Geigenrätsel: Herkunft?-Alter?-Erbauer?

  • Ich denke, das um das Jahr 1800 die Verwendung von Siegellacken nur in der „Besseren Gesellschaft“ verbreitet war. Vielleicht ein Sammler, eine höhere Amtsperson oder eine Adelsfamilie hat das Instrument besessen? Auf jeden Fall wurde das Instrument pedantisch sauber und unter Verschluss gehalten. Mich fasziniert ganz eigene Bauweise: du hast wie immer recht, die Zargenecken sehen aus als wären sie von einer Außenform streng gerichtet. Hingegen sind die C-Bügel so unsymmetrisch, dass ich rahmenlose Bauweise vermute. Die Wölbung ist ungewöhnlich rund. Die Holzauswahl wurde mit viel Sachverstand vorgenommen und ist nur vom feinsten. Der Lack ist sehr dunkel, fast ein bisschen trocken und spröde. Und du hast recht, der Meister hat die Meisel Werkstätten wohl gekannt, war ihnen aber nicht wohl gesonnen!!

  • Na, es gab doch diesen 200 Jahre gehenden Geigenkrieg in Klingenthal. Viel Streit in der Innung und auch zwischen den Innungen um Vermarktungsrechte, Herstellungsrechte, Ausbildungslehrpläne, usw. Ich glaube, Braaatsch und abalon sowie einige andere im Forum kennen sich da besser aus und könnten was dazu sagen? ;).


    Nach dem Motto: immer wenn es um Kohle geht gibt’s Streit!

  • Ja, die hatten da diese Zunftscharmützel. Ich weiss es nicht mehr ganz genau, aber ich glaube es ging unter Anderem darum, wer als Lehrling aufgenommen werden durfte- ider war es die Meisterwürde….? Die einen wollten nur welche aus Instrumentenbaufamilien aufnehmen, die Anderen den Kreis weiter fassen (Familirn aus Böhmen etc.), und ich glaube auch Regelungen zum Thema (verwitwete) Frauen und Werkstattleitung oder irgendsowas… Bitte nagelt mich nicht fest. ;)


    Geige: Ich vermute auch Sachsen/Böhmen. Auf Klingenthal würde ich mich nicht festlegen wollen, da ist die Form nicht typisch (widerspricht Klingenthal aber auch nicht!).


    Diese Siegel findet man an so einigen Geigen, manche sind echt, viele aber auch „dekorativ“ um eine Geige wertvoll erscheinen zu lassen. Auch mancher Besitzerhat sich selber sowas draufgepappt.

  • Danke- , Braaatsch 😉.

    Es ging schon damals wie immer im Leben um die Sicherung von Privilegien und materiellem Vorteil, viel weiß man aus alten Gerichtsakten und Zunft Büchern.


    Und oft waren Exulanten mit von der Partie, die waren in der Regel zielstrebiger und ehrgeiziger, brachten oft neuen Wind, aber eben auch Streit.



    Schon am 17.5.1695 wurde ein Vertrag zwischen Klingenthaler und Markneukirchen Meistern in ein und der selben Innung wegen Verkaufstreitigkeiten geschlossen: Instrumente dürfen fort an nicht mehr im jeweils anderen Ort angeboten werden.



    Man kann sich vorstellen, dass mancher Geigenbauer auf seinen Kollegen schlecht zu sprechen war.


    Die Söhne der Geigenbauer Familien waren oft schon mit 25 Jahren oder früher Meister.


    Aus dem Parallel-Thread: Christian Gottfried Hamm *10.11.1774 Markneukirchen, wurde z.B. am 7.6.1797 in die Meister-Rolle aufgenommen. Sein Vater Johann Gottfried Hamm war damals noch nicht Obermeister der Innung!(Kein Vitamin B).



    Ich meine aber, das besprochene Rätsel-Modell kann man schon an einem Merkmal erkennen… 😉

  • Mir fällt die Umrissform auf, die auch nach Süddeutschland passen würde, und die durchgegehwnde Unterzarge. Andererseits die F-Löcher und die Schnecke, die auch nach Sachsen passen. Der tief eingezogene Untersattel passt auch gut nach Sachsen, hat aber nicht die Form, die ich von den typischen Klingenthalern kenne.

  • Danke, Braaatsch. Aber meinst du nicht, der herunter gezogene Untersattel ist ein frühes böhmisch/sächsisches Reparaturmerkmal? Oder denkst du, dass dieser Untersattelkonstruktion schon beim Bau eingefügt wurde? Die Reparatur könnte nötig geworden sein durch ein ein gerissenes Knopfloch und/ oder ein zu fest montierter Kinnhalter? Und heute haben das viele böhmische sächsische Geigen, da hat die erste Reparatur auch in dieser Region stattgefunden hat?



  • Ich glaube, es war irgendwann Mode, den Untersattel in die Zarge einzuziehen. Genau wie unter dem Untersattel 1 mm oder weniger von der Decke stehenzulassen. Da freut sich die Person, die das restaurieren muss, wenn Teile dieses Rest-Deckenstückchens fehlen ;)