuschten. Da wurde so ziemlich jeder "Exote" verbraten. Verdächtig, dass Gaetano Bono hier als Cremoneser aufscheint und sein Name offenbar verbalhornt wiedergegeben ist, was mir und der Fachwelt neu wäre.
    Oft entstanden dadurch sogar Fantasienamen.

  • So richtig nach "Italien" sieht sie mir nicht aus...und die Sachsen/Boehmen haben gerne mal irgendwelche Brandstempel am Halsansatz angebraucht und hatten das dann auch mit der Rechtschreibung nicht so (Stainer = Steiner). Man sollte ja erwarten, dass Gaetano Bono wusste, wie er sich schreibt ;) Normalerweise wuerde man auch nicht unbedingt ein Siegel ueber einen echten Brandstempel (=wie die Signatur auf einem Bild) kleben. Mir sieht das auch eher nach einer Geige aus dem saechsisch-boehmischen Musikwinkel aus: "Haben Sie eine Geige von Gaetano Bono?"-"Nie gehehrt, aber guuud, ne Gaidanobono kann'sch Ihn'n gärne vergooofen"-"Lehrling, ne Geige mit Gaidanobono!" "Aha, Meister, ich soll die Geige also mit Caidanobono beschriften...Cremona, wie immer?"- "Nadierlich!". ;) Letzteres ist natuerlich rein fiktiv, aber man kann es sich fast so vorstellen....


    Trotzdem: auch in Sachsen/Boehmen wurden gutklingende Geigen gebaut, und manche der "Kopien" sind wirklich sehr ähnlich. Die Sachsen/Boehmen waren ja auch nicht "dümmer" oder unbegabter als ihre Kollegen, nur waren viele kleine Handwerksbetriebe/Ein-Mann/Ein-Familien-Betriebe durch das Verlegerwesen mit vorgeschriebenen Produktionsraten und die wirklichen Hungerloehne gezwungen, viele Instrumente/Instrumententeile in kurzer Zeit herzustellen. Die Verleger verdienten sich eine goldene Nase (Markneukirchen hatte um die Jahrhundertwende 19/20.Jhd) die hoechste Millionärsdichte Deutschlands, und sogar ein eigenes amerikanisches Honorarkonsulat wegen des riesigen Exports). Die Handwerker sahen von dem Geld kaum etwas, und durften teilweise nur Teile herstellen (damit sie nicht auf die Idee kamen, funktionierende "Komplettgeigen" selber anderweitig zu verkaufen), sonst haetten sie sich schnell selbststaendig gemacht (und das wollte kein Verleger). Das sollte man nicht vergessen, wenn man wieder ueber die "boehmischen Schuhschachteln" herzieht. Kurz: viele der einfachen Geigen klingen sehr gut, und sind prima Gebrauchsinstrument- nur eben keine "Kunstgegenstände" wie eine "echte" italienische/franzoesische/... Geige.

  • Danke für die schnellen Antworten! Das heißt, das eigentlich Besondere an der Geige ist, dass eben nicht "Stradivarius fecit" drinnen steht? ;) Und dass eine "Caidanobono" etwas Ausgefallenes ist, so einen Zettel bzw. Brandstempel hat nicht so oft jemand, wenn auch aus orthographischen Gründen...


    Der Klang des Instruments ist ja wirklich erstaunlich. Ich spiele in einem Orchester, und um die Geige werde ich richtig beneidet... Verkaufen ist natürlich kein Thema, also ist ein Verkaufspreis auch nicht soooo interessant (na ja, vielleicht doch???).


    Aber zur Einschätzung: Eurer Vermutung nach also Vogtland/Sachsen/Böhmen, irgendwo in der Ecke, und möglicherweise so um die vorige Jahrhundertwende? Wie gesagt, auch meine andere Geige stammt aus Böhmen, keine Fälschung bzw. Kopie, ein einfaches, gut klingendes Instrument ca. 1910. Warum also nicht?


    Hat jetzt also wohl Gesellschaft - lauter, voller, trotzdem weicher - bekommen, und ich freue mich trotzdem an meiner Geige, obwohl so ein italienisches Meisterstück schon eine schöne Überraschung wäre!


    Danke noch einmal!

  • Ich habe mir das von meinem Geigenbauer nochmal kürzlich erklären lassen. Alle Geigen, die vor 1850 gebaut wurden, hatten eine andere Mensur, einen kürzeren Hals, der anders angebaut war (als Vergleich guck doch mal in meinem Thema "eine echte hopf?"). Das lag daran, dass damals die Instrumente tiefer gestimmt wurden als heute.
    Deine Geige hat einen modernen Hals, und ich kann keinen Anschäfter an der Schnecke erkennen. Damit ist sie mit Sicherheit jünger als 160 Jahre. Also kann man sowieso den Zettel vergessen.
    Vielleicht ist sie ja trotzdem eine Tirolerin. Und für uns musizierende Geiger zählt doch sowieso der Klang über alles. :)
    Gruß Sommervogel

  • niemand will Ihnen die Freude am Instrument nehmen. Und wenn die gut klingt, was spricht dagegen, diese nicht im Orchester zu verwenden?
    Leider ist es halt so, dass -man wird mich dafür prügeln- 90% des Wertes einer Geige der Namen ausmacht, daher sind die Geigenmacher aus Cremona aus dem 17 und 18.Jh. untersucht wie keine anderen. Es wäre unwahrscheinlich, würde dann ein Caidonobono da im Internet nicht abrufbar sein. Wie der Braatsch schon richtig anführte nahmen dann die Vogtländer, nachdem Stainer, Strads, del Gesus und sonstige Cremoneser derartig oft gefälscht wurden, dass es sogar dem gutgläubigsten Geigenspieler verdächtig vorkommen mußte, jeden nur denkbaren Meister in "ihr Programm" auf. Manchmal erfand man einfach sogar Meister. Ihrer dürfte so einer sein, aus Gaetano Bono machte man einen Caidonobono und aus Venedig machte man Cremona (war schon damals schicker) etc..

  • ich bin auch derselben Meinung wie Braatsch: Sieht nicht wie eine italienische Geige aus, tirol passt besser...


    Aber wenn die Geige einen tollen Klang hat, dann ist es - jedenfalls meiner Meinung nach- nicht ganz so wichtig, wo die Geige herkommt;
    Ich halte sie für eine sehr gute Tiroler Arbeit


    Meine "Gallkäfer"-Geige, s. unbekannter Brandstempel- die eine Gallhofer-Geige ist, wie sich jetzt herausgestellt hat, ist auch von einem völlig unbekannten Geigenbauer und klingt ganz toll...
    Ich stell sie euch bald mal vor..;


    Viel Freude mit Ihrem schönen Instrument!


    Gruss
    Vanille123

  • Kurt Kauert ”Vogtländisch-westböhmischer Geigenbau in fünf Jahrhunderten” berichtet:
    “Auf den Geigenzettln wurden falsche Herstellungsorte und fingierte, italienisch klingende Meisternamen angegeben und mancher Geigenbauer, der eigentlich sein Licht nicht hätte unter den Scheffel zu stellen brauchen, verwandte Geigenzettel mit sinnlosen Angaben. Auf einem solchen Geigenzettel liest man zum Beispiel ”Johan Georg Schönfelder, Probe Violine Corep Cremona Fecit 1789”. Under der Klingenthaler Geigenmacher Friedrich Wilhelm Meisel verwendete Zettel mit Beschriftung “Friedrich Wilhelm Meisel Stratuari Cremonalis baviebat Ao 17..”

  • Die "Barockgeigen" hatten nicht nur eine andere Mensur, sondern auch t.w. auch eine andere Halskonstruktion und v.a. einen anderen Halswinkel. Auch waren die Masse der Geigen damals nicht einheitlich, nicht jeder hat damals nach den Massen Stradivari's gearbeitet ;) Allerdings war der Übergang fliessend- es gibt "moderne" Geigen von ca. 1800, und Barockgeigen wurden durchgehend (wenn auch in kleiner Stückzahl!) bis heute gebaut. Die Masse der Geigen vor 1800 ist allerdings ursprünglich barock gebaut worden, die Masse nach 1850 (ich würde sagen, etwas eher, ca. 1820/30) modern.


    Oft wurde aber bei alten Instrumenten ein neuer Hals angeschäftet, manchmal aber auch gleich samt Schnecke...da sieht man dann auch keinen Anschaefter. Oder es wurde auch ein Anschäfter vorgetäuscht, um ein Instrument älter zu machen...

  • Hey Bratsch, "Maße" schreibt man nach wie vor mit "ß", um es von "Masse" unterscheiden zu können :)
    ("ß" steht noch nach langen Vokalen sowie nach Diphtongs).