Barockbögen

  • Kann mir jemand sagen, wo man Barockbögen mit nach außen gewölbter Stange bekommt?
    Im Internet habe ich eine Vielzahl von Bögen gefunden, die als Barockbögen verkauft werden, aber alle die heute übliche Biegung der Stange nach innen (zu den Haaren hin) haben. Für die typisch barocke Spielweise und die historische Aufführungspraxis scheint man aber wohl doch Bögen mit Außenbiegung zu brauchen - zumindest spielen alle Barockensembles, die ich gesehen habe, mit solchen Bögen. Sind das alles Spezialanfertigungen?


    Beste Grüße!
    Frank

  • Ein neuer Bogen wird eher seltenbarock gebaut. Die meisten Bogenbauer haben allerdings einge wenige zum Verkauf stehen. In welcher Preisklasse suchen Sie einen Bogen.
    Wenn es ein guter Bogen werden soll, einfach an den nächsten Bogenbauer wenden. Geigenbauer verkaufen in der Regel auch Bögen.
    Man bekommt diese Bögen normaler Weise ohne größere Probleme. Einen wirklich billigen Bogen in barocker Bauart zu finden dürfte sich hingegen schwieriger gestalten.


    Viele Grüße

  • Danke!
    Beim Geigenbauer zu fragen, daran hatte ich auch schon gedacht. Da ich mich in die barocke Spielweise aber erst einarbeiten will, hatte ich zunächst an einen billigeren Bogen gedacht - so 100 bis 200 ? höchstens. (Ich fürchte ein wenig die Diskussion: Unter 500 ? sollte man gar nicht erst anfangen etc., und dann gehen einem als Laien schnell die Argumente aus...). Aber nun werde ich mal beim Geigenbauer unverbindlich anfragen. Vorteil ist dann ja auch, dass man die Bögen dort in die Hand nehmen und ausprobieren kann.
    Ich wundere mich nur, dass es so viele "Barockbögen" gibt, die an Frosch, Schraube und Spitze barock geformt sind, auch barocke Längen haben, aber eine modern geformte Stange. Historisch korrekt ist das wohl nicht, oder?

  • Also, "historisch korrekt", ist es auch nicht, wenn ein Bogen überhaupt eine Schraube hat, denn diese Art, die Behaarung zu spannen, wurde erst viel später erfunden (von Tourte, glaube ich). Ein paar Kompromisse geht man da schon ein, weil es einfacher in der Handhabung ist.
    Auf diesem Video
    http://www.amazon.de/Progetto-…B000UTOVGA/ref=pd_sim_m_2
    sieht man glaube ich, dass der Bogen leicht nach innen gebogen ist, in gespanntem Zustand ist die Stange aber fast gerade. Die Bilder von den Bögen zum Verkauf werden meist in entspanntem Zustand aufgenommen, da ist die Stange (wie bei modernen Bogen ja auch) viel stärker gekrümmt.
    Also einfach mal ausprobieren!
    Gruß

  • Vielen Dank, Violaine!
    Vor allem für den Link zu dem Aufsatz von Hans Reiners. Das Ganze scheint danach doch sehr kompliziert zu sein. Was er über die Vorzüge der Steckbögen schreibt, kann ich noch einigermaßen nachvollziehen, wenn ich auch denke, dass die Nachteile (aus "barocker" Sicht) des Schraubfroschbogens nicht so gravierend sind wie die geänderte Stangenform. Denn auch wenn Reiners schreibt, dass die echten Barockbögen in entspannter Form "kaum jemals konvex (d.h. nach außen gebogen)" waren, so zeigen die Gemälde doch, dass sie in gespannter Form sogar sehr stark konvex gekrümmt waren. Das muss beim Spielen ein gravierender Unterschied sein: Während (so wurde es mir mal erklärt) bei konkavem Bogen durch den Druck der Haare auf die Saite die Haarspannung leicht erhöht wird, ist dies beim konvexen Bogen umgekehrt - wenn die Bogenkrümmung sich erhöht, neigen sich Frosch und Spitze beim konkaven Bogen nach außen, beim konvexen Bogen nach innen, d.h. zur Saite hin. Das soll angeblich beim modernen, konkaven Bogen die Ansprache schnell und präzise, beim Barockbogen umgekehrt leicht verzögert machen.
    Überzeugender als das Sol Gabetta-Video (da hab' ich nicht viel erkennen können) finde ich z.B. das hier - alle spielen mit leicht konvex gekrümmten Schraubfroschbögen, und das nicht schlecht:
    http://www.youtube.com/watch?v=Vtu9seqYu-Y

  • Vielen Dank für dieses Video, da sieht man wirklich mehr! Und sie spielen wirklich sehr schön frisch und barock! Ich als hoffnungsloser Romantiker war eigentlich immer ein Verfechter der modernen Instrumente und Spielweise (Tschaikowski, Brahms etc. mit riesigem Symphonieorchester) und habe erst vor kurzem begonnen, mich mehr mit Barockmusik und historischen Instrumenten zu beschäftigen. Und ich muss sagen, es hat was. Das Tolle an den barocken Kompositionen ist aber, dass sie sowohl in der historischen Spielweise als auch auf modernen Instrumenten und sogar mit E-Geige "funktionieren." Man kann da richtig experimentieren mit verschiedenen Besetzungen und Arrangements.

  • Ich selbst hatte ein wenig Unterricht in der barocken Geigenspielweise, da meine damalige Lehrerin ein großer Fan dieser war und selbst fast ausschließlich in dieser Richtung musizierte.
    Mein damaliger Bogen, den ich geliehen hatte, hatte definitiv eine Krümmung nach außen. Ich bin auch ein großer Fan von romantischen Stücken, aber auch das Barockzeitalter hat für mich Vieles zu bieten. Es sind einfach zwei komplett verschiedene Stile. Für mich alleine zum Spielen sind die Bach Solosonaten und Partiteten in ihrer Gesamtheit einfach unübertreffbar.
    Eine barocke Aufnahme, durch die man wirklich auf den Geschmack kommen kann, existiert von Rachel Podger. Ich kann sie nur jedem ans Herz legen.


    Ich selbst kann mir kaum vorstellen, mit der E-Geige barock zu spielen, aber das ist nur meine sehr persönliche Einschätzung, die sich durch ein gegebenes Erlebnis auch ändern kann.
    Genrell gilt für mich, barock spielen heißt nicht nur, auf historischen Intrumenten Musik zu machen, sondern auch die SPielweise zu ändern. Da gehört zum Beispiel dazu, dass ich Töne viel eher über die rechte als übnr die linke Hand modeliere.


    Aber auch die moderne Spielweise kann bei barocken Stücken interessant sein, siehe zum Beispiel Hilary Hahn.


    Viele Grüße

  • Also, einen Barockbogen für 100-200 Euro zu bekommen wäre schon grosses Glück. Nein, ich will hier niemandem den Mut nehmen, wirklich nicht. Nur ist ein Geigenbogen mehr als ein Flitzebogen ;) Da steckt richtig Arbeit drin, und gute Dinge haben nun mal ihren Preis. Sorry. Die Dinger gibt's nicht in Massenanfertigung, und der Kundenkreis (und der Gebrauchtmarkt) sind recht klein. Soweit ich weiss, gab es zu damaligen Zeiten gar keine "Normen" für Bögen- weder in der Länge, noch in der Krümmung, noch sonstwie. Jeder hat sich das nach seiner Physiognomie ausgewählt. Theoretisch koennte man sich aus einem geeigneten Holzstab, an dessen Enden jeweils die Haare befestigt werden, welche man mit einem selbstgeschnitzten Schiebefrosch spannt, einen "Barockbogen" bauen- was meines Erachtens sogar historisch recht korrekt sein dürfte, denn die vielen armen Spielleute haben sich auch irgendwie beholfen... ;) Das wäre zumindest eine tolle Bastelerfahrung, aber es wird spieltechnisch sicher abenteuerlich :)


    Alternativ muss man in einen solchen Bogen leider einiges investieren, bekommt dann aber Qualität nach modernen Standards- die damals oft (sicher nicht immer!!!) wirklich anders gewesen sein dürfte!


    Zur Erfahrung der barocken Spielweise dürfte es aber auch ein normaler moderner Bogen oder ein "Barockbogen", der modern gebogen ist, tun. Meines Erachtens nach -und da lasse ich mich gerne korrigieren- ist eine Herausforderung der barocken Spielweise das Spielen ohne Schulterstütze und Kinnstütze, also die linke Hand muss beim Lagenwechsel ganz anders vorgehen, weil sie das Instrument stärker stützen muss. Das Instrument wurde oft gegen den Oberarm, das Schlüsselbein oder die Brust abgestützt.
    Insofern koenntest Du ja erstmal damit anfangen ;) und solange sparen, bis es für einen gebrauchten Gambenbogen oder Barockbogen reicht ;)

  • Um das Thema nach längerer Zeit noch einmal aufzunehmen: Ich habe mir inzwischen - vermittelt durch einen Bekannten - einen nach außen gekrümmten Barock-Bratschenbogen von einem holländischen Bogenbauer besorgt, übrigens für noch mäßige 600 €. Ein wunderschönes Teil, aus Schlangenholz und sehr gut verarbeitet. Ich bin begeistert über den "Biss", den man beim Spielen barocker Stücke damit hat. Meiner Meinung nach ist dagegen das Spielen ohne Kinnhalter und Schulterstütze mehr ein ästhetisches Problem - die Klangbeeinflussung durch diese Anbauten dürfte sich doch allenfalls bei sehr guten Spitzeninstrumenten bemerkbar machen. Der richtige Bogen aber - und für mich ist das jetzt eindeutig ein konvex gebogener - erleichtert den typischen Barockstrich ungemein und ist unbedingt zu empfehlen.
    Es ist wirklich bedauerlich, dass solche Bögen so schwer zu bekommen sind!