Altes 4/4 Cello gefunden und keine Ahnung

  • Hallo zusammen,

    ich habe hier ein unrestauriertes 4/4 Cello im original Transportsack. Korpus 75 cm, Gesamtlänge 121 cm. Es befindet sich keine Hersteller-Markierung im Korpus. Gefunden in Oberfranken / Bayern.

    Meine Fragen:

    Wie alt ist es ungefähr?

    Kann man einen Hersteller vermuten?

    Um welches Korpus-Material könnte es sich handeln?

    Rentiert sich eine Restaurierung, bzw. was ist es unrestauriert / restauriert ungefähr Wert?

    Beste Grüße

    Thunder











  • Alter: Erste Hälfte 20. Jahrhundert (also 1900-1950 etwa). Herkunft Sachsen/Böhmen, da gab es viele Manufakturen. Diese wurden nach dem Krieg verstaatlicht oder geschlossen, viele Geigenbauer wanderten nach Bubenreuth ab und sortierten sich dort neu. Es kann sich also auch um ein frühes Bubenreuther Instrument (50ger Jahre) handeln, das ist kaum zu unterscheiden weil es die gleichen Geigenbauer waren, und ob das Instrument nun 20 Jahre jünger oder älter ist ist nicht mehr festzustellen. Ich tendiere aufgrund des Holzstachels eher zu 1910-1930, aber der kann auch später von einem anderen älteren Instrument dazugekommen sein.


    Material: Das Übliche: Decke ist Fichtenholz, und gut gemacht -also die engen Jahresring in der Mitte, wo die grösste Belastung auftritt. Zargen und Rücken aus Ahorn, eher schwach geflammt. Viele Leute wollen lieber schön geflammtes ("gemasertes") Holz, aber vom klanglichen Aspekt her kann auch schwach geflammtes Holz gut sein, weil seine Struktur oft regelmässiger ist. Da sind die Meinungen geteilt.... allerdings werden Instrumente mit "schönem" Holz besser bezahlt.


    Restaurierung/Reparatur: Lohnt es sich- unter welchem Aspekt? Zum Selberspielen und zur Rettung des Instrumentes unbedingt und auf jeden Fall! Zum Verkauf "jein". Es ist die Frage, wie weit man eine Restauration treibt und was vom Käufer honoriert wird. Es gibt da ein gewisses Mass an "muss": Also Leimen der offenen Bereiche, Griffbrett wieder aufleimen, Wirbel überarbeiten. Saiten, Steg und Stimmstock sind auch fällig. Aber da geht es schon los- Saiten sind eine Geschmacksfrage, Steghöhe/Saitenlage lässt sich jeder individuell einrichten, und manche Cellisten schwören auf alte Stege und Stimmstocks und wollen gar nix verändern. Manch einer will jeden Kratzer weglackiert haben, für andere macht das gerade den Charme aus...Sprich: Wenn es dann sowieso jeder Spieler so einstellt wie er es will ist es besser nur "die Substanz zu sichern" und das ganze Setup dem neuen Eigentümer zu überlassen. Aber leider hängt der Wert eines solchen Cellos (restauriert) entscheidend vom Klang ab- das kann alles zwischen 500 und 5000 Euro sein. Und ein Instrument, welches nicht spielbar ist, kann natürlich nicht probegespielt werden. Da beisst sich dann die Katze in den Schwanz.


    Also kurz: Ja, es lohnt sich, aber wieviel Gewinn am Ende übrig bleibt kann man (noch) nicht sagen.


    Am Besten gehst Du mal bei einem/besser mehreren Geigenbauern vorbei, und lässt Dich beraten. Vielleicht machen sie dir auch ein Ankaufsangebot. Und am Allerbesten behältst Du es und lernst selber Cello, das geht auch im Erwachsenenalter sehr gut. Ich spiele seit Jahren Cello, und habe auch erst als Erwachsener angefangen.

  • Hallo,

    WOW! Vielen Dank Braaatsch, für die wirklich detaiilierte Einschätzung.

    Naja, es ist so, dass ich (nur) klassische Gitarre spiele und nicht unbedingt das Instrument wechseln will.

    Aber für meine Tochter wär das schon eine Überlegung (gewesen).

    Was Du schreibst ist logisch, und demnach müsste ich es erst restaurieren lassen um zu entscheiden ob wir es behalten.

    Deshalb werde ich es doch lieber so verkaufen wie es ist und falls meine Tochter mal ein instrument sucht, dann suchen wir ein passendes für Sie in einem Fachgeschäft.

    Was könnte man so unrestauriert dafür verlangen/bekommen?

    Beste Grüße

    Thunder

  • ..das hängt ganz davon ab, wie schnell Ihr das Cello verkaufen wollt (z.B. an die "Was-letzte-Preis"-Fraktion...), oder ob Ihr Zeit und Lust habt, mal bei einem Geigenbauer eine Einschätzung zu holen und lieber "einen guten Platz" für das Instrument sucht. Mir als Cellist blutet immer das Herz, wenn so ein Instrument verscherbelt wird und irgendwo als "Kunstprojekt" oder geschmackloses Weinregal endet. Man kann es so wie es ist bei Ebay einstellen, dann gibt es -je nachdem ob die Urlaubskasse bei der Käuferschaft gerade leer ist, ob man einen guten Zeitpunkt erwischt oder alles gerade ihre Heizungen erneuern müssen- 500-1000 Euro im jetzigen Zustand (ganz grobe Schätzung!).


    Man kann auch (-das würde ich machen!) bei meinem Geigenbauer vorbeigehen. Vielleicht kauft er das Instrument an, solche älteren soliden Instrumente sind durchaus gesucht. Oder Ihr lasst mal das Nötigste machen (ich denke so bei 500 Euro wird man liegen, kommt eben drauf an was man alles machen lässt, Komplettsanierung wird so bei 1000 sein wenn es nicht noch versteckte Schäden gibt, und man sich beim Lack nicht verkünstelt)- und dann kann man schon bei 2000/2500 rauskommen, bei gutem Klang eben mehr. Das ist eben "Überraschungsbox", vom Foto kann man da auch nur begrenzt was sagen und nur ganz, ganz grob schätzen...!


    Ich würde es nicht weggeben, aber ich bin auch (Amateur-)Cellist. Wenn deine Tochter grundsätzlich Interesse hat, dann lasst das Instrument grob spielbar machen und sie probiert sich aus. Wenn es nicht ihr Ding ist, könnt Ihr das Cello immer noch verkaufen (dann aber als spielbar und nicht als Ersatzteilspender), und Ihr habt nicht ein anderes Instrument umsonst gekauft (das kommt Euch dann auch nicht billiger!). Wenn es ihr Spass macht, kann sie mit so einem Cello durchaus lebenslang als Amateur glücklich werden, fürs Studium und die Solistenkarriere müsstet Ihr noch mal anders in die Tasche greifen, aber das steht ja jetzt nicht zur Debatte.


    Das Teil ist ein grundsolides älteres Cello, für den Anfang und die Hobbyfraktion gut geeignet. Wenn da bei Euch grundsätzlich mal Interesse da ist, investiert die Euros und habt Spass damit. Celli (also Vollholz, vernünftige in eurer Qualitätsklasse und nicht Sperrholzkisten) werden im Preis nicht wesentlich fallen- anders als die Geigen und Bratschen. Zwar ist die Fertigung in China billiger, aber der Transport für Celli "unbezahlbar". Daher sind Celli noch wertstabil, die Preise aus China für brauchbare Instrumente ziehen eher an.

  • Danke Braatsch,

    also gut - dann werde ich das machen. Ich muss nur noch einen Geigenbauer finden - ist schwierig hier auf dem Land.

    Das näheste ist Markneukirchen.

    Falls jemand in der Nähe von Oberfranken einen Geigenbauer kennt, bitte immer gerne Info hier schreiben.

    Ich habe auch noch ein paar Geigen - die stelle ich bald hier vor.

    Beste Grüße

    Thunder

  • Bubenreuth? Ich weiss ja nicht, wo genau Ihr wohnt...


    Markneukirchen ist immer eine Reise wert, wenn man sich für Musikinstrumente interessiert- einen Besuch des dortigen Musikinstrumentenmuseums kann ich sehr empfehlen. In Markneukirchen und Umgebung gibt's eine Menge Geigenbauer, schildert denen einfach Euer Entscheidungsdilemma (...behalten oder nicht..).


    Letztenendes frisst so ein Instrument kein Brot, und das ist ein Cello was zwar ein "solides" Instrument für einen Amateur ist, aber kein Instrument, hinter dem sich immense Reichtümer verbergen. Man verpasst also auch nix, wenn man es nicht verkauft (oder sich mit der Entscheidung/Reparatur Zeit lässt), es sei denn, man braucht den Platz und kann überhaupt nix damit anfangen.

  • Vielen Dank,

    Bubenreuth sind 140 km einfach, Marktneunkirchen sind 40 km einfach.

    Im Museum war ich natürlich schon (mit unserem Gitarrenensemble).

    Das ist sehr sehr interessant!

    Ich habe nun noch 2 alte Cellobögen gefunden. Die werden wohl zu dem Cello gehören.

    Ich zege Sie Euch hier heute Abend.

    Beste Grüße

  • Hallo,

    anbei nun die 2 Cellobögen die ich gefunden habe.

    Daten:

    Brandstempel: "AR. SANDNER"

    Länge: 71,8 cm

    Gewicht: je 78 g

    Ich kann keine Risse oder Beschädigungen sehen, nur die Haare sind an einem stark gerissen.

    Meine Fragen dazu:

    Passen sie zu dem Cello (ich meine technisch)?

    Wer ist "AR. SANDNER"?

    Aus welcher Zeit stammen diese ungefähr?

    Aus welchem Holz sind sie?

    Rentiert es sich diese restaurieren zu lassen?

    Was sind diese ungefähr Wert?

    Beste Grüße

    Thunder






  • Google ein mal Ar Sandner dan erhältst du reichlich Ingormationen. Die Sandner Sippe baut heute noch Bögen. Es wurde alle Qualitäten hergestellt. Vom einfachen Schülerbogen aus Brasilholz bis zum Profibogen aus besten Fernambuk.

    Bögen können nicht über Bilder beurteilt werden. Hier gehst du besser zum Bogenbauer.