Stimmstock-Position-Diskussion

  • Liebe Geigenbauer,


    Vorweg: ich bin kein Geigenbauer. Manche Dinge wie Steg anpassen
    oder Stimme setzen habe ich aber im Laufe der Jahrzehnte gelernt.



    Nun, bei dieser Geige war ein eigentlich zu kurzes Stimmstöckchen dabei:
    ?Carolus Carletti?
    Dies ist nun praktisch die Fortsetzung dieses alten Threads.



    Wie dort beschrieben, klang die Geige eigentlich sehr gut. Erstaunlich gut.
    Obwohl (oder weil?) die Stimme ca. 9 mm zu weit außen Richtung F-Loch saß.
    Das hat nach meinem Empfinden die E-Saite etwas gedämpft und den Tiefen
    mehr Entfaltung gelassen. Aber sicher war ich mir nicht.


    Nun wollte ich aber doch (nach Jahren!) endlich hören, ob durch eine
    passenden Stimme klanglich noch etwas verbessert werden kann.


    Die neue Stimme sitzt nun fast an der richtigen Stelle. Könnte noch 2 mm
    mehr innen, vom F-Loch weg sitzen, aber bevor ich mich nochmal an eine
    neue, minimal längere Stimme mache, frage ich hier um Meinungen:


    Ich habe das Gefühl, sie klingt jetzt etwas freier in A- und E- Saite, wobei mir
    die E-Saite zu offen und penetrant erscheint.


    Nun meine Fragen:


    Ist das überhaupt möglich, dass diese Geige mit der "falschen" Position der
    Stimme eventuell besser klingt? War etwa deshalb auch ein so kurzes Stöckchen
    bei Kauf dabei? Aber wer sollte bei einer so billigen Geige solche extremen
    Versuche mit der Stimme gemacht haben? Zumal die Geige kaum gebraucht
    aussah, als ich sie gekauft habe. Von Spuren alter Stimmstöcke ist auch nichts
    zu erkennen. Sieht eher so aus, als wäre an der normalen Position nie was
    gewesen.


    Oder wird die Position der Stimme bei einfachen Geigen (und einfachen Geigern)
    übertrieben? Und ich bilde mir die Veränderung nur ein?



    P.S. zur Beruhigung der Geigenbauer: Ja, die Winkel der Enden an der Stimme
    stimmen, die Stimme sitzt nicht zu fest, das Hölzchen habe ich vom netten
    Geigenbauer, beim Rutschen ist nichts verkratzt und auch vom Endloch aus
    sieht die Passung sehr gut aus. Ich bin sicher kein Meister, habe dafür aber
    viel Zeit und Muße.

  • Tatsächlich habe ich ein Paar ?Billiggeigen? (mit zuviel Holz) zu Leben erweckt, dadurch dass ich einen kurzen Stimmstock angepasst habe und den Stimmstock etwa 2 mm ausserhalb des rechten Stegfusses plaziert, also Richtung F-Loch. Die G und D-Saite können dadurch freier klingen. Aber 9 mm habe ich nicht probiert.

  • Danke für die interessante Antwort!


    9 mm war mein Stimmstock nicht vom Steg entfernt, sondern etwa
    9mm von der "normalen" Position, also 5-6 mm vom Steg entfernt.


    Inzwischen habe ich (heute Abend) den Stimmstock auf die normale
    Position gerückt. Den Klang vorher/nachher habe ich aufgezeichnet,
    aber nur mit dem internen Micro am Computer. Hier und auch gefühlt
    kann ich keinen Unterschied bemerken.


    Aber gut. Der Stock sitzt gerade und am "rechten Fleck" und mit dem
    Klang fühle ich mich auch sehr wohl so. Ansprache ist auch gut, das Geigen
    geht "gut von der Hand" ? kann aber auch einfach an mir liegen. ;)


    Vielleicht teste ich spaßeshalber nochmal den zu kurzen Stimmstock.
    Aber heute nicht mehr.

  • Mir war bei meiner alten Manufakturgeige mal der Steg umgefallen, und da hatte ich damals einfach mal ein bisschen herumprobiert, und siehe da, es gab eine Position, wo sich der Klang kolossal zum Positiven veränderte- Steg und Stimme stehen jetzt auch nicht ganz "Lehrbuchgerecht" zueinander (aber nicht so extrem..)--- und der Klang ist super, gar nicht mehr dumpf, sondern sehr "konzentriert", und zumindest für eine Manufakturgeige einfacher Qualität wirklich sehr sehr gut. Hat jedenfalls mehrere erfahrene Spieler und auch meinen Geigenbauer überrascht :)

  • Hallo allerseits - ich kenne das Problem, dass man beim Verändern der Position der Stimme oft ziemliche Überraschungen erlebt, d.h. der Klang verändert sich nicht so, wie man es nach dem Lehrbuch erwarten könnte.
    Von einem "Geigenintoneur" - also jemandem, der kein Geigenbauer war, sondern davon lebte, Geigen klanglich zu optimieren - habe ich mal eine interessante Meinung zu dem Thema gehört: Er behauptete, die Position der Stimme sei für den Klang gar nicht so entscheidend, viel wichtiger sei die Spannung, also der Druck, den sie auf Boden und Decke ausübt. Die meisten positiven Effekte, die man durch Verschieben der Stimme erziele, lägen ganz einfach daran, dass durch die Wölbung von Boden und Decke z.B. jede Verschiebung nach außen dazu führe, dass die Stimme strammer sitzt (und umgekehrt beim Verschieben nach innen). So könne auch rein zufällig an einer eigentlich ungünstigen Position die richtige Spannung entstehen, die für einen guten Klang das Allerwichtigste sei.
    Was haltet ihr davon?

  • Dieser "Geigenintoneur" hatte für das Messen der Boden-Decken-Spannung ein eigenes Gerät. Ich habe aber keine Ahnung, wie das aussah und welche Druckwerte er für welche Geigen da ansetzte.
    Nach dieser Theorie müsste man also weniger mit der Position der Stimme, sondern mehr mit ihrer Länge experimentieren. Das macht die Angelegenheit natürlich komplizierter: Wenn man die Position nach außen verschiebt, müsste man also die Stimme gleich ein wenig kürzer feilen bzw. im umgekehrten Fall eine neue, etwas längere Stimme schnitzen...

  • Zitat

    Original von frank222Das macht die Angelegenheit natürlich komplizierter: Wenn man die Position nach außen verschiebt, müsste man also die Stimme gleich ein wenig kürzer feilen bzw. im umgekehrten Fall eine neue, etwas längere Stimme schnitzen...


    Das wird ja immer so gemacht. Deshalb habe ich ja für die neue, weiter
    innen sitzende Position einen längeren Stimmstock geschnitzt und angepasst.


    Die Idee, dass es mehr am Druck als an der Position liegt, ist interessant.
    Ich denke, die Position macht schon etwas mehr aus. Aber bei meinen
    Versuchen kam kein großer Unterschied zutage.


    Obwohl ich der neue Stimmstock weit vom alten entfernt sitzt, ist der Klang
    nicht schlechter oder viel besser geworden. An meinen Aufnahmen (vorher/nachher)
    lässt sich kein Unterschied erkennen.


    Kommt wohl auch auf die jeweilige Geige an, ob die empfindlich auf Veränderungen
    reagiert oder nicht.