Zierliche alte Geige — Einschätzung

  • Zitat

    Original von Colding
    Siehe:


    http://www.youtube.com/watch?v=3I1H0xD9e-Q


    (Min. 9.00 ff.)


    "Leider ist dieses Video in Deutschland nicht verfügbar" ... also bei mir
    geht es nicht, schade... gibt es vielleicht noch einen anderen Link da drauf?



    @Braasch: Ja, am Endknopf ist ein eingesetztes Stück Zarge, genauso am
    Halsansatz. Dort wurde auch mal was neu eingesetzt, evtl. sogar der Hals
    mit Schnecke komplett.

  • Zitat

    Original von Colding
    Fiddler: http://www.youtube.com/watch?v=DY5qC42MO0k (9.40ff)


    Alle Videos mit der Bach-Musik sind in Deutschland gesperrt. Ich habe mir jetzt
    mit einem Trick Zugang verschafft.


    Ja, wie der Hals normalerweise verleimt wird, war mir schon klar. Aber wie gesagt,
    nach dem Film wird es noch klarer, ist der Hals zu wenig angekeilt, deshalb reicht nicht
    die eine Schraubzwinge zum "nach unten Drücken".


    Aber bald wird die Geige wieder klingen und ich bin schon gespannt. Ich poste dann
    das Ergebnis. (Einen Sattel werde ich von einer anderen Geige ausborgen).


    Grüße
    Fiddler

  • So... heute hatte ich Zeit und Muße für das Geiglein...


    Zuerst habe ich einen neuen Sattel zurechtgeschliffen und eingepasst.


    Dann mit Knochenleim den Hals angesetzt — er saß gleich perfekt, ein Einspannen
    habe ich mir gespart, nur paar Minuten von Hand das Ganze fixiert und dann ruhen
    lassen. Naja, keine 6 Stunden.. eher 3 Stunden, dann hatte ich keine Geduld mehr.
    Inzwischen habe ich den Lack etwas gereinigt, leicht poliert, kommt sehr schön raus,
    nur die dunkle Mitte voll Kolophoniumschwärze habe ich mal gelassen, habe kein
    Wundertuch zur Hand gehabt. Der Boden sieht super aus.


    Nach 4 Stunden hab ich vorsichtig Saiten aufgezogen. Und sie klingt... wunderbar!
    Ich bin vom Ton sehr angetan. Die Ansprache ist auch gut, lässt sich sehr sehr schön spielen.


    Tja, das könnte in nächster Zeit meine "Haupt"-Geige werden. Obwohl sie ja nicht mir
    gehört. (Die Besitzerin wollte sie nicht richten lassen und fürs Theater als Reqisite
    verwenden, wobei man den Hals dann wohl irgendwie mit Ponal angeklebt hätte)


    Sie hat schon angedeutet, dass ich die Geige behalten kann. Mal sehen, da fällt mir
    schon eine Gegenleistung ein..


    Was hättet ihr für die (gut klingende) Geige gegeben?

  • Erstmal lieben Dank für den Hinweis!


    Auf den ersten Blick ist da eine Ähnlichkeit, bei genauerem Hinsehen
    dann aber nicht mehr:


    - die "Gütter" hat ein sehr hochwertiges Deckenholz mit sehr engen Jahresringen
    - die Einlagen liegen dort weiter am Rand
    - die F-Löcher unterscheiden sich
    - die Schnecke sieht auch anders aus, andere "Handschrift"
    - die Decke läuft bei meiner Geige etwas sanfter aus
    - die Decke meiner Geige ist viel dünner, v.a. die Deckenränder


    So alt wie die "Gütter" würde ich die Geige nicht schätzen. Auch nicht so wertvoll. Leider sehe
    ich in dem anderen Thread nur die Fotos der "Gütter", nicht die der anderen Vergleichs-Geige.


    Ich spiele nun schon den ganzen Abend. Spielt sich so leicht, klingt immer noch gut ;)


    Warum werden solche Geigen einfach "vergessen"? Sie wurde früher ja schon öfter liebevoll
    restauriert, repariert und demnach geschätzt und gespielt... zum Glück habe ich sie auf dem
    Regal verstaubt entdeckt. Wäre sonst schon bald im Kamin gelandet. Unglaublich.


    Ich freue mich über weitere Einschätzungen. Bilder siehe Post#1


    Grüße
    Fiddler

  • Könnte jemand noch etwas zu den dünnen Rändern sagen?


    Wo / in welchem Raum hat man so etwas gern gemacht? Kennt jemand
    Geigen mit dünnen Rändern? Die Decke ist mittig schon auch knapp 3mm,
    würde ja sonst den Druck nicht aushalten, aber ist zu den Rändern hin
    sehr dünn gestaltet, dünner als die üblichen Modelle (Strad, Klotz, Stainer usw.)

  • Hmm... ich pushe ungern selbst, würde mich aber doch sehr interessieren,
    wie das mit den dünnen Decken-Rändern ist.


    Übrigens — zum Alter der Geige noch etwas:


    In der Geige war ein Staub-Kügelchen, rund, etwa 13mm Durchmesser, ein Filz-Knäuel aus Härchen, Staub ... ich kann mir gar nicht vorstellen, wie sich so etwas in 100 Jahren bilden kann. Eine Geige wird ja nicht ständig bewegt und gedreht ... für mich en weiteres Indiz für ein hohes Alter.


    Neben den vielen Reparaturen und Restaurationen, den alten Darmsaiten, dem uralten Kasten und der Bauform ...

  • Hallo,


    ja ist durchaus ein interessantes Instrument. Boden gefällt mir gut. Das mit den Staubkügelchen geht gar nicht mal so langsam. Findet man in durchaus auch jüngeren Instrumenten, das würde ich nicht als Kriterium definieren...
    Diese Kügelchen bewegen sich ja durchaus auch wenn man das Instrument spielt, bzw wenn man es transportiert/trägt etc. Wenn es nur im Koffer liegt wirds natürlich schwer mit dem Kügelchen - insofern kann man es als Indiz nehmen dass das Instrument gespielt oder zumindest bewegt wurde ;)


    Das mit den dünnen Decken schiebe ich jetzt fast weniger auf eine Schule als auf eine Eigenart oder auch Experimentierfreude eines Geigenbauers. Die dünne Decke bringt in der Qualität der Höhen durchaus Vorteile, es kann aber auf Kosten anderer klanglicher Eigenschaften gehen, v.a. wird der Farbton dadurch oft heller (aber das ist jetzt ein bisschen sehr generalisierend ausgedrückt - hängt selbstverständlich auch von anderen Faktoren ab wie Holz, Lack, etc.).


    Ich hätte die Geige in den süddeutschen bzw. evtl Salzbuger/Tiroler, eher weniger in den Wiener Raum zugeordnet, es ist aber eher ein spezielles Modell... Interessant sorgfältig ausgeschnittene f-Löcher.
    Uralt schaut ein Kasten nach 100 Jahren auch schon mal aus, die Saitenhalter kenne ich auch von so ca. 100-120j Geigen, das war so um die Jahrhundertwende sehr modern (speziell mit dieser Schlaufe, die um den Knopf kommt).


    Liebe Grüße,
    pharus

  • Hallo Pharus,


    danke für die interessante Einschätzung.


    Dazu hab ich noch Fragen:
    Was meinst du mit "Saitenhalter" ... für mich ist das ein normaler Standard-Saitenhalter?
    Die F-Löcher sind groß .. aber sorgfältig, weiß nicht..


    Die Decke muss auch nicht dünner als "normal" sein, wie es aussieht, läuft
    sie nur zum Rand hin dünner aus.


    Bei der "Stadelmann" ist die Decke auch in der Mitte rel. dünn. Das macht
    sich auch in einem etwas näselndem, dünnerem Ton bemerkbar.