wertschätzung?

  • habe eine geige gefunden und überhaupt keine ahnung davon!!
    bin zum glück auf dieses forum gestoßen, und vielleicht kann mir hier jemand weiterhelfen...


    hab leider nur 2 schlechte aufnahmen bis jetzt, werd aber demnächst bessere bilder machen!


    vielleicht könntet ihr mir ja trotzdem mal sagen was ihr schätzt.
    wäre sehr dankbar.

  • so mal vorab: eine besondere Offenbarung dürfte sie nicht sein. Die üblichen Verdächtigen: mal eher sächs. als böhm., aus der Ära 1900 bis vor WK1.
    Aber bevor wir das Kind mit dem Bade ausschütten, zumindest noch ein Foto von der Rückseite?
    Gibt es Signaturen (Zettel, Brandmarken, Reparaturzettel etc.)?
    Sie wurde mal offensichtlich akurat wiederhergestellt. Man sieht wieder diesen relativ neuen Infeld-Saitenhalter.
    Wissen Sie zufällig von wem?

  • die Holzwahl für die Rückseite ist sehr gut, dennoch irritiert die Lackierung: man sieht, dass sie die Konturen der Ahornrippel nicht überdeckt -oder täusche ich mich da?
    Sie scheint mal, sagen wir's diplomatisch, halbprofessionell "refinished" (Gitarristenslang für "repariert" -nicht exakt, daher ziehe ich den Slangausdruck vor) worden zu sein.
    Wert? Sehr schwierig ohne Natura: ich schätze je nach Qualität der Restauration und leider fehlender Identität 300-500?.
    Vielleicht meldet sich der Rainer, er ist unumstritten unser Forenguru, noch.
    Sein Statement wäre sehr interessant

  • Ein völlig ebener auf Hochglanz polierter Lack ist, anders als bei Gitarren, kein Zeichen hoher Qualität, sondern deutet eher auf Fabrikware hin.
    Die alten Italiener haben alle (in unterschiedlich starker Ausprägung) diese Ahornrippel, was eine Folge der Bearbeitung des Holzes mit Ziehklingen ist.
    Ausserdem wurde der Lack nicht poliert, was man an den wenigen Geigen sehen kann, die nicht Ende des 19. bzw. Anfang des 20.Jhd überpoliert wurden (mit Schellackpolitur o. ä.).
    Bei diesen Geigen besitzt die Oberfläche Textur. Siehe z.B. die "Messiah" Strad oder auch die "medici" strad.


    Zu der Geige: Ich kann auf den Bildern leider nicht viel erkennen, sie sind zu klein und zu dunkel. Ausserdem sollten die Fotos möglichstgerade aufgenommen werden. Eine gute Hilfe dabei ist es die Kamera so auszurichten, dass beim Fotografieren der Decke die Ecken des Bodens alle gleich weit herausschauen.


    Matthias

  • Du bringst sehr interessante Details in die Diskussion herein.
    Lass mich mal "ausschweifen" :D
    Der Common Sense in Sachen Lack mit Geigen heißt einfach:
    Öllack schlecht, Spirituslack gut.
    Öllack hat den Vorteil, leicht anrührbar zu sein, leicht auftragbar zu sein und leicht zu decken zu sein (er vergibt Fehler toleranter), dafür verwittert er sehr leicht (am besten an alten böhm. Billiggeigen sichtbar).
    Spirituslack ist sehr schwer anzurühren, schwer aufzutragen, verzeiht keine Sünden, dafür kann er Jahrhunderte überdauern.
    Ergo ist Öllack sehr gut für die Industriefertigung, Spirituslack soll einen Meister auszeichnen.
    Daher ist es gerade ein Zeichen des Meisters, den Spirituslack so aufzutragen, dass er wie ein, sagen wir's tolerant, Jackson Pollock Gemälde Farbtöne wiedergibt und Mängel an der Holzkontur -oder wie Du es korrekt nennst -textur überdeckt.
    Mich irritieren die Bilder über die Strads daher etwas. Kann es sein, dass es sich hierbei auch eher um Alterungserscheinungen handelt?
    Schellack und Harz verfallen im Alterungszustand ja wieder in ihre übliche Form -so gummigartige bis harzklötzchenartige Körner

  • Zitat

    Original von yxyxyx


    Der Common Sense in Sachen Lack mit Geigen heißt einfach:
    Öllack schlecht, Spirituslack gut.


    Wo hast Du denn den Quatsch her?
    In den alten italienischen Lacke wurde durch mehrere Studien Leinöl und Kolophonium als Hauptbestandteil nachgewiesen.


    Spirituslack ist nicht schwer anzurühren, allerdings schwerer aufzutragen als Öllack.
    Spirituslacke sind normalerweise nur Harzlösungen. Sie können sich wieder zersetzen. Öllacke dagegen werden aus Harzen und Lein- oder Nussöl gekocht, wobei sich die Harze mit dem Öl chemisch verbinden.


    Sowohl Öllacke als auch Spirituslacke können sehr hart und abriebfest oder weich und empfindlich sein. Je nach Zusammensetzung.


    Die meisten erfolgreichen Geigenbauer arbeiten heute wieder mit Öllack.
    Und viele verzichten auch wieder auf glatte Hochglanzoberflächen.


    Matthias

  • Zitat


    Die meisten erfolgreichen Geigenbauer arbeiten heute wieder mit Öllack.
    Und viele verzichten auch wieder auf glatte Hochglanzoberflächen.
    Matthias


    Richtig, das musste hier mal gesagt werden!


    Aber zurück zur Geige:
    Auch wenn ich von ihr ebenfalls noch nicht sehr viel sehen kann, handelt es sich bei ihr m. E. doch schon um etwas Besseres, voraussichtlich in der vierstelligen Kategorie.


    MfG
    Rainer