Geige

  • Somit steht die Geschichte bzw. die Auflösung des Rätsels wohl noch ziemlich am Anfang. Interessant wird dann als Nächstes, was der Meister von Musik Hug dazu sagt, und am Ende auch, was klanglich nach der Restauration rauskommt.
    Die Geige an sich sieht ja schon ganz ordentlich aus und wirkt auch schon wie >150 Jahre. Offensichtlich mutwillig bis fast zur Unkenntlichkeit zerstörte Innenzettel sollten allerdings bezüglich der Authentizität eines Instrumentes grundsätzlich misstrauisch stimmen.
    MfG
    Rainer

  • Keep Cool! Rainer!
    Er soll uns dann mitteilen, was die weitere Recherche und v.a. eine Begutachtung eines Spezialisten ergeben hat, wenn ihm an der Authentizität sooooooooo viel lieb ist.
    In meiner Erfahrung sieht sie dennoch für eine über 200 Jahre alte Geige trotz Vernachlässigung (und gerade deswegen!!) doch noch zu gut aus.
    Wäre sie in der Zwischenzeit mal restauriert worden, hätte sich sicherlich ein Meister mit Reparaturzettel verewigt -und gerade dann wäre sie gar nicht mal so selten erst recht verhunzt worden (ich will mich nicht jetzt über die berühmten Wiener Meister auslassen, was die da oft angerichtet haben).
    Aber es geht auch eine Einladung an Musicus300 sich hier bei weiteren Anfragen zu beteiligen.
    Ich und der Rainer loggen sich nicht dazu ein, um uns gegenseitig zu gratulieren -wie man als Ergebnis sieht, oft sogar das diametrale Gegenteil.
    Aber Kontroverse gehört zum Wahrheitsfindungsprozess dazu.
    Daher wäre Ihre Teilnahme eine Bereicherung.

  • Hallo
    Ich werde Euch auf jedenfall auf dem laufenden halten im Bezug auf die Geige. Und sollte ich mich tatsächlich geirrt haben, was ich fast ausschliessen kann, dann werde ich es Euch ohhhh... Schande.. trotzdem sagen.


    Uebrigens Rainer, wegen dem Geigenzettel - also die Geige ist innen total verdreckt, aber nicht künstlich verdreckt worden, sondern tatsächlich verdreckt durch die Jahre (wo die herum gelegen ist kann ich leider nicht sagen), und der Geigenzettel ist im laufe der Jahre eindeutig vergilbt und kaputt gegangen er hat sich auch teilweise vom leim gelöst und steh auf. Glaube mir ich bin nicht so blauäugig das ich sowas nicht bemerken würde wenn da nachgeholfen worden wäre. Uebrigens ich habe die Geige in Israel in einem Trödler Laden gekauft.


    es grüsst euch trotzdem ganz lieb aus der Schweiz
    musicus

  • Habe noch was vergessen - der Geigenbauer bei Hug ist ein vorzüglicher Fachmann aber kein Experte für Echtheitszertifikate, falls Du das gemeint hast.
    Sowie die meisten Geigenbauer, eigentlich wenig verstehen von echt oder unecht, diese Erfahrungen habe ich immer wieder gemacht.

  • Zitat

    Original von yxyxyx
    MM! Eine sehr schöne Geige, Ihre Stadelmann. Stainer-Modell?


    Ja, J. Stadelmann hat meine Geige ca. 1780-1790 in "Stainer-Art" gebaut, wobei
    das in der Hauptsache nur die Decken/Bodenwölbung betrifft.



    Nun zu diesem Fall hier, musikus:


    Ich bin etwas enttäuscht. Die Herkunft ist keineswegs klar. Dazu fehlen, wie du
    ja selbst schreibst, Vergleichsmodelle oder eine Herkunftsgeschichte, ein möglichst
    lückenloser Lebenslauf.


    Deshalb frage ich mich auch, ob die Restauration der Geige sinnvoll ist. Klar, wenn
    man Geld übrig hat und seelisch an der Geige hängt, warum nicht.
    Ob man damit eine gut spielbare und klingende oder wertvolle Geige erhält, würde
    ich eher bezweifeln.


    Ich habe z.B. meine Stadelmann-Geige (vor 20 Jahren) auch richten lassen, Hals
    senken, Riss unterlegen ... die war übrigens viel gepflegter und nicht so verschrammelt
    und schlecht und falsch behandelt, obwohl sie etwa gleich alt ist.


    Und nun? Spiele ich auf einer Schüler-Geige, weil die klanglich viel besser ist als das
    schöne alte Ding (das aber auch jahrzehntelang als Konzert-Geige ausgereicht hat)

  • Was verblüfft, ist aber folgendes: mein wissen über die Entwicklung der Topographie der Geigen besitze ich aus einer medizinischen Studie von H.Neugebauer von der Uni Wien (heute Medizin. Uni Wien). Er ist begeisterter Hobby-Geigenmacher und hat ein optometrisches Messverfahren entwickelt, mit der man anhand von Oberflächendeformationen am menschl. Körper Krankheiten diagnostizieren kann. Diese sog. Moire-Technik hat sich aber scheinbar nicht durchgesetzt.
    Diese Studie beginnt als Jux mit Vermessung berühmter Geigen-Korpi und da ist eine Bisiach von 1903 vermessen und eigentlich als Kontrast daneben eine Landolfi von 1791 gestellt. Er wollte in der Gegenüberstellung die Veränderungen ziemlich drastisch vor Augen führen. Der Scheitel der Landolfi ist wesentlich steiler und höher, während die Bisiach in der Topographie verblüffend der ihrigen ähnelt.
    Scheinbar sind die flachen Formen doch keine erst jüngere Entwicklung. Er sagt zwar, dass die Bisiach der Stradivari angelehnt ist, leider hat er in der Studie ausgerechnet auf die Vermessung von Modellen von Stradivari und delGesu verzichtet -die Ö. Nationalbank besitzt einige dieser, die hätten sie ihm sicherlich geliehen.
    Und wie eine Stradivari Kopie sieht ihre mutmassliche Bergonzi nicht aus.
    Es kann aber sein, dass Bisiach und seine nicht minder berühmten Schüler von Bergonzi abkupferten.
    Wäre sehr interessant zu verfolgen.

  • Ich kann in der Geige auch beim besten Willen keine Bergonzi erkennen.
    Allerdings habe ich auch noch nie eine Ludovico Bergonzi gesehen.
    Ist es überhaupt erwiesen, dass es einen Geigenbauer diesen Namens in Cremona gab?
    Die einzigen Referenzen zu Ludovico Bergonzi die ich kenne sind der Lüttgendorff, der lediglich erwähnt, dass gelegentlich Geigen mit einem solchen Zettel auftauchen, und eine Geige die bei Sotheby's versteigert wurde als "German Violin labelled Ludovico Bergonzi..."


    Lieber Musicus, welche Informationen machen Sie so sicher, dass der Zettel der Geige zutreffend ist?


    Matthias

  • Interessante Studie yxyxyx - die Du da von Neugebauer gelesen hast, würde mich eigentlich genauer interessieren - gibt es über diese Studie kaufbare Literatur ??
    Nun anscheinend hat meine Geige doch sehr grosses und breites Interesse ausgelöst. Was mich einerseits sehr freut andererseits aber auch ein wenig beunruhigt im Bezug auf meine Treffsicherheit was die Echtheit betrifft und was wäre wenn ich nun total falsch liegen würde. Peinlich... peinlich...


    Lieber Matthias, sicher macht mich nur, das ich mich seit Jahren mit dem Geigenbau beschäftige, das ich selbst eine Sammlung von etwas 15 Geigen besitze, sehr alte und auch ganz neue, und das ich doch schon sehr viele alte Geigen gesehen habe und aus diesem Grund auch einigermassen Erfahrungen sammeln konnte. Was den Zettel betrifft, und auch die Geige selbst, gibt es absolut keine vergleichbaren Anhaltspunkte, weil Du schon selbst sagst im Lütgendorf nur spärlich über einen Ludovico Bergonzi berichtet wird, auch bei Jalovec - die selbe Notiz als hätte Lütgendorf das dort abgeschrieben, und auch bei Hamma, italienische Geigen überhaupt nichts zu finden, in der Fuchstaxe sowieso nicht... es ist schwierig, ich bin gespannt was mein Geigenbauer meint. Ich werde Euch auf jedenfall auf den laufenden halten. Fall ich mich wirklich total geirrt haben sollte, werde ich in Zukunft den Mund halten und mich vor Scham ganz klein machen


    Es grüsst Euch alle musicus

  • Neugebauer, Winidischbauer
    "Surface Topography and Body Deformity"
    Gustav Fischer Verlag, 1988


    Gibt's sicherlich in jeder Medizin Uni Bibliothek.
    Aufgelegt wird es m.W. nach nicht mehr.