Johann Reiter Mittenwald

  • Die Größe ist übrigens auch so ein Punkt, warum sich diese Instrumente nicht durchgesetzt haben bzw. wahrscheinlich auch nie durchsetzen werden. Um einen guten Klang zu produzieren, muss das Verhältnis zwischen Korpusgroesse (eingeschlossenens Luftvolumen) und Stimmhöhe stimmen. Das passt bei der Geige, und das passt beim Cello. Schon bei der Bratsche hat man das grosse Problem, dass der Korpus für die geforderte tiefere Stimmung eigentlich viel zu klein ist (er müsste so bei 50-60cm liegen, die genauen Werte habe ich nicht im Kopf, aber im Moeckel stehen die drin....).


    Aus dem "unpassenden" Korpusmass resultiert der oft etwas näselnde, weiche, wenig strahlende Klang (den ich sehr mag, aber der im Orchester nicht umsonst selten als Solo auftritt), und die gelegentlichen klanglichen -ich würde mal sagen, "Einschränkungen"- kleiner Instrumente. Der Versuch, immer größere Bratschen zu bauen, scheitert an der Spielbarkeit. Daher ist die Bratsche auch das Streichinstrument, wo es die größte Variabilitaet in der Größe und Korpusform gibt- quasi alles zwischen 38 und 48 cm (man stelle sich das bei der Geige vor oder beim Cello!). Quasi alles Kompromisse, um spielbare Instrumente mit gutem Klang zu haben. Dass die Bratsche so selten als Soloinstrument eingesetzt wurde, hat sicherlich auch damit zu tun.


    Mit ca. 42-43 cm ist das "Endmass" der Handhabbarkeit und der orthopädisch dauerhaft schadenfreien Spielbarkeit fuer die meisten Menschen erreicht. Es gibt natürlich grosse Leute, die da auch eine 45ger Bratsche mühelos handhaben, für den Durchschnittsmenschen ist das aber grifftechnisch (auch wenn man versucht, die Mensuren kleinzuhalten) auf Dauer kaum machbar. Insofern werden sich die klanglichen Probleme bei einem Instrument, welches versucht, eine noch tiefere Stimmung auf einen eigentlich schon für die Bratsche zu kleinen Korpus zu "zwingen" wahrscheinlich verstärken.


    Zusammengefasst: Man hat das Problem, ein Instrument mit nicht einfacher Spielbarkeit (Größe!) und vermutlich klanglichen Problemen für einen Tonbereich, für den es bereits ein klangstarkes, etabliertes Instrument (Cello) gibt "erfinden" bzw. etablieren zu wollen. Wenn man ein Zwischendings bräuchte, wäre es wahrscheinlich fruchtbarer, eine Art kleines Cello zu bauen, welches diesen und den tiefen Bratschen-Bereich abdeckt, und die passende Korpusgroesse hat. Das hat es mit entsprechenden Gamben schon gegeben, ist aber leider verschwunden...

  • Zitat

    Original von Braaatsch
    Die Größe ist übrigens auch so ein Punkt, warum sich diese Instrumente nicht durchgesetzt haben bzw. wahrscheinlich auch nie durchsetzen werden. Um einen guten Klang zu produzieren, muss das Verhältnis zwischen Korpusgroesse (eingeschlossenens Luftvolumen) und Stimmhöhe stimmen. Das passt bei der Geige, und das passt beim Cello. Schon bei der Bratsche hat man das grosse Problem, dass der Korpus für die geforderte tiefere Stimmung eigentlich viel zu klein ist (er müsste so bei 50-60cm liegen, die genauen Werte habe ich nicht im Kopf, aber im Moeckel stehen die drin....).


    Zu der theoretisch idealen Größe einer Bratsche gibt es aber unterschiedliche Meinungen. Einig sind sich alle, dass die Geige die idealen Maße für ihren Tonumfang hat.
    Von da ausgehend, wurde von Ritter berechnet, dass die ideale Bratschengröße 54 cm (36/54=2/3=Quintverhältnis) wäre, hat dann aber als Kompromiss 48 cm (36/48=3/4=Quartverhältnis) vorgeschlagen. Was im Moeckel steht, basiert wahrscheinlich darauf. Ritter hat für seine Berechnungen aber nur die Länge, also eine Dimension berücksichtigt. Nach dieser eindimensionalen Denkweise müsste ein Cello aber ein Korpusmass von >100cm haben (das doppelte der "idealen" Bratsche, bzw. als Kompromiss doch wenigstens 96 cm. Hat aber nur 75 cm und ist doch sehr klangstark.
    Ein Streichinstrument hat aber nicht nur die Saitenlänge (=eine Dimension), sondern einen komplexen Resonanzkörper mit 3 Dimensionen, die variiert werden können. Bratschen sind daher breiter im Verhältnis zur Länge, bei Celli sind die Zargen sehr viel höher (immer im proportionalen Verhältnis zur Länge betrachtet).
    Und es gibt Überlegungen bzw. Untersuchungen, dass nicht die Länge entscheidend ist, sondern das Volumen. Vielleicht auch die Oberfläche. Wenn man die Länge verdoppelt (und die Proportionen beibehält), vervierfacht sich die Oberfläche, das Volumen wird 8mal so groß.
    Also so einfach ist das alles nicht...


    Jedenfalls würden mich die Maße dieser Oktavgeige sehr interessieren...

  • Da gebe ich Dir vollkommen recht, ich habe das alles sehr vereinfacht dargestellt. Natürlich kann man mit hohen Zargen, breiteren Bügeln usw. eine Menge machen, und selbstverständlich gibt es genug Bratschen, die trotz der physikalischen Schwächen so gut gebaut sind, dass sie fantastisch klingen (es gibt genug Soloinstrumente ;-)...). Das steht ausser Frage.


    Ich wollte nur das prinzipielle Problem ansprechen, dass man eben nicht einfach ein paar tiefere Saiten auf einen etwas vergrößerten Bratschenkorpus spannen kann, und die Korpusprobleme ein Grund sein könnten, warum sich diese Instrumente nicht durchgesetzt haben. Ein geschickter Geigenbauer wie Reiter wird das auch prima gelöst haben, aber ich glaube eben dass es nicht so einfach ist, solche Instrumente gut zu bauen.



  • Hallo zusammen, ich war in der letzten Woche in Mittenwald im Urlaub und habe meine Johann Reiter Geige dort von einem Geigenbauer begutachten lassen. Nach seiner Einschätzung ist es ein original Mittenwalder Instrument, welches sowohl Merkmale von Reiter als auch von seinem Nachfolger Sandner aufweist. Die Decke ist aus Haselfichte und die Zarge ist extrem tief geflammt. Die Geige ist in einem außergewöhnlich gutem Zustand und vom Klang war der Geigenbauer ebenfalls sehr angetan. Dem Instrument wurde ein Wert von 4.000 € bescheinigt und somit habe ich jetzt auch für die Versicherung was zum Vorlegen.



    Schöne Grüße



    Christoph