Unbekannte Geige

  • Einen solchen Arbeitsaufwand für eine namenlose Fälschung einzugehen, wäre für den Fälscher nicht lukrativ. Nicht das Alter einer Violine alleine macht den Preis der Violine aus, man zahlt den Namen des Meisters mit - und dies weiß jeder Fälscher. Ihre Argumente überzeugen mich somit absolut nicht.


    Es geht auch zu weit, die Violine allein aufgrund des Fotos als Schülergeige zu titulieren. Man muss sie sehen, um dies beurteilen zu können. Die Schäftung sehe ich nicht als eingeritzt an, nur weil das Foto zu undeutlich ist. Es könnte sich bei ihr auch um eine absolute Meisterarbeit handeln. Nur der direkte Blick auf die Violine würde weiterhelfen. Ich würde dem Besitzer also raten, sie bei einem Geigenbauer begutachten zu lassen.

  • ...was glauben Sie, was fuer "Aufwand" von Fälschern bzw. Imitatoren betrieben wurde... ;) Eingeritzte Anschaefter gab es bei Billiggeigen zuhauf, da muss man nur mit dem Messer mal ein paar mal reinschneiden, und ein bisschen mit einer Feile ueber die Schnecke....soviel Aufwand ist das nicht. Es wurden ebenfalls Billiggeigen aus holzwurmbefallenem Holz gebaut damit die aelter aussehen.


    Fakt ist, dass diese Form von kuenstlicher Alterung sehr gerne bei Instrumenten einfacherer Qualitaet gemacht wurden (aber nicht nur!!!), gute Geigen haben solche Tricks nicht nötig.


    Ich kann allerdings auch nicht erkennen, ob der Anschaefter echt oder unecht ist. Ein abschliessendes Urteil zur Qualitaet sollte man immer erst faellen, wenn man die Geige in Natura sieht (und spielt), da gebe ich Ihnen recht. Auch die Stifte sind fuer eine einfaches Schulinstrument eher ungewoehnlich, aber auch bei einfachen Schulinstrumenten gab es diese. Dennoch: der, der die Schnecke zerstoert hat, hat wohl nicht viel vom Wert der Geige gehalten....

  • Tja, da gehen unsere Meinungen auseinader. Ich denke, jemand der einen solchen Aufwand betreibt, hätte dann auch einen entsprechenden Zettel mit einem wohlklingenden Namen eingeklebt. Ohne Namen macht der ganze Arbeitsaufwand für mich keinen Sinn. Die Frage, die sich ein Fälscher doch stellen muss, ist warum soll ich ohne Namen verkaufen, wenn ich mit Namen mehr erzielen kann.


    Ja, die ramponierte Schnecke tut in der Seele weh, wäre aber auch reparabel, wenn die Investition sich lohnen würde. Witzig fand ich hier, zu welchen Annahmen das Aussehen der Schnecke führte.

  • Wenn der falsche Anschäfter mit einem klangvollen Zettel kombiniert wird, lohnt der Aufwand für den Fälscher schon. Zettel können verloren gehen, und es soll auch vorkommen, dass extrem unglaubwürdige Zettel bewusst entfernt werden. Und Alterungsspuren werden nicht nur zwecks Fälschung gemacht, sondern zum Teil auch, weil die Geige dann gediegener aussieht. Ich spiele eine Manufakturgeige, die zugibt, aus dem Jahr 1989 zu sein. Und da waren schon beim Kauf im Lack Farbverläufe drin, die Abnutzungen simulieren, die sich einstellen, wenn die Geige mit dem nackten Kinn festhält und viel in hohen Lagen spielt.
    Ein echter Anschäfter müsste meiner Einschätzung nach auf den Photos viel deutlicher zu erkennen sein. Dass er so schlecht zu erkennen ist, deutet darauf hin, dass er nur geritzt, vielleicht sogar nur mit Farbe simuliert wurde.

  • Der goldfabene Lack, der schöne Ahornboden, die sauber eingesetzten Einlagen, die estethische Schnecke ... sprechen zunächst gegen eine reine Schülergeige oder eine billige Fälschung. Es hat jemand die Violine geschaffen, der etwas von seinem Handwerk verstand. Ich würde am liebsten ihren Ton hören können.

  • Goldfarbenen Lack kann jeder Geigenbauer anrühren, vorausgesetzt, er ist nicht farbenblind. Es gibt noch andere Berufsgruppen, die goldfarbene Lacke herstellen können um damit z.B. Möbel bepinseln. Dass ein bestimmter Farbton verwendet wurde, sagt über Herkunft und Qualität einer Geige definitiv nichts definitives aus.


    Ahorn ist das Standardholz für Geigenböden und ich finde diesen Boden nicht sonderlich schön. Entweder durchgängig geflammt oder gar nicht, aber dieses halb und halb sieht für mich nicht nach sorgfältiger Holzauswahl aus sondern eher nach Resteverwertung.


    Beim Griffbrett bin ich mir nicht ganz sicher, aber es sieht ein bisschen nach gefärbten Hartholz aus. Die Wirbel sind definitiv nicht aus Ebenholz. Auch nicht aus einem der anderen Edelhölzer, die man bei einer "absoluten Meisterarbeit" erwarten würde.


    Der Vorbesitzer (also der, der sie für 250€ an Schüffelgen vertickt hat) hat der Geige einen neuen Steg spendiert. Aber der ist erstens geradezu monströs dich und zweitens nicht richtig an die Deckenwöbung angepasst. Gut möglich, dass das ein nicht-angepasster Rohling ist, wie man ihn für ein paar Euro im Internet bestellen kann. Für einen Satz neue Saiten hat es nicht gereicht. Das heißt: Wir haben es da vermutlich mit einer Geige zu tun, die lange unbespielt auf irgendeinem Speicher lag. Der neue Steg soll wohl vertuschen, dass das Original nicht mehr zu finden war, und einen falschen Eindruck über die Liegezeit vermitteln. "Absolute Meisterarbeiten" werden von ihren Besitzern gehegt, gepflegt und geliebt und bestimmt nicht so lange auf einen Speicher oder in einen Keller verbannt, bis der Steg verloren und der Korpus aus dem Leim geht.

  • Die Schlüsse, die Sie ziehen, sind mit Verlaub gesagt, nicht ganz schlüssig. Eine Geige, die lange in der Ecke lag, muss kein schlechtes Instrument sein, nur, weil vielleicht die Erben die Violine nicht so pflegten wie der Verstorbene. Ich habe schon manches traurig in die Umgebung schauende Instrument gesehen, hinter dem sich strahlende Schönheit verbarg.


    Auch ein falscher Steg zeugt nicht von der Wertlosigkeit eines Instrumentes, sondern lediglich von der Ahnungslosigkeit eines vorübergehenden Besitzers. Der Steg erzählt keine Geschichte, sondern lässt nur den Moment einer Geschichte aufflackern, mehr nicht.


    Und was soll der Steg schon verbergen, wenn bereits die Saiten erzählen, auf mir wurde schon lange nicht mehr gespielt?

  • Dass ich Ihnen widerspreche, wenn Sie von einer "absoluten Meisterabeit" sprechen, heißt noch lange nicht, dass ich die Geige für wertlosen Schrott halte. Es gibt es paar Stufen dazwischen. Eine davon ist "brauchbares Schülerinstrument". Mein Geigenlehrer hat die Preisspanne dafür bei "um die dreitausend Mark" angesiedelt. Solche Preise sind bei dieser Qualitätsstufe heute nicht mehr zu realisieren.


    Der Steg ist ein Indiz und sagt über die Vergangenheit eines Instrumentes mehr als die Farbe. Es gibt Geigen, die nach einem langen Dornröschenschlaf nur wieder wach geküsst werden müssen. Aber es gibt auch eine Menge schrottige Geigen, und auf jeden Deppen, der ahnungslos eine "absolute Meisterarbeit" für ein paar Öcken verhökert, kommen Dutzende Schlitzohren, die den Deppen geben, um billig aufgehübschten Schrott an Leute zu verkaufen, die hoffen einen Deppen zum Betuppen zu finden. Und diese Schlitzohren überlegen sich sehr genau, was sich vor dem Verkauf an Maßnahmen rentiert und was nicht.
    Wenn der Steg fehlt, dürften die meisten potentiellen Käufer größeren Restaueriungsbedarf vermuten, was den Wert drückt. Ist er vorhanden wird der Restaurierungsbedarf geringer eingeschätzt. Das ist wie bei gebrauchten Autos: Wenn man sein Auto für 15€ durch die Waschstraße fährt, kann man locker mehrere hundert Euro mehr dafür bekommen, als wenn man es dreckig anbietet. Ein neuer Steg hat sich wohl rentiert, neue Saiten anscheinend nicht. Oder sie wurden weggelassen, damit man die Katze im Sack kaufen muss.


    Bei Geigen gibt zwei Werte, die weit auseinander liegen können: Den Wert, den sie für Sammler und Händler haben und den, den sie Spieler haben. Eine Geige, die mangels Zettel oder wegen der falschen Herkunft miese Marktpreise erzielt, kann für jemanden, der sich für den Marktpreis nicht interessiert und nur darauf spielen möchte sehr interessant sein.